Hendrik und Charlotte Kiefner stehen zwischen zwei Pferden auf einer Weide auf dem Grieshof
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Die Besitzer des Grieshofs in der Rhön, Hendrik und Charlotte Kiefner, fürchten wegen einer neuen Stromtrasse um ihren Pferdehof

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Wird eine Stromtrasse zum Todesurteil für das "Pferdeparadies"?

Neue Stromtrassen sollen Strom aus dem windreichen Norden in den Süden transportieren. Dafür wird quer durchs Land jede Menge Erde aufgerissen und dicke Erdkabel verlegt. Die Pferdepension am Grieshof in der Rhön bangt deswegen um ihre Existenz.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Charlotte und Hendrik Kiefner wohnen mitten im Paradies – und trotzdem kriegen sie derzeit kaum ein Auge zu. Zu viele dieser Wörter schwirren in den Köpfen des Ehepaars: "Dienstbarkeitsentschädigung" statt Dressur, "Bundesbedarfsplan" statt Bürstenset und "Planfeststellungsverfahren" statt Pferdepflege – seit rund drei Wochen müssen sich die Besitzer des Pferdehofs im Markt Zeitlofs mit neuen Vokabeln herumschlagen. Denn da haben sie erfahren, dass zwei neue Stromtrassen vielleicht direkt über ihren Hof laufen.

Oder besser gesagt: unter ihrem Hof, denn es geht um 30 Zentimeter dicke Erdkabel der geplanten Stromtrassen SuedWestLink und NordWestLink. "Also man liegt im Bett, macht sich die ganze Zeit Gedanken: Wird die Trasse noch verändert, bleibt sie so bestehen und schaffen wir das, wenn die so bestehen bleibt?", sagt Hendrik Kiefner, den diese Gedanken sichtlich mitnehmen.

Ehepaar gibt Jobs für Leben auf dem Pferdehof auf

Der Grieshof liegt direkt an der Grenze von Bayern zu Hessen und ist überregional bekannt als Pferdepension. Hier haben alte und kranke Pferde auf satten Weiden rund 100 Fußballfelder Platz, um ihren Lebensabend zu verbringen. Ihren Hof nennen die Kiefners liebevoll "Pferdeparadies". Ihn zu führen, ist ihr Lebenstraum. Dafür sind die Ende 30-jährigen Charlotte und Hendrik Kiefner in die südliche Rhön gezogen und haben ihre Jobs in der Nähe von Pforzheim aufgegeben. Charlotte war Tierärztin, Hendrik Polizeibeamter.

Sie haben es nie bereut: "Wir leben diesen Hof. Wir arbeiten eigentlich sieben Tage die Woche", sagt Charlotte Kiefner. "Es macht immer Laune. Es gibt keinen Morgen, wo ich denk, ich mach heute krank", sagt Hendrik Kiefner. Werden die neuen Stromtrassen nun sprichwörtlich zur Schlange im Paradies?

Grieshof ist vom öffentlichen Wassernetz abgeschnitten

Das Problem: Der abgelegene Grieshof hat keinen Anschluss an das öffentliche Wassernetz. Die Familie Kiefner und die 70 Pferde werden über einen eigenen Brunnen versorgt, der sich überwiegend aus oberflächlichen Wasseradern speist. "Das ist unsere Existenzgrundlage", sagt Charlotte Kiefner.

Allein für die Bauphase braucht der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW circa 73 Meter Platz – und rückt dann wochenlang mit tonnenschwerem Gerät an. Wenn so viel Erdreich bewegt wird, droht der Brunnen auszutrocknen, so die Befürchtung.

TransnetBW: Trassenverlauf über den Hof sei nur "erster Vorschlag"

Ein Planungstool von TransnetBW zeigt ein Luftbild des möglichen Verlaufs der zwei unterirdischen Trassen. Auf der Skizze geht die geplante Trasse direkt über das Einzugsgebiet des Brunnens. Ist sich TransnetBW bewusst, dass sie mit diesen Plänen möglicherweise eine Existenz ruinieren?

