Ein Wolf schaut hinter einem Baum im Wildpark Poing hervor.
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Ein Wolf schaut hinter einem Baum im Wildpark Poing hervor.

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Vor Almsommer: Bund Naturschutz öffnet sich für Wolfsabschuss

Wann darf ein Wolf - ein in der EU streng geschütztes Tier - abgeschossen werden? Diese Frage spaltet seit Jahren Landwirte, Politik und Tierschützer. Der Bund Naturschutz verschiebt nun seine Schmerzgrenze – mit Bedingungen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Die Debatte um den Umgang mit Wölfen ist emotional stark aufgeladen. Naturschützer, als Verfechter der Wiederansiedlung des Wolfes, standen dem Abschuss der geschützten Tiere, um Weidetiere vor Rissen zu bewahren, sehr kritisch gegenüber. Nun öffnet sich der Bund Naturschutz (BN) für Wolfsabschüsse – aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Positionspapier: BN will auf Weidehalter zugehen

In einem neuen Positionspapier, welches der Umweltschutzverband in München vorgestellt hat, stimmt er unter bestimmten Voraussetzungen einem leichteren Abschuss im Bereich der Almen und Alpen zu. Der BN will damit einen Schritt auf die Alm- und Alpbauern zugehen und die Diskussion versachlichen. "Dies bedeutet, dass wir unsere bisherige Position ein Stück weit öffnen. Klar ist aber auch: Am generellen Schutzstatus des Wolfes wird dabei nicht gerüttelt", sagte der Vorsitzende des Verbandes, Richard Mergner.

Auch die Klage des BN gegen die Wolfsverordnung der Staatsregierung bleibe davon unberührt. Aus Sicht des BN verstößt die Verordnung gegen Naturschutzrecht. Das Positionspapier des BN kann auch als entsprechender Gegenvorschlag betrachtet werden.

Junge Rinder, Schafe und Ziegen am stärksten gefährdet

Im Kern plädiert der BN dafür, genau anzuschauen, um welche Weidetiere es konkret geht: Jüngere Rinder, Schafe und Ziegen sind laut BN am stärksten gefährdet. Deswegen sei hier Herdenschutz, wie etwa ein mobiler Schutzzaun oder ein Herdenschutzhund, unabdingbar. Doch überwindet ein Wolf eine Herdenschutzmaßnahme und reißt ein Weidetier, ist es aus Sicht des BN vertretbar, dieses Tier zu entnehmen, also zu schießen.

Wolfs-Entnahme bei älteren Rindern auch ohne Herdenschutz

Rinder, die über ein Jahr alt sind, könnten sich besser wehren. Erfahrungen aus anderen Ländern legten nahe, dass es auch ohne Herdenschutzmaßnahmen aufgrund der Wehrhaftigkeit der Tiere wenig Risse an über einjährigen Rindern geben wird. Deswegen bräuchte es für diese Tiere laut BN nicht unbedingt einen Herdenschutz. Kommt es trotzdem zu einem Riss, hält der BN auch hier eine Entnahme für denkbar – sofern ein Hirte auf der betroffenen Alm wohnt.

BN: "Wolf gehört zum Alpenraum"

Auch bei den Ausgleichszahlungen für gerissene Tiere hat der BN in seinem Papier Anpassungen vorgeschlagen. Diese sollten bei Rissen von Rindern gezahlt werden, unabhängig davon, ob es einen Herdenschutz gab oder nicht. Beate Rutkowski, stellvertretende Vorsitzende des Bund Naturschutz, stellt jedoch auch klar: "Der Wolf gehört zum Alpenraum und wir werden auch immer Wölfe im Alpenraum haben. Wir können die Alpen nicht wolf-frei schießen." Das Angebot sei deshalb gemeinsam mit den Weidehaltern nach Lösungen zu suchen. Vor allem bei Schafalmen werde es Jahre dauern, eine Umstrukturierung einer anderen Herdenführung als bisher zu gestalten.

Schafhalterverband: In der Praxis nicht umsetzbar

Joseph Grasegger, der Vorsitzende des Landesverbandes Bayerischer Schafhalter, begrüßt die Initiative des Bund Naturschutz: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das, was wir wollen, davon sind wir noch Meilenweit entfernt." Das Papier lese sich gut. In der Praxis sei es aber nicht umsetzbar. Oder es sei so teuer, dass Weidehalter ihre Tiere weggeben müssten. Auch dessen ist sich der BN bewusst und fordert, Weidetierhalter sollten überall in Bayern eine Förderung für Herdenschutzmaßnahmen bekommen, die die tatsächlichen Kosten ausgleiche.

Zum Herdenschutzzaun sagt Grasegger: "Der Bund Naturschutz soll sich so einen Zaun mal kaufen, aufstellen und mal schauen, was da drin alles verendet: Ich hatte da schon alles drin, vom Reh bis zum Frosch, bis hin zum Igel – das sind Todesfallen für andere Tierarten."

Landwirtschaftsministerin Kaniber will Schutzstatus senken

Bayerns Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte bereits vor der Vorstellung das BN-Papier und die Öffnung des Verbandes für eine Wolfsentnahme begrüßt. Aiwanger forderte "pragmatische Lösungen statt Dauerstreit auf dem Rücken der Landwirte."

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) reagierte kritisch auf die Vorschläge des BN. Es sei zwar ein Fortschritt, wenn sich der Bund Naturschutz den Herausforderungen für die Weidetierhalter stellen wolle, die Anforderungen an den Herdenschutz als auch die Entnahme von Wölfen müssten aber realistisch, praktikabel umsetzbar und nachvollziehbar sein, heißt es in einer Mitteilung ihres Ministeriums. "Die heute vom Bund Naturschutz präsentierten Ansätze sind das nicht", so Kaniber. Es sei dagegen überfällig, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken.

Im Video: Bund Naturschutz öffnet sich für Wolfsabschüsse

Schafe hinter einem Zaun auf der Weide
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Schafe hinter einem Zaun auf der Weide

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