Eine Pflegekraft kümmert sich im Krankenhaus um eine bettlägerige Patientin
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Eine Pflegekraft kümmert sich im Krankenhaus um eine bettlägerige Patientin (Symbolbild)

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Ungeimpft als Pflegekraft: Impfpflicht wird kaum kontrolliert

Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht war umstritten und läuft bald aus. In Bayern wurde sie kaum kontrolliert: Ungeimpfte Pflegekräfte arbeiteten weiter. Neues Personal aber muss bisher geimpft sein, was zu Engpässen und leeren Betten führt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

"Ich bin ungeimpft und werde es auch bleiben." Die Deggendorfer Pflegefachkraft steht zu ihrer Entscheidung – ihren Namen will sie dennoch nicht veröffentlichen, wie sie am Telefon im BR24-Interview sagt. Zwei Jahre lang hatte sie keine Probleme damit, ungeimpft zu sein, aber man wisse ja nie, meint sie.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die im März eingeführt wurde, läuft wohl zum Ende des Jahres aus. Die Pflegefachkraft, die in einem Deggendorfer Altenheim arbeitet, durfte aber das ganze Jahr ungeimpft weiterarbeiten – trotz der Impfpflicht.

Bayern: Keine Bußgelder, keine Betretungsverbote

Wie eine stichpunktartige BR24-Abfrage zeigt, wurde in Bayern offenbar nicht streng kontrolliert: So heißt es von den Landratsämtern in Deggendorf, Regen und Straubing-Bogen, dass keine Betretungs- oder Beschäftigungsverbote ausgesprochen wurden, auch wurden keine Bußgelder ausgestellt. Die Kliniken in Deggendorf, Straubing und Viechtach sowie Altenheime bestätigen: Es hat keine Kontrollen in ihren Häusern gegeben.

Auf BR24-Anfrage bekräftigt das bayerische Gesundheitsministerium: "Zum 01.11.2022 wurden in Bayern weder Bußgelder verhängt noch Betretungs- und Tätigkeitsverbote ausgesprochen." Weiter heißt es, dass 58.317 nachweispflichtige Personen aus dem Pflege- und Medizinbereich keinen oder einen zweifelhaften Nachweis vorgelegt hatten. Sie wurden laut Ministerium "im Rahmen eines ersten formlosen Aufforderungsschreibens" kontaktiert. Im Falle von Bedenken wurde ihnen eine Impfberatung angeboten.

BRK-Leiter: "Anfänglicher Druck, aber keine Kontrollen"

Die Deggendorfer Pflegefachkraft kann sich an kein Schreiben erinnern. Von den befragten Kliniken und Altenheimen heißt es, man sei seiner Pflicht nachgekommen, habe den Impfstatus der Mitarbeitenden abgefragt und die Daten an die Gesundheitsämter weitergegeben.

"Das war anfangs ein Druck innerhalb des Unternehmens, weil wir nicht wussten, wie die Gesundheitsämter bei den Kontrollen vorgehen", sagt Markus Eckhardt, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Straubing-Bogen. Für ihn war die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu Beginn "ein schöner Gedanke". Im Nachgang aber hätte sie die Situation in der Pflege verschlechtert. Und: "Wir waren überrascht, dass es nicht kontrolliert wurde."

Impfung als Voraussetzung für neues Pflegepersonal

Ähnlich sehen das auch Franz Xaver Knott, Pflegedirektor am Straubinger Klinikum, sowie Christian Schmitz, Vorstand der Arberland-Kliniken. Konsequenzen hatte die einrichtungsbezogene Impfpflicht für das Bestandspersonal nicht. Nur wenige hätten aufgrund der Impfpflicht die Pflege verlassen, wie es heißt.

Probleme gab es jedoch besonders bei Neueinstellungen: Neues Personal musste geimpft sein, daran führte und führt bislang kein Weg vorbei. Die Bewerberzahlen seien deshalb deutlich gesunken, sagt Schmitz.

Impfpflicht: "Betten müssen deswegen leer bleiben"

Auch Praktika für junge, ungeimpfte Menschen waren im Pflegebereich nicht möglich. Die potenziellen Bewerberinnen und Bewerber seien abgewandert: "Wir haben mit anderen Branchen konkurriert – immer noch – haben aber nicht dieselben Ausgangsbedingungen. Das hat keiner bedacht", so Schmitz.

Auch Markus Eckhardt vom BRK musste vor wenigen Tagen neue Fachkräfte abweisen, weil sie ungeimpft waren, wie er sagt. Die Impfpflicht hat für ihn dazu geführt, dass freie Stellen in der Pflege nicht nachbesetzt wurden: "Betten mussten und müssen leer bleiben".

Gesundheitsministerium: "Benötigen jede Arbeitskraft"

Das Aus für die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll nun Ende des Jahres kommen. Ab Januar können Kliniken und Altenheime wieder neue, ungeimpfte Bewerber einstellen. Zumindest das sei eine erste Erleichterung für die ohnehin angespannte Situation in der Pflege, meinen die Klinik-Leiter.

Auch vom bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) heißt es auf Anfrage: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei immer nur als Vorläufer einer allgemeinen Impfpflicht gedacht gewesen, zu der sich der Bund aber damals nicht habe durchringen können. "Daher gibt es schon lange keine Rechtfertigung für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht mehr – und ich hätte mir auch gewünscht, dass diese Entscheidung schon deutlich früher getroffen worden wäre. Denn wir benötigen jede verfügbare Arbeitskraft in Medizin, Pflege und Eingliederungshilfe."

  • Zum Artikel: "Das Scheitern der Impfpflicht – Das sagen Mediziner"

Anfangs politischer und gesellschaftlicher Druck

Die anonyme Pflegefachkraft ist im Deggendorfer Altenheim geblieben, trotz politischen und gesellschaftlichen Drucks von außen, wie sie erzählt. Sie hatte zwar kein Problem damit, doch andere, ungeimpfte Kollegen hätten darunter gelitten. Sie selbst erinnert sich daran, öfter im Heim gefragt worden zu sein, ob sie "endlich geimpft sei" oder Atteste vorlegen könne: "Da habe ich irgendwann gesagt: Wenn mich noch einmal jemand fragt, sage ich gar nichts mehr."

Pflegerin: "Bewohner leiden an Folgen der Isolation"

Gefragt hat keiner mehr, kontrolliert auch nicht – und so hat sie weitergearbeitet, ungeimpft. Für ihre Bewohner sei das nie ein Thema gewesen, erzählt die Deggendorfer Pflegekraft: "Die sind froh, dass wir hier sind. Sie sind mir immer am Herzen gelegen. Ich wollte die Bewohner nicht alleine lassen." Corona habe den Bewohnern im Altenheim ohnehin zugesetzt, noch heute hätten einige mit den Folgen der Isolation zu kämpfen.

💡 Wie viele Pflegekräfte sind ungeimpft?

Das bayerische Gesundheitsministerium teilt auf Anfrage mit, dass nach Daten des Robert Koch-Instituts zum 30. September 91 Prozent der Beschäftigten im Pflege-Bereich zwei oder mehr Impfungen erhalten hatten, 67 Prozent drei oder mehr Impfungen und fünf Prozent vier oder mehr Impfungen. Nur sechs Prozent waren ungeimpft. "Bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen liegt die Impfquote insgesamt deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung, was verdeutlicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ihrer hohen Verantwortung ohnehin bewusst sind", heißt es vom bayerischen Gesundheitsministerium.

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