Besucher mit Atemmaske vor dem Atomkraftwerk Fukushima
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Besucher mit Atemmaske vor dem Atomkraftwerk Fukushima

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Zehn Jahre nach Fukushima: Auswirkungen auch in Bayern

Vor zehn Jahren löste ein Erbeben in Japan erst einen Tsunami, dann einen Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima aus. In Deutschland läutete die Katastrophe endgültig den Atomausstieg ein - und hat so auch das Leben vieler Menschen in Bayern verändert.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Im Sommer 2011 wurden in Deutschland noch 17 Atomkraftwerke betrieben, heute sind es noch sechs. 2022 sollen die letzten vom Netz gehen. Besiegelt wurde das Aus für die Atomkraft durch die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima am 11. März 2011, nachdem zuvor Konservative und Grüne bereits Jahrzehnte über die Atomenergie gestritten hatten.

Neben der politischen Kehrtwende bedeutete die Atomkatastrophe vor zehn Jahren auch für viele Menschen persönlichen Wendepunkt. In der Kontrovers-Story erzählen sie, was sich für sie verändert hat.

Video: Fukushima - Wie der Super-Gau alles verändert

Dem Kind zuliebe von Japan nach Amberg

Zum Zeitpunkt der Katastrophe in Fukushima lebt Familie Sturcz-Wakayma in Japan. Erika Wakayma und ihr Mann Johann Sturcz wohnen mit Baby und Kleinkind hundert Kilometer von der Unglücksstelle entfernt. Von dem, was damals in Fukushima passiert, bekommen sie zunächst nichts mit. Denn der Strom ist ausgefallen, es gibt mehrere Nachbeben. Erst als sie zwei Tage später wieder Strom haben, erfahren sie von Verwandten am Telefon von der Atomkatastrophe.

"Dann war die Überlegung, sollen wir Wasser trinken, sollen wir Luft holen?" Erika Wakayma, wohnte 2011 in der Nähe von Fukushima

Die Familie weiß nicht, was sie tun soll. Sie hatte sich für ein Leben in Japan entschieden, ein eigenes Haus und eine Imkerei. Wenn die drei jetzt ihr Dorf verlassen, würde das aus ihrer Sicht gegen den japanischen Gemeinschaftssinn verstoßen. Denn die Familie von Erika Wakayma lebt auch in Japan.

"Ich schäme mich immer noch ein bisschen. Dann heißt das ja, ich lasse alle im Stich, meine Familie oder meine Nachbarn - Leute, die uns geholfen haben bei der Arbeit. Aber letzten Endes stand die Verpflichtung als Mutter an erster Stelle." Erika Wakayma, wohnte 2011 in der Nähe von Fukushima

Die Familie zieht zurück nach Deutschland. Seit April 2011 lebt sie in Amberg. Eine Rückkehr nach Japan können sich Erika Wakayma und Johann Sturcz momentan nicht vorstellen. Im Gegensatz zu Deutschland hält die japanische Regierung an der Atomkraft fest.

Ausstieg aus dem Ausstieg

Im Jahr 2000 beschloss die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder zunächst den Atomausstieg. Doch unter Angela Merkel wurde alles rückgängig gemacht: 2010 kommt der Ausstieg vom rot-grünen Atomausstieg. Doch nur wenige Monate später stellt die Atomkatastrophe von Fukushima alles auf den Kopf: Der endgültige Atomausstieg ist die Folge.

Er bleibt aber politisch bis heute umstritten. Einer der Kritikpunkte: Deutschland exportiert zwar aktuell mehr Strom als es importiert. Allerdings wird dann, wenn aus regenerativen Energien wenig gewonnen werden kann, etwa bei Windstille und in der Nacht, Strom vor allem aus Frankreich eingeführt. Aus einem Land, in dem Atomenergie eine große Rolle spielt.

Atomausstieg nicht für alle nachvollziehbar

Roman Glaser und Alfred Herrmann arbeiteten beide im Atomkraftwerk Gundremmingen. Sie können nicht nachvollziehen, weshalb nach der Atomkatastrophe in Fukushima der Atomausstieg für Deutschland beschlossen wurde. Denn ihrer Meinung nach sind die deutschen Atomkraftwerke sicher.

"Wir schauen neidvoll in die Schweiz, nach Frankreich. Überall werden Kraftwerke weiterbetrieben, die viel älter sind als unsere Kraftwerke. Und wir verstehen immer noch nicht, dass unsere Kraftwerke außer Betrieb gehen müssen." Alfred Herrmann, ehemaliger Mitarbeiter Atomkraftwerk Gundremmingen

Tiefer Einschnitt für Gundremmingen

Rund tausend Menschen arbeiteten im Atomkraftwerk Gundremmingen. 2017 wurde der erste Reaktor abgeschaltet, Ende 2021 geht der zweite vom Netz. Viele der 1.300 Einwohner können sich Gundremmingen ohne Atomkraftwerk kaum vorstellen. Der Betrieb des Atomkraftwerks hat dem einstigen Bauerndorf sprudelnde Steuereinnahmen beschert. Die Gemeinde wuchs rasant an. Jetzt bleibt erst einmal nur ein Zwischenlager auf dem Gelände des Atomkraftwerks. Castoren mit radioaktivem Müll werden hier mindestens bis 2040 gelagert, womöglich auch länger, wenn es bis dahin noch kein Endlager gibt.

"Wir mussten dem Zwischenlager ja zustimmen, weil nur ein Weiterbetrieb möglich war mit dem Zwischenlager. Wir haben aber damals schon betont, dass das nicht das Endlager sein darf. Man muss immer am Ball bleiben und sagen, die Endlagersuche muss dringend fortgeführt werden." Alfred Herrmann, ehemaliger Mitarbeiter Atomkraftwerk Gundremmingen

Das Atomunglück von Fukushima war nicht nur für Menschen in Japan einschneidend, sondern hat auch hierzulande viel verändert. Auch wenn die Mehrheit der Deutschen froh ist über den Atomausstieg, müssen sich manche Menschen und Gemeinden komplett umorientieren.

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