Das Recht zu streiken – das gibt es auch in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht weist da immer auf Artikel 9 im Grundgesetz hin. Arbeitgeber und Arbeitnehmer handeln frei die Bedingungen aus. Und um überhaupt etwas durchsetzen zu können, dürfen Gewerkschaften zum Streik aufrufen. Alles andere wäre "kollektives Betteln" - so sieht es das Bundesarbeitsgericht.
Warnstreiks sind gesetzlich nicht geregelt
Was es in Deutschland nicht gibt, ist ein Arbeitskampfgesetz, das bestimmt, was an der Streikfront geht und was nicht. Es gilt das Richterrecht. Über die Jahre hinweg haben die obersten Richter mit ihren Urteilen sozusagen Leitlinien gesetzt. In der Praxis wird immer unterschieden zwischen einem Warnstreik und einem Erzwingungsstreik.
Voraussetzung für beide ist, dass es nur um Dinge geht, die auch tariflich geregelt werden können. Ein politischer Streik gegen Gesetze wie jetzt in Frankreich bei der Rente gilt als nicht möglich. Die Gewerkschaft muss stark genug sein, ihre Ziele auch durchsetzen zu können. Und sie darf nicht zum Kampf aufrufen um des Kampfes Willen – also nur, um das Gegenüber zu treffen.
Wann ist ein Warnstreik noch verhältnismäßig?
Immer wieder gibt es Streit darüber, ob ein Warnstreik noch verhältnismäßig ist oder nicht mehr. Bei einem Erzwingungsstreik ist in der Regel ein formalen Beschluss die Grundlage. Welcher, hängt von der jeweiligen Satzung ab. Meist ist es die Urabstimmung, die Verdi jetzt im Tarifkonflikt bei der Post durchführt. Es sollte klar sein, dass sie die Gespräche definitiv für gescheitert erklärt.
Auch bei Warnstreiks muss die Gewerkschaft erklären, dass sie nicht glaubt, am Verhandlungstisch weiterzukommen – ohne förmliche Erklärung. Mit dem Warnstreik – so das Bundesarbeitsgericht – signalisiert sie, dass aus ihrer Sicht die Gespräche friedlich nicht gelöst werden können. Von "Druck machen" ist dann immer die Rede.
Warnstreiks dürfen Betriebe nicht in ihrer Existenz gefährden
Eines darf eine Gewerkschaft nicht mit ihren Aktionen gefährden: den Bestand von Betrieben. Ganztägige Warnstreiks sind in vielen Branchen üblich. Über Tage hinweg alle Bereiche bis zum nächsten Verhandlungstermin zu bestreiken, hält auch der DGB Rechtsschutz für problematisch. Die Aktionen sollen ja "Nadelstiche" sein.
Wenn Arbeitgebern der Streikplan der Gewerkschaft zu weit geht, können sie beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen, um den Streik unterbinden zu lassen. In Nachhinein droht der Gewerkschaft auch eine Forderung auf Schadensersatz. Das ist ein Grund, warum sie nicht gleich in die Vollen greifen. Ein nicht rechtmäßiger Streik käme sie unter Umständen teuer zu stehen.
Streik vorher ankündigen? Gewerkschaften winken ab
Bei Aktionen mit großer Außenwirkung kommt immer die politische Forderung auf, in bestimmten Bereichen das Streikrecht doch zu regulieren – wie es jetzt auch die französische Regierung vorhat. So machten sich einige bei den Bahnstreiks dafür stark, dass die ein paar Tage vorher angekündigt werden müssen. Gewerkschaften warnen hier aber vor dem wirkungslosen Streik. Der Arbeitgeber habe ja Zeit, gegenzusteuern.
Ein anderer Vorschlag ist der nach einer verpflichtenden Schlichtung. Vor einem drohenden Erzwingungsstreik sollte ein Unparteiischer erst noch vermitteln. Bisher ist keine Regierung auf solche Vorschläge eingegangen. Die müssten am Ende auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!