"Tatsächlich derzeit von einer konkreten Betroffenheit zu sprechen, ginge deutlich zu weit", sagt Chris Göpfert, der als Bürgerreferent für die TransnetBW in Bayern für Gespräche mit Betroffenen zuständig ist. Es gehe darum, vor Ort die "verträglichste Lösung für Mensch, Natur und Umwelt" zu finden. Die Skizzen aus dem Planungstool seien laut Göpfert lediglich ein "erster Vorschlag einer möglichen Leitungsführung in einem zehn Kilometer breiten Korridor".

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Hendrik und Charlotte Kiefner stehen in mitten ihrer 70 Pferde auf dem Grieshof im Markt Zeitlofs.

Lieber Freifläche als Wald

Die Trassenplanung ist durchaus pragmatisch: so gerade wie möglich und durch so wenig Wald wie möglich. Denn diesen Wald müssen die Übertragungsnetzbetreiber für viel Geld wieder aufforsten. Da bietet sich eine große Freifläche wie der Grieshof für die Planungen an. Für manche der Pferde dort wäre das das Todesurteil. "Es gibt durchaus Tiere, die einfach zu alt oder zu krank sind, um sie woanders hinzubringen", sagt Charlotte Kiefner. Für die würde das am Ende bedeuten, dass man sie möglicherweise einschläfern muss.

Grundstücksbesitzern steht Entschädigung zu

Sollten die Erdkabel unter dem Grieshof verlegt werden, steht den Kiefners qua Gesetz eine Entschädigung zu. "Die Entschädigung, die macht es vielleicht am Ende irgendwie erträglich", sagt Charlotte Kiefner. "Aber unser Wunsch wäre, den Verlauf so zu beeinflussen, dass der Betrieb weiter existieren kann." Derzeit holt sich TransnetBW Hinweise aus der Bevölkerung ein und verspricht, dass diese dann in der weiteren Planung bestmöglich zu berücksichtigen. Die Entscheidung, wo die Leitung gelegt wird, trifft schlussendlich die Bundesnetzagentur per Planfeststellungsbeschluss.

Bei Klagen kommt es "auf die Betroffenheit" an

Der Rechtsanwalt Anton Hess vertritt Landwirte, die gegen solche Beschlüsse gerichtlich vorgehen. Wie da die Chancen stehen? "Es kommt auf die Betroffenheit an", sagt er. Wer fundiert vorträgt, dass die Verlegung einer Leitung einen massiv betrifft – und konkrete Alternativen aufzeigt – habe "schon die Möglichkeit im Rahmen der Planung positiv einzuwirken", so Hess.

Gesetzlich legitimierte Erpressung?

Der Rechtsexperte hält vor allem die Praxis der Beschleunigungsverfahren für problematisch – Dienstbarkeiten im Grundbuch einzutragen, bevor der Planfeststellungsbeschluss erlassen ist. Denn Übertragungsnetzbetreiber böten Betroffenen schon vor dem Beschluss einen Zuschlag für eine "gütliche Einigung" an, wenn sie innerhalb von acht Wochen die Dienstbarkeit notariell beglaubigen lassen. Wer sich dagegen entscheidet, verliert den Zuschlag, der laut der Einschätzung des Anwalts von "erheblicher Höhe" sei. Wer zustimme, habe seine Rechte jedoch "schon vor dem Planfeststellungsbeschluss hergegeben", so Hess: "Das ist eine Art gesetzlich legitimierte Erpressung."

Fakt ist, die Familie Kiefner sind nur ein Fall von Zehntausenden Flurflächen, die vom Bau der 700 Kilometer langen Trasse betroffen sein könnten. Für TransnetBW und die Bundesnetzagentur sind die neuen Gleichstrom-Verbindungen das Rückgrat der Energiewende. Begeisterung werden die Kabel nirgends auslösen, doch den Strom aus der Steckdose wollen alle.

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