Die Spitzen der Parteien nach dem Koalitionsausschuss: Christian Lindner (FDP, l.), Ricarda Lang (Grüne) und Lars Klingbeil beim Pressebriefing
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Die Spitzen der Parteien nach dem Koalitionsausschuss: Christian Lindner (FDP, l.), Ricarda Lang (Grüne) und Lars Klingbeil beim Pressebriefing

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Ampel-Parteien verkünden Einigung nach Verhandlungsmarathon

Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen von SPD, Grünen und FDP Kompromisse bei Streitthemen erzielt. Vereinbart wurde ein Bündel an Maßnahmen: darunter der Ausbau der Bahn, eine höhere Lkw-Maut und eine sozial gestaltete Wärmewende.

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Es wurde stundenlang beraten, unterbrochen, wieder beraten - nun haben Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP ihr Marathon-Treffen im Kanzleramt beendet. Man habe sich auf ein "Bündel an wichtigen Maßnahmen" verständigt, teilte SPD-Chef Lars Klingbeil mit. Zusammen mit der Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und dem FDP-Chef Christian Lindner präsentierte er die Ergebnisse am Dienstagabend vor Journalisten.

Konkret einige sich die Ampel auf eine "massive Stärkung der Bahn", wie Klingbeil betonte. Jedoch sei auch ein Ausbau der Infrastruktur im Straßenverkehr unter bestimmten Gesichtspunkten in Planung. Auch Planungs- und Genehmigungsverfahren wolle man deutlich beschleunigen. Außerdem gab es unter den Koalitionspartnern eine grundsätzliche Einigung hinsichtlich der umstrittenen Umrüstung von Heizungen.

Wärmewende sozial angehen

Mit Blick auf die umstrittenen Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 zu verbieten, betonte Lang, man werde bei der Wärmewende auf Gerechtigkeit achten. "Wir werden für einen sozialen Ausgleich sorgen. Niemand wird im Stich gelassen", betonte die Grünen-Politikerin. Grundsätzlich bleibt es aber bei den angekündigten Plänen: Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden.

Laut Beschluss will das Kabinett den entsprechenden Gesetzentwurf im April beschließen. FDP-Chef Lindner sagte, die Vorschläge sollten nun "finalisiert" werden. Geld solle aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Heizungen mit fossilen Energieträgern sollten weiter betrieben werden können, wenn sie künftig mit klimafreundlichen Gasen genutzt werden könnten. Das Ganze sei noch in Arbeit. Für bestehende Heizungen werde es keine Austauschpflicht geben, nur für neu eingebaute Heizungen.

Ausbau von Bahn und Straßeninfrastruktur

Die Ampel-Koalition will die Lkw-Maut erhöhen, um damit Investitionen für die Bahn zu finanzieren. Die zusätzlichen Einnahmen sollten zu 80 Prozent "in den Ausbau der Schiene, in eine moderne Bahn fließen", sagte Grünen-Chefin Lang. Den Finanzbedarf der Bahn bezifferte sie auf 45 Milliarden Euro bis 2027.

Beim Straßenverkehr verständigten sich die drei Parteien auf einen beschleunigten Infrastrukturausbau. Lang sprach von einer "begrenzten Anzahl von Straßen", für die dies gelte. FDP-Chef Lindner nannte "144 Autobahnprojekte", die als "von überragendem Interesse eingestuft" und entsprechend prioritär behandelt würden. Zudem solle der Platz entlang der Straßen für die Gewinnung erneuerbarer Energien genutzt werden, etwa durch Solaranlagen.

Klimaziele als Ganzes betrachten

Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll zukünftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden", heißt es in einem Beschlusspapier zum Ampel-Koalitionsausschuss. "Basis dafür ist das jährliche Monitoring."

Lindner erklärte die geplante Änderung des Klimaschutzgesetzes folgendermaßen: Von der Großen Koalition sei vorgeschrieben worden, dass pro Jahr jeder einzelne Sektor bestimmte CO2-Minderungsziele erreichen müsse. Dies sei jedoch nicht umsetzbar. Daher wolle man das Klimaschutzgesetz konzeptionell verändern. Künftig gelte die Vorschrift nicht mehr jährlich, vielmehr wolle man weiter in die Zukunft blicken -bis etwa zum Jahr 2030. "Eine reine Sektororientierung überwinden wir", fügte Lindner hinzu - die einzelnen Sektoren sollten sich gegenseitig beim Erreichen der Ziele helfen. "Im Klimaschutzgesetz öffnen wir so den Raum für marktwirtschaftliche Elemente."

Koalitionsparteien zufrieden mit Ausgang der Gespräche

Alle drei zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis der stundenlangen Verhandlungen. "Wir drei stehen hier hochzufrieden. Man kann drei Tage verhandeln, wenn man dann die Garantie hat, dass Dinge schneller laufen werden", erklärte Klingbeil. Lindner sprach von einem "sehr erfolgreichen Koalitionsausschuss, in dem jeder jeden Punkt gut vertreten kann". Zudem könne sich jede Partei über gewisse Siege besonders freuen.

Es seien keine einfachen Verhandlungen gewesen, räumte Lang ein. Das habe auch daran gelegen, dass man sich zuletzt vor allem mit Krisenbewältigung beschäftigt habe, erklärte sie mit Blick auf die Pandemie, den Ukraine-Krieg und die Inflation. "Jetzt gehen wir die Modernisierung an."

Zahlreiche Streitthemen

In den vergangenen Wochen lag die Koalition bei vielen Themen über Kreuz. Vor allem Grüne und FDP waren in vielen Punkten weit voneinander entfernt. Strittige Themen gab es viele: Vor allem die Grünen verlangten von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengungen zur Absenkung von Treibhausgasemissionen. Dessen FDP lehnte aber ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung strikt ab. Für Konflikte sorgten auch das besonders von den Grünen angestrebte Ende für Öl- und Gasheizungen und das Thema Kindergrundsicherung und ihrer Finanzierung.

Scholz: "Großes Werkstück"

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte am Dienstagnachmittag noch, auch in früheren Regierungen habe es sehr lange Beratungen gegeben. Die Mühe sei sinnvoll, "es wird sich gelohnt haben", sagte er. "Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir ein großes Werkstück zustande bringen." Der Kanzler lobte die gute Sacharbeit zwischen den drei Parteien.

Am Mittwoch, ab 13 Uhr, wird sich Scholz in der Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten im Bundestag stellen. Zentrales Thema der auf 90 Minuten angesetzten Befragung dürften die Ergebnisse der Verhandlungen im Koalitionsausschuss sein.

Mit Informationen von AFP, dpa und Reuters

FDP-Politiker Karsten Klein zum Koalitionsausschuss
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FDP-Politiker Karsten Klein zum Koalitionsausschuss

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