Bagger gräbt Tümpel.
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Tümpel speichern Wasser und geben es langsam an den Boden ab.

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Wenn das Wasser fehlt: Mangelnder Wasserrückhalt im Wald

Der Wald ist ein Wasserspeicher. Aber die Dürrezeiten werden länger, im Steigerwald sterben bereits Buchen. Bei Starkregen dagegen rinnt das Wasser aus dem Wald. Försterin Ellen Koller tut alles, um das Wasser im Wald zu halten - etwa Tümpel graben.

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Auf den ersten Blick sieht es brutal aus, wie sich die Baggerschaufel tief in den Waldboden gräbt. Auf den zweiten Blick sieht man, mit welcher Präzision der Fahrer eine Mulde am Fuße eines Hanges gräbt. Försterin Ellen Koller steht daneben: 40 Tümpel hat die Revierleiterin im Staatsforstbetrieb Ebrach allein in den letzten zwei Jahren baggern lassen. Sie sollen überschüssiges Wasser bei Starkregen auffangen, sammeln und langsam an den Boden abgeben. "So habe ich Sickerwasser für den Boden und durch die Verdunstung ist es auch feuchter im Wald", sagt Ellen Koller.

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Wasservorrat noch für zwei Wochen

Die Försterin tut alles, um das Wasser im Wald zu halten. In den letzten Trockenjahren sind im Steigerwald hunderte Buchen abgestorben, sie sind buchstäblich verdurstet. Das könnte sich wiederholen, in den letzten Wochen hat es kaum geregnet. Die Wasserreserve im Boden ist bereits im kritischen Bereich, weitere zwei Wochen ohne Regen und die Bäume geraten in extremen Trockenstress. Übers Jahr gerechnet sind die Niederschläge im Steigerwald zwar gar nicht signifikant gesunken, aber der Regen kommt immer öfter geballt, als Starkregen. Im Februar 2022 fielen in einer Stunde 40 Liter pro Quadratmeter Regen, das Wasser floss aus dem Wald und überflutete die umliegenden Dörfer.

Forststraßen entwässern den Hang

Ein Problem sind die Forststraßen mit ihren Gräben. Forststraßen sind wichtig für Holztransport, Brandschutz und Unfallhilfe, aber negativ für den Wasserrückhalt – besonders in hängigen Regionen wie dem Steigerwald. Normalerweise würde das bodennahe Wasser an einem Hang langsam durch den Wurzelraum der Bäume ins Tal diffundieren. "Eine in den Hang gebaute Forststraße durchbricht diesen Wasserfluss und entwässert so den Hang", kritisiert Prof. Karl Auerswald von der TU München. Daran könnten auch Durchlassrohre nichts ändern, die alle 100 bis 300 Meter das Wasser aus dem Straßengraben ableiten.

Auch Ulrich Mergner, langjähriger Leiter des staatlichen Forstbetriebs Ebrach, fordert ein Umdenken bei der Bewirtschaftung: "Schräge Hangrückewege, Gräben an Forststraßen und Rückegassenabstände unter 40 Meter – die Trockenschäden in den Wäldern sind auch hausgemacht."

Behörden ohne Strategie

Bei den zuständigen Behörden ist die Dringlichkeit der Lage anscheinend noch nicht angekommen: Auf Anfrage des BR räumen die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), das Bayerische Forstministerium und die Bayerischen Staatsforsten ein, dass es bisher weder Forschungsprojekte zum Wasserrückhalt im Wald noch strategische Planungen, spezielle Förderprogramme oder Handreichungen für die systematische Speicherung von Wasser im Wald gäbe. Der Fokus der Bayerischen Forstverwaltung liegt bisher vor allem auf dem Waldumbau: Ein gemischter Wald mit unterschiedlich tief wurzelnden Baumarten kann mehr Wasser speichern und nutzen als Bestände mit nur einer Baumart.

Kleine Maßnahmen zum Wasserrückhalt

Ellen Koller schafft indes Fakten in ihrem Revier Oberschwappach, mit vielen kleinen Maßnahmen. Beispiel Rückegassen: Sie ziehen sich netzartig im Abstand von 30 bis 60 Metern durch die Wirtschaftswälder, um das Holz abzutransportieren. Ellen Koller lässt nach der Holzernte Querrinnen in die Rückegassen baggern, sie verlaufen in spitzem Winkel von der Gasse weg und leiten das Wasser bei Starkregen in den Bestand. "Dafür muss man auch mal Geld in die Hand nehmen", sagt die Försterin. Sie zwackt das Geld von ihrem Wegebau-Budget ab, aber wünschenswert wäre eine zielgerichtete Förderung, so Koller.

Totholz als Wasserspeicher

Ein kostenloser Wasserspeicher ist Totholz: Der Forstbetrieb Ebrach hat einen Totholzvorrat von 36 Festmeter pro Hektar, das sind 50 Prozent mehr als der Durchschnitt der bayerischen Staatsforstbetriebe. Nach der Holzernte verbleibt ein Drittel eines Baumes im Wald, also Äste, Wurzelteller, Kronenmaterial. Das ist gut für die Artenvielfalt, aber auch für den Bodenhaushalt: "Totholz wirkt wie ein Schwamm", sagt Ellen Koller. "Wenn das Holz langsam vermodert, wird auch der Boden humoser und kann mehr Wasser speichern." Laut aktuellen Studien der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) werden 18 Prozent des Jahresniederschlags im Wald in Totholz und der Streu am Boden gespeichert.

Tümpel als Biotope

Der neu gebaggerte Tümpel im Steigerwald wird in wenigen Jahren dicht bewachsen und von Libellen, Fröschen und Lurchen bewohnt sein. Das zeigen die Erfahrungen aus dem Forstbetrieb Ebrach, wo es bereits hunderte kleiner und großer Tümpel gibt. Sie sind wertvolle Biotope und Lebensräume für Amphibien im Wald. Die Anlage solcher Tümpel ist auch deshalb möglich und für Försterin Ellen Koller bezahlbar, weil sie zu 90 Prozent vom Freistaat gefördert werden. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Das Geld gibt's für den Arten- und Naturschutz im Wald - der Wasserrückhalt ist nur ein willkommener Nebeneffekt.

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