Ein Kuvert bedruckt mit "Vorsicht Trickbetrug" und der Frage nach seltsamen Anrufen. Man soll niemals Bargeld und Wertsachen an Unbekannte übergeben.
Bildrechte: BR/Christine Haberlander

Eine Vorsichtsmaßnahme: das Kuvert, das Bank- und Sparkassenmitarbeiter künftig Kunden im Süden von Oberbayern übergeben.

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Vorsicht Schockanruf: Wie Banken und Bäckereien Kunden warnen

Telefonanrufe von betrügerischen Callcentern und Schockanrufe sind nach wie vor erfolgreich. Die Polizei will helfen, Menschen vor dem Verlust ihrer Ersparnisse zu bewahren: mit Hilfe der Banken - und der Bäcker. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Martina Ilsanker ist seit 30 Jahren Bankangestellte: Sie kennt ihre Kundschaft. Als im vergangenen August eine Kundin am Kassenschalter in Berchtesgaden 25.000 Euro Erspartes abheben will, kommt ihr das emotional aufgewühlte Verhalten merkwürdig vor. Ihr Bauchgefühl sagt: "Da stimmt doch was nicht." Die Angestellte verständigt einen Kollegen und bittet ihn, die Frau in sein Büro zu holen. Im Gespräch stellt sich dann heraus: Die Kundin ist Opfer von Enkeltrick-Betrügern geworden. Die Anrufer hören sogar per Handy mit und legen schnell auf, als ihr Betrug auffliegt.

Vorbildliches Verhalten ausgezeichnet

Beide Angestellte wurden für ihr vorbildliches Verhalten von der Polizei Berchtesgaden geehrt. Martina Ilsanker freut sich, dass sie einer Kundin gerade noch rechtzeitig ihre Ersparnisse retten konnte. Die Bankangestellte war vorgewarnt. Auch ihre eigene Mutter hatte einige Zeit zuvor einen Schockanruf erhalten, bei dem man der Seniorin wegen der Enkeltochter, die angeblich einen Unfall verursacht habe, Geld abknöpfen wollte.

Betrüger holen mit Schockanrufen viel Geld

Trotz der intensiven Aufklärungsarbeit der Polizei fallen manche Menschen noch immer auf die perfide Enkeltrickmasche herein. Die Zahl der Schockanrufe steigt seit einigen Jahren alarmierend an: Nach Angaben des bayerischen Landeskriminalamts gab es im Freistaat im Jahr 2018 mehr als 50 Fälle mit einer Beute von insgesamt mehr als 10.000 Euro. Im Jahr 2022 waren es bereits mehr als 11.500 Fälle mit einer Beute von 14 Millionen Euro.

Falsche Polizisten sind ein großes Problem

Im südlichen Oberbayern wurden allein in diesem Jahr bis Anfang Oktober 850.000 Euro an Bandenmitglieder übergeben. Die Dunkelziffer an nicht gemeldeten Betrugsfällen ist hoch. Auch der Trick mit den "falschen Polizisten" zieht noch immer. Der Anrufer gibt vor, Polizist zu sein. Er habe eine Liste von einer Einbrecherbande, auf der die Adresse des Angerufenen stehen würde. Deshalb sei es am besten, Geld, Gold oder Wertgegenstände an angebliche Beamte zu übergeben. Mit diesen Trickanrufen konnten heuer im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd bereits 150.000 Euro von verunsicherten Menschen erbeutet werden.

Prävention soll helfen

Die Polizei befasst sich vor allem mit vielen Schockanrufen und mit "falschen Polizisten", die immer wieder konzentriert in verschiedenen bayerischen Regionen auftauchen. Die Beamten wollen es den Banden schwerer machen, an das Hab und Gut vorwiegend älterer Menschen zu kommen. Präventionsbeamte halten Vorträge, etwa bei Vereinen oder auch vor Mitarbeitern in Banken und Sparkassen.

Banken klären mit Flyern auf

Gerade mit Kreditinstituten soll die Zusammenarbeit enger werden. Wer eine größere Summe Bargeld bestellt, erhält künftig in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land einen Flyer. Darauf werden dem Kunden sieben Fragen gestellt. Eine lautet: "Sie wurden angerufen und sollen einen hohen Geldbetrag bei ihrer Bank oder aus dem Schließfach abholen, weil Sie ein Richter oder Staatsanwalt dazu aufgefordert hat?" Wenn nur eine Frage mit Ja beantwortet wird, könnte es ein Trickbetrug sein. Der Bankkunde ist gewarnt. Genauso mit bedruckten Kuverts, die der Bankmitarbeiter Kunden für die Geldabholung mitgibt bzw. beim Abholen aushändigt.

Bäckereien verteilen Brottüten mit Warnungen

Auch das Bäckerhandwerk macht mit. Im Berchtesgadener Land wird es demnächst Bäckertüten mit einer aufgedruckten Warnung vor Trickbetrug geben. Damit will man erreichen, dass die Methoden der Betrüger zum "Tischgespräch" unter den Familien werden. Flyer und Kuverts machen deutlich, dass die Polizei niemals unter der Telefonnummer 110 anruft, um Bargeld oder Wertsachen zu fordern. Auch die Forderung einer Kaution gibt es in Deutschland nicht. Diese Forderungen sollten hellhörig machen.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund eines Kommentars der Nutzer "ichbinsofrei" und "Cosi" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt um Informationen zur Verbreitung der Aktion und zur Rolle der Verbraucherschützer.

Diese Aktion soll weiter ausgeweitet werden, heißt es vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Derzeit versuche man, noch weitere Bäcker davon zu überzeugen, die mit Warnungen bedruckten Tüten auszugeben. Und auch über Südbayern hinaus könnte die Idee mit den bedruckten Tüten und Umschlägen Schule machen – man tausche sich auf jeden Fall darüber mit den Kolleginnen und Kollegen der Präventionsabteilungen anderer bayerischer Polizeipräsidien aus. Denn auch dort entstehen immer wieder Ideen zu Aktionen, um Menschen vor Telefonbetrug zu schützen, zum Beispiel die Social-Media-Kampagne „#NichtMitMeinerOma“ des Polizeipräsidiums Schwaben Nord.

Die Polizei ist dabei nicht die einzige Stelle, die vor Schockanrufen warnt. Die Verbraucherzentrale Bayern etwa betreibt auf ihrer Internetseite den "Warnungs-Ticker" und veröffentlicht dort Warnungen nicht nur vor Betrugsmaschen nicht nur am Telefon, sondern auch über E-Mails. 💬

Harte Urteile für Bandenmitglieder

Die Polizei vermutet, dass sich unter den Callcenter-Banden herumgesprochen hat, dass es im Süden von Bayern lukrativer ist als anderswo. Wer jedoch erwischt wird, muss mit einer harten Strafe rechnen, bestätigt Martin Irrgang von der Kripo beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Die Richter am Landgericht Traunstein kennen kein Pardon, das zeigen aktuelle Urteile. Abholer von Geld bzw. Wertgegenständen oder Fahrer werden mit hohen Haftstrafen, teilweise über zehn Jahren, bestraft.

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