Archivbild: Alexandra Föderl-Schmid
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Vorwurf der Hetzkampagne: Der Fall Föderl-Schmid

Die kurzzeitig vermisste Journalistin Alexandra Föderl-Schmid ist lebend gefunden worden. Seit Dezember sieht sich die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung öffentlichen Vorwürfen ausgesetzt. Manche sprechen von einer "Treibjagd".

Nach gut 24 Stunden endete die Suche nach der 53-jährigen Alexandra Föderl-Schmid am Freitag erfolgreich. Sie wurde im Inntal gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Ihr Verschwinden hatte Befürchtungen über einen Suizidversuch ausgelöst. Seit Wochen sieht sich die renommierte Journalistin öffentlich massiven Vorwürfen ausgesetzt. Was dahintersteckt.

"Plagiate" in journalistischen Artikeln

Im Dezember bereits berichtete der Branchendienst "Medieninsider" darüber, dass Föderl-Schmid in ihren Artikeln immer wieder Bausteine aus anderen Publikationen verwendet haben soll. Föderl-Schmid hatte dies in mehreren Fällen eingeräumt und davon gesprochen, dass sie möglicherweise "zu viel wörtlich" übernommen habe.

Plagiat im Journalismus?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was überhaupt als Plagiat im Journalismus gelten kann? Auf der einen Seite gibt es klare Regeln. So müssen übernommene Passagen auf jeden Fall kenntlich gemacht werden. Außerdem, so Dennis Amour, Geschäftsführer des Bayerischen Journalistenverbands, müssten die übernommenen Inhalte in einem Bezug zum neuen Text stehen und die Quelle müsse benannt werden.

Andererseits sollte man auch transparent machen, dass journalistische Beiträge zu gleichen Themen nicht permanent neu geschrieben würden, sagt Barbara Tóth. Sie ist Journalistin bei der österreichischen Zeitung "Falter".

Zweifelhafte Doktorarbeit

Tóth hat sich auch die Dissertation von Föderl-Schmid angesehen (externer Link). Deren Korrektheit wurde Anfang Februar durch eine Veröffentlichung des Online-Portals "Nius" in Zweifel gezogen.

Der Kommunikationswissenschaftler und selbsternannte österreichische "Plagiatsjäger" Stefan Weber hatte dort nach eigenen Worten zahlreiche "bedeutende" Plagiatsfunde ausfindig gemacht. Genauer gesagt handelt es sich um elf Stellen in der knapp 300 Seiten langen Arbeit von 1996.

Tóth hat diese überprüft und kommt im Gegensatz zu Weber zum Ergebnis, dass es nur an zwei Stellen ein wissenschaftliches Fehlverhalten gegeben habe: Einmal, so Tóth, habe Föderl-Schmid ein falsches Datum bei einer Quellenangabe gehabt. An anderer Stelle habe sie vergessen, eine Quelle zu zitieren.

Vorwurf der Hetzkampagne

Für Tóth stehen diese wissenschaftlichen Fehler in keinem Verhältnis zu dem, was "Nius" daraus gemacht hat. Sie spricht von einer "Treibjagd oder Hetzkampagne", die erst durch die Veröffentlichung von "Nius" begonnen habe. Das Portal um den ehemaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt wird von vielen als rechtspopulistisch eingeordnet. "Nius" bezahlte den "Plagiatsjäger" Stefan Weber für seine Nachforschungen zu Föderl-Schmid.

Nach den "Nius"-Publikationen sah sich Föderl-Schmid auf sozialen Netzwerken heftigen persönlichen Beleidigungen ausgesetzt. Weber betonte gegenüber dem "Münchner Merkur", dass er an Plagiaten ein rein wissenschaftliches Interesse habe. Zum Zeitpunkt, als Föderl-Schmid noch vermisst wurde, zeigte er sich laut Merkur bestürzt über die Wendung in diesem Fall.

Vorgehen der "Süddeutschen Zeitung"

In die Kritik geraten ist im Fall Föderl-Schmid auch die "Süddeutsche Zeitung". Nachdem im Dezember Inhalte einer Redaktionskonferenz zu Föderl-Schmid mit wörtlichen Zitaten vom Branchendienst "Medieninsider" wiedergegeben wurden, ließ die Chefredaktion den Datenverkehr zwischen der Redaktion und dem Branchendienst überprüfen. Der Aufschrei darüber war groß. Chefredaktion, Redaktionsausschuss und Betriebsrat gaben eine Stellungnahme ab, in der sie das Vorgehen rechtfertigten:

Die Detailgenauigkeit und Fülle von Zitaten begründeten den Verdacht, dass offenbar die gesamte Konferenz abgehört bzw. womöglich gar aufgenommen und im Wortlaut an Dritte weitergegeben worden war. Wäre das so passiert, so handelte es sich nicht nur um einen Vertrauensbruch gegenüber den eigenen Kolleginnen und Kollegen, sondern möglicherweise sogar um eine Straftat.

Nicht nur die Organisation "Reporter ohne Grenzen" fand das kritikwürdig, auch ein Mitglied des Betriebsrats hat inzwischen gegenüber der Zeitung "Welt" erklärt, rückblickend würde man von einer Überprüfung der internen Kommunikation abraten. Die Zeitung selbst hat sich seit Dienstag auf Anfragen des BR nicht dazu geäußert.

Die Häme in Netz ist groß, denn die "SZ" hat immer wieder mit großen Investigativ-Recherchen von sich reden gemacht, weil Whistleblower ihr Informationen zuspielten.

Chan-jo Jun ist Rechtsanwalt und dafür bekannt, dass er wegen Hate Speech mehrfach gegen Social-Media-Plattformen geklagt hat, etwa gegen "X", vormals Twitter. Er meint, dass der Maulwurf bei der "Süddeutschen Zeitung" sich wohl nicht auf den Whistleblower-Schutz berufen könne. Denn das würde voraussetzen, dass in der Redaktionssitzung über straf- oder bußgeldbewehrte Missstände aufgeklärt worden ist. Da das unwahrscheinlich sei, habe die Chefredaktion zumindest juristisch korrekt gehandelt.

Externe Untersuchung

Alexandra Föderl-Schmid hatte die Universität Salzburg gebeten, ihre Dissertation zu prüfen. Und die "Süddeutsche Zeitung" gab bekannt, dass ein unabhängiges Untersuchungsteam die Vorwürfe bezüglich der journalistischen Artikel prüfen soll.

Zurück bleiben beim Fall Föderl-Schmid diverse Fragen. Zentral dabei ist zum einen die, was Plagiat im Journalismus eigentlich bedeutet. Zum anderen die nach dem ethischen Verhalten von vermeintlichen Aufklärungsportalen wie Nius.

Haben Sie Suizidgedanken oder haben Sie diese bei einem Bekannten festgestellt?

Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhalten Sie rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter telefonseelsorge.de.

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