Lena Muzaini, aus Palästina geflüchtete Ingenieurin bei der Hamburg Port Authority HPA (Aufnahme von 2019)
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Lena Muzaini, aus Palästina geflüchtete Ingenieurin bei der Hamburg Port Authority HPA (Aufnahme von 2019)

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Arbeitsmarkt: Immer mehr Geflüchtete sind erwerbstätig

Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft. Zunehmend gelingt es auch: Über die Hälfte der Menschen, die nach 2015 hierher flohen, hat einen Job - auch in Bayern. Der Verdienst ist aber oft mäßig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Mehr als die Hälfte der 2015 nach Deutschland geflüchteten Menschen ist erwerbstätig. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die in Nürnberg veröffentlicht wurde. Die Analysen beziehen sich auf das Jahr 2021. Im Vergleich zu 2020 ist demnach Erwerbstätigkeitsquote der Geflüchteten um zehn Prozent gestiegen. Verbesserungsbedarf gibt es laut den Studienautoren vor allem bei der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.

Je länger der Aufenthalt, desto mehr Erwerbstätige

Im Hinblick auf die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit senke der hohe Anteil der später zugezogenen Geflüchteten den Durchschnitt der Beschäftigungsquoten in der Statistik, so die Studienautoren. Die Erwerbszahl der 2015 und vorher zugezogenen Geflüchteten ist höher, da bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer die Erwerbstätigkeitsquoten zunächst geringer sind.

Ein längerer Aufenthalt in Deutschland bedeutet für Geflüchtete laut der aktuellen Studie erhebliche Fortschritte bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Nach sechs Jahren arbeiten zwei Drittel der 2016 nach Deutschland geflüchteten Menschen in Vollzeit. 70 Prozent üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.

Auch der Verdienst stieg. Das mittlere Bruttomonatsgehalt bei Geflüchteten, die in Vollzeit arbeiten, erhöhte sich von 1.660 Euro in den ersten beiden Jahren nach ihrer Ankunft auf 2.037 Euro im sechsten Jahr. Das mittlere Bruttomonatsgehalt aller geflüchteten Beschäftigten stieg von rund 650 Euro auf 1.683 Euro.

Frauen im Arbeitsmarkt schlechter integriert

Die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt laufe deutlich langsamer als bei Männern, so die Studienautoren. So seien sechs Jahre nach der Ankunft 23 Prozent der Frauen und 67 Prozent der Männer erwerbstätig. Erst acht Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland steigen die Quoten der Frauen auf 39 Prozent. Gründe dafür liegen laut den Experten bei der Sorgearbeit für Kinder, insbesondere für unter Dreijährige. Ein weiterer Grund ist, dass geflüchtete Männer häufiger einen Sprach- oder Integrationskurs als Frauen besuchen und ihn früher abschließen. Außerdem spielen die Berufserfahrung und die Ausbildung im Herkunftsland eine Rolle.

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Erwerbstätigenquoten nach Geschlecht und Aufenthaltsdauer in Prozent

Weiterbildung immer häufiger

Immer mehr Geflüchtete besuchten in Deutschland Bildungseinrichtungen und qualifizierten sich weiter. Innerhalb der ersten sechs Jahre nach Zuzug besuchte ein Drittel der erwachsenen Geflüchteten Schulen und Hochschulen oder absolvierte Ausbildungen und Weiterbildungsmaßnahmen.

Tätigkeitsniveau gleich oder niedriger

Doch obwohl immer mehr Geflüchtete sich weiter qualifizieren, arbeiten viele von ihnen unterhalb des Tätigkeitsniveaus ihres Herkunftslandes. Geflüchtete, die seit sechs Jahren in Deutschland sind, arbeiteten in 41 Prozent der Fälle eine geringere Tätigkeit aus. Bei 47 Prozent entsprach ihre Tätigkeit in Deutschland dem Tätigkeitsniveau ihres Herkunftslandes, bei 12 Prozent lag sie darüber.

Nach wie vor verdienten Geflüchtete deutlich weniger pro Stunde als der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Die Mehrheit der Geflüchteten verdiene sechs Jahre nach dem Zuzug noch unterhalb der Schwelle zum Niedriglohnbereich, dennoch könnten sie laut Studienautoren "diese Schwelle mit zunehmendem Lebensalter und längerer Aufenthaltsdauer in absehbarer Zeit überschreiten".

Verbesserungsbedarf trotz steigender Erwerbstätigkeit

Insgesamt würden die Erwerbsbiografien zeigen, dass ungünstige Voraussetzungen und zahlreiche Hürden bei der Integration in den Arbeitsmarkt dafür sorgen, dass die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten nach ihrer Ankunft gering seien. Je länger sie in Deutschland wohnen würden, desto stärker stiegen die Quoten an. Das Gleiche gilt für die Quoten bei denjenigen, die Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen besuchen. Geringer würden die Erwerbslosigkeit und Leistungsbezüge.

Die Autoren der Studie sprachen sich dennoch dafür aus, geflüchtete Frauen bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt mehr zu fördern. Auch sollte der Übergang in den Arbeitsmarkt für alle Geflüchteten leichter werden und sie mehr bei der Bildung unterstützt werden. Das Bildungspotenzial sei noch nicht ausgeschöpft. Zudem sollten vorhandene Bildungsabschlüsse und vorherige Berufserfahrung besser anerkannt und zertifiziert werden, um den Geflüchteten besser qualifizierte Beschäftigungen zu ermöglichen.

Auch in Bayern mehr als die Hälfte erwerbstätig

In Bayern lag die Beschäftigungsquote im Dezember 2022 laut der Bundesagentur für Arbeit bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei rund 59 Prozent. Zum Vergleich: Bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit betrug die Beschäftigungsquote in Bayern im Dezember 2022 rund 72 Prozent.

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