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Daten-Analyse: Wann ist man in Bayern eigentlich reich?

Daten-Analyse: Wann ist man in Bayern eigentlich reich?

Erben von Immobilien müssen ab 2023 höhere Steuern zahlen. Für viele ein Thema, das hauptsächlich reiche Menschen betrifft. Aber ab wann gilt man in Bayern als reich? Und was hat das mit dem Wohnort und dem Alter zu tun? Eine Daten-Analyse.

Toni ist 24 Jahre alt und lebt im Landkreis Passau allein in einer Mietwohnung, in die sie nach ihrem Informatik-Studium gezogen ist. Monatlich verdient sie 4.100 Euro brutto. Auf ihrem Konto schlummern 15.000 Euro. In der Garage steht ein gebrauchter Kleinwagen. Toni, die hier als fiktives Beispiel für viele Menschen in Bayern steht, kann sich ein gutes Leben leisten, hat Geld fürs Kino und den jährlichen Ski-Urlaub – sich selbst würde sie nie als reich bezeichnen.

Dennoch sprechen statistisch gesehen einige Punkte dafür. "Wenn man die Menschen fragt, wann aus ihrer subjektiven Sicht jemand reich ist, hängt das stark vom eigenen Einkommen ab", erklärt Judith Niehues, Leiterin des Clusters Mikrodaten und Verteilung beim Institut der deutschen Wirtschaft. "Wir sehen, dass sich generell nur sehr wenige Menschen als reich bezeichnen würden."

Zunächst eine kleine Einschränkung: Anders als bei Armut, für die es verbindliche Kennwerte gibt, wird Reichtum nicht einheitlich definiert. Welche Menschen als reich gelten, hängt erstmal davon ab, wen man fragt. Das ist eben eine rein subjektive Beschreibung. Dann muss man unterscheiden zwischen Einkommens- und Vermögensreichtum.

Die "Top zehn Prozent" in Bayern

In amtlichen Statistiken gilt häufig als reich, wer das Doppelte des Medianeinkommens monatlich zur Verfügung hat. Der Median bezeichnet einen Wert, der genau in der Mitte einer Datenreihe liegt. Das Medianeinkommen ist das sogenannte mittlere Einkommen. 50 Prozent der Bevölkerung haben also ein größeres und 50 Prozent ein kleineres Einkommen. Bei Singles in Bayern entsprach diese Reichtumsdefinition – also das doppelte Medianeinkommen – 2019 einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.500 Euro. Das ergeben Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft anhand des Sozio-Ökonomischen Panels.

Zu den reichsten zehn Prozent gehörten 2019 Singles in Bayern schon mit einem Einkommen ab 3.880 Euro netto pro Monat. "Das Charmante an diesem Messwert ist, dass es eine statistische Kennzahl ist. Es entspricht aber nicht dem, was die meisten Menschen vor Augen haben, wenn man von Reichtum spricht." In der Vorstellung seien das eher Menschen mit Villen und Jachten, Menschen, die eigentlich nicht mehr arbeiten müssten, sagt Judith Niehues.

Höchste mittlere Gehälter in Erlangen

Das Einkommen setzt sich wiederum aus verschiedenen Einkünften zusammen. Dazu zählen beispielsweise Mieteinnahmen, Kapitalerträge oder das monatliche Entgelt. Ein Blick auf die Bruttogehälter: Im Bundesländervergleich lagen Personen, die in Bayern arbeiten, 2021 mit einem mittleren Bruttoentgelt von 3.663 Euro monatlich auf Platz fünf. Das höchste mittlere Bruttoentgelt von Vollzeitarbeitskräften gab es in Hamburg mit 3.962 Euro, das niedrigste – 2.785 Euro – in Mecklenburg-Vorpommern. Toni hat neben ihrem Gehalt keine weiteren Einkünfte. Mit ihrem monatlichen Bruttogehalt von 4.100 Euro zählt sie in Bayern zwar nicht zu den "Top-Zehn-Prozent", dennoch verdient sie in ihrem Job mehr als 50 Prozent der Menschen, die in Bayern arbeiten. Im Landkreis Passau, in dem sie wohnt, sieht es sogar noch besser aus.

Bereits im Bundesländervergleich wird deutlich: Gehalt ist nicht gleich Gehalt. Sogar innerhalb von Bayern gibt es große Unterschiede. Das höchste mittlere Gehalt bekommen Menschen, die in Erlangen arbeiten, gefolgt von Ingolstadt und München. Das niedrigste mittlere Gehalt wird im Landkreis Coburg verdient. "Wichtig ist aber, dass nur erwerbstätige Personen in die Entgeltstatistik fallen – also zumeist bereits Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen und keine Menschen im Ruhestand oder Menschen, die nicht erwerbstätig sind", sagt Niehues.

Karte: Mittlere monatliche Bruttoarbeitsentgelte je Landkreis in Bayern

In dieser interaktiven Grafik können Sie sich das mittlere Bruttoentgelt für Ihren Landkreis oder Ihre kreisfreie Stadt ansehen.

