Eine Mutter mit ihrem Kind in einem Flüchtlingslager
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Wie umgehen mit traumatisierten Flüchtlingen?

Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, steht erst einmal die Unterbringung und Prüfung ihres Status im Vordergrund. Doch gerade eine Therapie wäre für die Menschen, die oft schreckliche Dinge erlebt haben, wichtig. Wer ist dafür zuständig?

Ohne Grund flieht sicher keiner. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn Geflüchtete oft ein ganzes Bündel von schlimmen Erfahrungen und Traumata mitbringen, wenn sie nach Deutschland kommen. Zuerst müssen dann aber grundlegende Bedürfnisse geklärt werden, wie Unterkunft, Asylantrag, Schulbildung für die Kinder, ärztliche Versorgung. Die Seele muss erst einmal warten.

Ein Flüchtlingsberater für 250 Geflüchtete

"Unsere Kollegen der Flüchtlings- und Integrationsberatung sind in den Unterkünften vor Ort tätig, Schlüssel bestenfalls eins zu 100 oder eine für 250. Da kann man nicht allen gerecht werden, nicht individuell, nicht engmaschig betreuen und beraten", sagt Sarah Weiss von der Diakonie München und Oberbayern. Treten zusätzlichen Problemen wie Traumata auf, würden dann zusätzliche Fachkräfte benötigt.

Psychologische Betreuung oft erst nach Monaten

Die gibt es seit 2016 bei der Diakonie beispielsweise im Refugee Stairways Center. Oft vergehen aber Wochen und Monate, bis der bedürftige Geflüchtete in psychologische Betreuung kommt. Die Nachfrage ist groß. Die Plätze begrenzt. Kostbare Zeit, weiß Trauma-Expertin Sandra Konrad. Denn für eine erfolgreiche Traumabehandlung sei es wichtig, "dass wir ganz schnell und ganz viel soziale Unterstützung liefern, auch auf emotionaler Ebene. Weil wir wissen heute aus der Traumaforschung, dass die Zeit direkt nach dem Trauma entscheidend ist, wie ein Trauma verarbeitet wird."

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Der Münchner Traumatherapeut Ulrich Floßdorf kennt die Not in den Unterkünften. Ein Hauptamtlicher auf 100, 200 menschliche Schicksale: "Das ist unfassbar, das geht gar nicht, da bekommen Sie nichts gebacken."

Darum hat der Psychologe vor ein paar Jahren die Initiative "Trigg" gegründet mit Unterstützung der Caritas. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen versucht er, in traumatherapeutischen Gruppenangeboten Geflüchtete zu stabilisieren.

Nur wer schlimme Erfahrungen verarbeitet, kann Frieden finden

Unterstützt wird er von Ehrenamtlichen wie Katharina Halser, die eine Frauengruppe leitet. Es sei wichtig, überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen und einen Raum zu geben, um über das Seelenleben zu sprechen, sagt sie. "Die haben ja einen harten Alltag, Kinder, Beruf und da bleibt nicht viel Zeit zu reflektieren, wie geht es mir, was habe ich durchgemacht."

Nur wer Fluchterlebnisse, Kriegserfahrungen, Vergewaltigung und Folter verarbeitet, hat eine Chance, inneren Frieden zu finden. Und das sei wiederum wichtig für den gesellschaftlichen Frieden im Ganzen.

"Je mehr wir uns abgrenzen, umso mehr Probleme haben wir als Gesellschaft"

"Wenn wir gegenseitig aufeinander achten, das kann uns auch als Gesellschaft weiterbringen, da kann viel Gutes entstehen. Weihnachten geht es auch um ein Miteinander und das ist doch wichtig", erzählen einige Studenten, die sich ehrenamtlich bei Trigg engagieren. Für sie ist klar: "Es muss ein Miteinander sein, je mehr wir uns abgrenzen, umso mehr Probleme werden wir als Gesellschaft haben."

Bei Trigg kümmert sich ein geschulter Ehrenamtlicher um drei Geflüchtete. Von so einem ähnlichen Betreuungsschlüssel mit Hauptamtlichen kann Sarah Weiss von der Diakonie nur träumen. Die derzeitige Situation sei sehr unbefriedigend, erzählt sie: "Es ist eine Mangelverwaltung, wenn man es auf den Punkt bringen will. Ich würde mir wünschen, dass die Stellen weiter ausgebaut werden."

Denn um den Menschen gerecht werden zu können, brauche es viel mehr Stellen in der Flüchtlings- und Integrationsberatung. Und wann – wenn nicht an Weihnachten – ist eine Zeit für Wünsche.

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