04.02.23: Der chinesische Ballon über der US-Ostküste nach dem erfolgreichen Abschuss durch die US-Luftwaffe.
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04.02.23: Der chinesische Ballon über der US-Ostküste nach dem erfolgreichen Abschuss durch die US-Luftwaffe.

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Chinesischer Spionage-Ballon: "Man kann wunderschön mithören"

Der von den USA abgeschossene chinesische Ballon wirft viele Fragen auf. Für den Militärexperten Ralph Thiele ist klar, dass es um Spionage geht. Im BR-Interview erläutert er die "Vorzüge" dieser Ballons – und wie es nun politisch weitergehen könnte.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der vor der US-Ostküste abgeschossene chinesische Ballon sorgt weiter für Schlagzeilen und Streit – für den Militärkenner Ralph Thiele ist die Sachlage aber entgegen den chinesischen Beteuerungen offensichtlich. "Heute sind wir im hybriden Krieg", sagte Thiele in der "radioWelt" auf Bayern 2. "Da gehört Abstreiten einfach zum Grundhandwerkszeug."

Die Argumentation Chinas, es habe sich um einen zivilen Ballon gelandet, hält Thiele also für unglaubwürdig. Für ihn ist auch der Zeitpunkt kein Zufall. "Die Amerikaner sind ja weltweit strukturiert, haben für jeden Erdteil ein Kommando", erläuterte Thiele. Diese Kommandos hätten "genau in dieser Woche" geübt, wie sie mit Hilfe künstlicher Intelligenz ihre Führungsfähigkeit "dramatisch verbessern können". Die Chinesen seien deshalb geradezu gezwungen gewesen, jetzt tätig zu werden, "wenn sie daraus etwas lernen wollten". Man könne "wunderschön mithören von solchen Ballons".

Militärexperte: Ballons in der aktuellen Kriegsführung beliebt

Laut Thiele ist ein Spionage-Ballon preiswerter und handlicher als ein Aufklärungssatellit – und deshalb beliebt. "Oben drin ist alle mögliche Aufklärungstechnik, die man sich nur wünschen kann. Die ist natürlich viel näher als Satelliten, deswegen sind die Bilder besser, deswegen sind die ganzen elektronischen Aufzeichnungen dramatisch besser." Auch im Irak und in Afghanistan seien solche Ballons zum Einsatz gekommen, sagte Thiele.

Eine zentrale Frage in der Auseinandersetzung zwischen China und den USA lautet Thiele zufolge: "Wie kann ich alles mögliche mitbekommen, verfälschen und stören, was der andere gerade macht?" Der Militärkenner geht davon aus, dass vor dem Abschuss Informationen nach China geschickt wurden. "Diese Ballons sind jetzt normal radartechnisch nicht so leicht zu erfassen", sagte Thiele, der früher Oberst in der Bundeswehr war. Laut ihm konnte die Technik "sicher erstmal ein paar Tage wirken", auch wenn die USA nach der Entdeckung des Ballons Störversuche unternommen haben dürften.

Thiele: Ballons werden "nicht lange stören"

Thiele rechnet aber damit, dass die politischen Misstöne zwischen den USA und China wegen des Ballon-Streits nicht allzu lange anhalten. Laut ihm haben die Amerikaner einen so großen Austauschbedarf mit China, "dass die Ballons nicht lange stören werden". Als Beispiele nannte er die Frage, wie der Ukraine-Krieg beendet werden kann – und andere Themen, wie Klimaschutz.

Zunächst müsse man allerdings die weiteren Erkenntnisse abwarten. In jedem Fall hätten die US-Amerikaner versucht, den Ballon vor der US-Ostküste so abzuschießen, "dass er vielleicht noch auswertbar im Wasser landet".

Vergleichsweise entspannt äußerte sich auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. "Aus meiner Sicht handelt es sich um eine chinesische Panne, die gleichwohl eine amerikanische Antwort erforderte", sagte Röttgen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich gehe aber davon aus, dass beide Seiten sich dadurch nicht länger als nötig von ihrem geplanten Kurs abbringen lassen werden. Und dieser besteht darin, in dem ausgeprägten Machtkampf beider Seiten nicht völlig sprachlos zu sein."

Weiterer chinesischer Ballon – über Lateinamerika

Unterdessen räumte das chinesische Außenministerium ein, dass ein weiterer, über Kolumbien entdeckter Ballon auch aus China stammt. Ähnlich wie mit bei dem Vorfall in den USA sagte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning, durch das Wetter und begrenzte Steuerungsmöglichkeiten sei er bei einem Flugversuch unabsichtlich in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten eingedrungen. Der Ballon habe meteorologischen Zwecken gedient. China habe die Länder informiert. "Wir werden keine Bedrohung für andere Länder darstellen, was von allen verstanden worden ist."

Gleichzeitig erneuerte China die Kritik an den USA wegen des am Wochenende abgeschossenen Ballons. Die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt. Das Eindringen des Ballons sei nur ein Unfall gewesen, der durch "höhere Gewalt" passiert sei.

US-Präsident Biden spricht am Dienstag zur "Lage der Nation"

Die USA werfen China dagegen vor, dass sie mit dem Ballon wichtige Militäreinrichtungen ausspionieren wollten. Nach dem Abschuss des Ballons läuft derzeit die Bergung der Trümmerteile. Die Trümmer befinden sich rund elf Kilometer vor der Küste von South Carolina in relativ flachem Wasser. Taucher sind vor Ort. Die USA erhoffen sich von der Untersuchung Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons.

Neuigkeiten dazu könnte es schon bald geben: An diesem Dienstag wird US-Präsident Joe Biden im Kongress auftreten und seine jährliche Rede zur Lage der Nation halten. Zuletzt hatte US-Außenminister Anthony Blinken seinen geplanten China-Besuch wegen des Ballon-Vorfalls abgesagt.

Bundesregierung äußert sich zu Ballon-Abschuss

Auch die deutsche Bundesregierung zeigte sich beunruhigt über den Vorfall mit dem mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon. "Wir haben die Berichte über den Überflug eines chinesischen Ballons im Luftraum der USA und dessen Abschuss mit Sorge zur Kenntnis genommen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Berlin hoffe, "dass der Vorfall nicht zu weiteren Spannungen beziehungsweise einer Eskalation im amerikanisch-chinesischen Verhältnis führen wird".

Die Frage, ob es auch über Deutschland schon ähnliche Vorfälle gab, blieb unbeantwortet. Für Bewertungen mit Blick auf Deutschland sei es "zu früh", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in der Regierungs-Pressekonferenz. Die Frage, ob die Luftwaffe in der Lage wäre, einen Spionageballon abzuschießen, wollte die Sprecherin nicht beantworten. Auf eine weitere Journalistenfrage, ob auch Deutschland "Luftballons zur Aufklärung" einsetze, sagte die Sprecherin mit Blick auf die Bundeswehr: "Wir haben keine Luftballons."

Mit Informationen von dpa

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