Der Anteil an Personen, die mehr als 5.000 Euro brutto verdienen, ist in Erlangen am höchsten – mehr als 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigten fallen in diese Kategorie. Im Landkreis Coburg sind es nur 8,5 Prozent. Das bedeutet: Im Landkreis Coburg zählt man mit einem Gehalt von monatlich 5.000 Euro brutto zu den Topverdienern. In Erlangen liegt man damit im unteren Mittelfeld. Im Landkreis Passau verdient Toni immerhin mehr als 80 Prozent der vollzeitarbeitenden Einwohnerinnen und Einwohner. "Es macht schon einen Unterschied, ob man in der Stadt oder im ländlichen Raum lebt, wo natürlich die Lebenshaltungskosten geringer sind", erklärt Judith Niehues.

Tabelle: Anteil an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten je mittlerem Bruttoarbeitsentgelt je Landkreis

Suchen Sie in der folgenden Tabelle nach Ihrem Landkreis oder Ihrer kreisfreien Stadt und schauen Sie, In welchem Prozentbereich Sie landen:

Die größten Ausgaben sind die Mietkosten oder die Finanzierung von Wohneigentum. Man könnte also denken: Wo Miete und Kaufpreise am höchsten sind, sind automatisch auch die Gehälter am höchsten. Doch das Verhältnis zwischen den mittleren Miet- und Kaufpreisen und dem mittleren Entgelt an einem Ort ist keinesfalls überall gleich.

Verhältnis zwischen Mieten und Gehältern nicht überall ausgeglichen

Zwar sind die mittleren Angebotsmieten im Landkreis Coburg unter den zehn niedrigsten in Bayern – jedoch mit knapp sieben Euro pro Quadratmeter eben nicht die niedrigsten. Ebenso verhält es sich im oberen Bereich. Obwohl das mittlere Gehaltsniveau in der Stadt München hinter dem von Erlangen und Ingolstadt liegt, sind dort die mittleren Mieten mit 19 Euro pro Quadratmeter mit Abstand die höchsten. Auch die Kaufpreise pro Quadratmeter sind in der bayerischen Landeshauptstadt bayernweit am höchsten. Toni hat sich mit dem Landkreis Passau einen Wohnort ausgesucht, an dem Mieten und Einkommen in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinanderstehen.

Grafik: Mittleres Bruttoentgelt und mittlere Angebots-Mietpreise oder Angebots-Kaufpreise pro Quadratmeter je Landkreis oder Stadt

In dieser interaktiven Grafik können Sie sich das Verhältnis zwischen mittleren Miet- und Kaufpreisen und dem mittleren Bruttoentgelt je Landkreis und kreisfreie Stadt ansehen. Je näher die Punkte an der Trendlinie liegen, desto ausgeglichener ist das Verhältnis zwischen Mieten/Kaufpreisen und den Gehältern.

Neben dem Wohnort spielt auch das Alter eine Rolle. Mit ihren 24 Jahren liegt Toni bayernweit mit ihrem Gehalt deutlich über dem mittleren Wert. Personen, die unter 25 sind und ein Bruttogehalt von mehr als 4.000 Euro bekommen, gehören in Bayern zu den Spitzenverdienerinnen und -verdienern. In der Altersgruppe 55 Jahre und älter sieht es anders aus: Rund 46 Prozent dieser Gruppe verdienen über 4.000 Euro brutto monatlich. Das mittlere Gehalt liegt bei 3.834 Euro.

Grafik: Anteil je Bruttoentgelt-Gruppe und Alter

Wie viele Menschen denkt auch Toni, dass Personen erst dann reich sind, wenn sie eine Million Euro verdient haben. 2017 gab es in Bayern insgesamt 5.702 Einkommensmillionärinnen und -millionäre – die meisten davon in der Stadt München. Etwas anders sieht es aus, wenn man die Anzahl je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner betrachtet. Die meisten Millionäre je 10.000 Einwohner gibt es im Landkreis Starnberg.

Karte: Einkommensmillionärinnen und -millionäre in Bayern

Finden Sie in dieser interaktiven Karte heraus, wie viele Einkommensmillionärinnen und -millionäre es in Ihrem Landkreis oder Ihrer kreisfreien Stadt gibt.

Auch Vermögen ist Gradmesser für Reichtum

Je höher das Einkommen, desto mehr kann auch gespart werden. Neben Wertsteigerungen, Erbschaften und Schenkungen zählt das Sparen nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu den wichtigsten Quellen für den Vermögensaufbau. Reichtum kann neben dem Einkommen auch am Vermögen gemessen werden, also an materiellen und immateriellen Gütern, die eine Person besitzt wie Immobilien, Wertsachen oder Fahrzeuge.

  • Zum Artikel: Streit um Steuer: "Gutes Leben" nur mit Erbschaften möglich?

