Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister, bei einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses (26.7.21).
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Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister, bei einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses (26.7.21).

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Afghanistan: Seehofer rechnet mit Fluchtbewegung Richtung Europa

In Afghanistan sind die radikal-islamischen Taliban inzwischen bis Kabul vorgerückt. Bundesinnenminister Seehofer (CSU) sieht den Bundeswehreinsatz als gescheitert an und rechnet damit, dass sich Menschen in Richtung Europa auf den Weg machen.

In Afghanistan nehmen die radikal-islamischen Taliban das Land immer mehr ein und sind bereits bis Kabul vorgerückt. Bundesinnenminister Horst Seehofer rechnet deswegen mit einem Flüchtlingsstrom und hält den 20-jährigen Afghanistan-Einsatz für gescheitert. "Man muss damit rechnen, dass sich Menschen in Bewegung setzen, auch in Richtung Europa", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" laut Vorabbericht vom Sonntag. "Das ist keine Angstmache, sondern eine realistische Beschreibung der Situation."

Fluchtbewegungen auch aus Pakistan, Iran und Türkei befürchtet

Es gehe dabei nicht nur um Afghanistan, sondern auch um Länder wie Pakistan, Iran, die Türkei oder Libyen. "Wir stehen vor schwierigen Entwicklungen", warnte der CSU-Politiker. Zwar sei die Motivation des Einsatzes in Afghanistan nach den Anschlägen vom 11. September 2001 berechtigt gewesen. "Aber im Ergebnis ist der langfristige Einsatz nach 20 Jahren relativer Stabilität gescheitert", räumt er ein.

"Was im Moment in Afghanistan geschieht, ist ein Desaster." Bundesinnenminister Horst Seehofer

Seehofer: Ziel des Einsatzes gescheitert

Das große Ziel sei es gewesen, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. "Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheitert. Das trifft mich auch menschlich sehr." Er sei zwar immer ein kritischer Abgeordneter gewesen, was den Einsatz betroffen habe. Aber er habe akzeptiert, dass es auch Verbesserungen etwa für Frauen und in der Bildung gegeben habe. "Aber leider waren diese Erfolge nicht nachhaltig. Das ist das Dilemma."

Er hoffe, dass Hilfsorganisationen ihre Arbeit in dem Land fortsetzten und die Politik deren Sicherheit gewährleisten könne. "Die Entwicklung in Afghanistan ist wirklich sehr bitter und berührt mich auch persönlich sehr."

Seit 2003 sind in Afghanistan 35 deutsche Soldaten gefallen. 25 weitere starben beispielsweise bei Unfällen oder aus anderen Ursachen. Viele wurden verletzt und verstümmelt.

Politik auf europäischer Ebene abstimmen

Ein militärisches Eingreifen, wie es der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, gestern gefordert hatte, halte er jetzt nicht mehr für möglich, sagte Seehofer der "Augsburger Allgemeinen" weiter.

"Das, was jetzt durch die Amerikaner und durch die Briten geschieht, dass man die Reduzierung des Botschaftspersonals militärisch absichert, ist das Maximum." Jetzt schlage die Stunde der Außenpolitik. Dies müsse jetzt auf europäischer Ebene abgestimmt werden. "Leider ist die europäische Kommission in dieser so entscheidenden Phase sehr zurückhaltend."

Söder: USA müssen Lösung für erwartete Fluchtbewegung finden

Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder warnt vor einer neuen Flüchtlingswelle als Folge der weitgehenden Eroberung Afghanistans durch die Taliban. Söder sagte am Sonntag im Politik-Talk von "Bild live": "Ich rechne mit einer großen Herausforderung."

Aus seiner Sicht seien jedoch "die Amerikaner in erster Linie gefordert, dafür eine Antwort zu bieten". Sie seien federführend in diesem Einsatz gewesen und hätten federführend entschieden, das Land zu verlassen.

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