Gerade Immobilienbesitzerinnen und -besitzer erzielten in den letzten Jahren deutliche Wertsteigerungen. Teilt man Personen in Deutschland anhand Ihres Nettovermögens in zehn gleich große Teile (Dezile) wird deutlich, dass bei den 50 Prozent der vermögendsten Menschen in Deutschland Immobilienbesitz eine zunehmende Rolle spielt. Je mehr Vermögen Personen besitzen, desto größer ist auch der Anteil anderer Komponenten wie Betriebs- und Geldvermögen wie beispielsweise Aktien. Mit ihrem Ersparten, einem Geldvermögen von 15.000 Euro, und einem gebrauchten Kleinwagen verfügt Toni über mehr Vermögen als 50 Prozent der Deutschen. "Es ist schon so, dass die Vermögen in Bayern ein ganzes Stück höher sind als im gesamtdeutschen Vergleich", erklärt Judith Niehues vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Grafik: Vermögensverteilung in der deutschen Bevölkerung nach Zehnteln

In Bayern liegt Toni daher etwas unter dem Durchschnitt in ihrer Altersgruppe. Denn auch beim Vermögen gibt es Unterschiede, selbst innerhalb eines Bundeslandes. Das größte durchschnittliche Pro-Kopf-Nettovermögen besitzen in Bayern alleinlebende Personen, die 65 Jahre oder älter sind. Pro Haushalt betrug das durchschnittliche Nettovermögen 2018 in Bayern 256.756 Euro. Damit liegt Bayern auf Platz eins im deutschlandweiten Vergleich. Das durchschnittliche Haushalts-Vermögen ist damit mehr als dreimal so groß wie beim Schlusslicht Sachsen-Anhalt.

Grafik: Durchschnittliches Pro-Kopf-Nettovermögen nach Haushaltstyp und Alter in Bayern

Ein Grund dafür ist der Immobilienbesitz. Dieser spielt in Bayern eine große Rolle. "Was man ganz eindeutig sieht, ist, dass die Eigentumsquote im ländlichen Raum viel höher ist als in den Städten", sagt Niehues. Mit einem durchschnittlichen Nettoimmobilienvermögen von 182.040 Euro nahmen bayerische Haushalte 2018 die Spitzenposition im Ländervergleich ein. Der Durchschnittsbetrag in Bayern war mehr als vier Mal so hoch wie bei Haushalten in Sachsen-Anhalt. In der Altersgruppe ab 35 Jahren verfügten 2018 bereits mehr als die Hälfte der Haushalte in Bayern über Wohneigentum. Bei den Haushalten mit Haupteinkommenspersonen bis 25 Jahre waren es bereits knapp neun Prozent.

Grafik: Anteil an Personen mit Wohneigentum nach Alter

"Das Vermögen ist sehr ungleich verteilt. Die wesentlichen Vermögensunterschiede sind zwischen Haushalten, die Eigentum besitzen und Haushalten, die kein Eigentum besitzen", sagt Niehues. Personen, die Wohneigentum besitzen, hätten auch ein höheres Nettovermögen. "Wenn man Eigenkapital durch Erbschaften bekommt, ist es auch einfacher, das Vermögen aufzubauen."

Wie beim Einkommen sind die Grenzen auch beim Vermögen subjektiv. Es hänge stark von den eigenen Lebensumständen ab, wo man wohnt, in welchem Alter man gerade ist und wie liquide die Vermögen sind, bestätigt Niehues. Ob Toni nun reich ist, liegt also an der Sichtweise. "Wenn man Menschen fragt, was sie glauben, wie viele Menschen reich sind in Deutschland, dann ist die durchschnittliche Antwort 25 Prozent. Die meisten halten sich nicht selbst für reich, gehen aber davon aus, dass es doch eine ganze Menge reicher Menschen in Deutschland gibt."

Über die Daten:

Die Daten zum Gehalt stammen aus einer jährlichen Statistik zu den sozialversicherungspflichtigen Monatsentgelten der Bundesagentur für Arbeit. Sie enthält alle sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte. Nicht enthalten sind Beschäftigte, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen oder für die eine besondere gesetzliche Vergütungsregelung besteht, zum Beispiel Personen im Bundesfreiwilligendienst. Die Daten beziehen sich auf den Arbeitsplatz, nicht auf den Wohnort. In den Daten sind auch Sonderzahlungen wie Boni enthalten.

Die Daten zu den aktuellen Miet- und Kaufpreisen wurden von value Marktdaten zur Verfügung gestellt. Im Text werden das Entgelt am Arbeitsort und Mieten-/Kaufpreise an eben diesem Ort gegenübergestellt. Weicht der Wohnort vom Arbeitsort ab, kann hier ein leicht anderes Verhältnis entstehen. Dennoch veranschaulichen die Daten die Entkopplung der Mieten und Gehälter.

Die Daten zum Vermögen entstammen zum einen aus dem fünften Bericht der Bayerischen Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern basierend auf Ergebnissen der bundesweit erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Zum anderen stammen sie aus Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW), die auf Ergebnissen der Befragung des Sozio-ökonomische-Panels beruhen (SOEP). Eine neue Studie geht davon aus, dass durch eine Neubewertung des Vermögens in Deutschland das Vermögen über den Werten des EVS und SOEP liegt. Auch Judith Niehues bestätigt, dass das Vermögen in Deutschland deutlich untererfasst ist, da es sich um Umfragedaten handelt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.