Rathaus: Außenfassade im Sommer.
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Viele ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind laut einer Studie unzufrieden.

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Umfrage: Mehrheit ehrenamtlicher Bürgermeister unzufrieden

Anfeindungen und Schwierigkeiten bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Laut einer aktuellen Studie ist die Mehrheit der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unzufrieden. Und auch der Nachwuchs fehlt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Zwischen 15 und 40 Stunden in der Woche widmet Michael Bergrab seinem Ehrenamt als Bürgermeister – und das neben einer 30-Stunden-Teilzeitstelle beim Leibniz-Institut. Bergrab wurde vor zehn Jahren als Bürgermeister in Lisberg, einer 1.700 Einwohner starken Gemeinde im Landkreis Bamberg, gewählt. Ihm macht das Ehrenamt viel Freude, aber leicht ist es nicht. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung, bei der 1.549 von den mehr als 6.000 ehrenamtlichen Bürgermeistern in Deutschland teilnahmen, sind rund die Hälfte der mit der Ausführung ihres Amtes unzufrieden. Auch aus Sicht von Bergrab liegt einiges im Argen.

Ehrenamtliche Bürgermeister: Spagat zwischen Familie und Beruf

Neben Familie und Beruf ist nicht immer einfach noch zusätzlich das Ehrenamt als Bürgermeister auszuführen. Zwei Drittel der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und -meister sind wie Michael Bergrab berufstätig – laut der Forsa-Umfrage sind 46 Prozent in Vollzeitstellen. Mehr als die Hälfte der Ehrenamtler bewerten die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Beruf und Familie als weniger gut oder als schlecht. Auch Bergrauf wünscht sich klarere Regelungen: "Ich glaube, dass es viel helfen würde, wenn man für die sechs Jahre Amtszeit freigestellt werden kann. Das sollte nicht nur für Beamten gelten, sondern auch für Unternehmen in der freien Wirtschaft."

Das Ehrenamt der Gemeindevorsteher wird mit einer Aufwandspauschale vergütet. Die Höhe ist in jedem Bundesland unterschiedlich und hängt auch von der Größe der Kommune ab. Laut Bergrab sei in Bayern die Bezahlung vergleichsweise gut. Er bekomme 3700 Euro brutto im Monat. "In anderen Bundesländern liegt die Bezahlung auf Minijob-Ebene, was ich schon erschreckend finde", so Bergrab.

Bundespräsident: Sorge vor Anfeindungen gegen Bürgermeister

Die Situation der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beschäftigt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bei einem Treffen am Donnerstag kam er mit rund 80 ehrendamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Schloss Bellevue ins Gespräch. Grundlage war auch die Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung. Laut dieser ist die Kritik an den Bund groß: 88 Prozent beurteilen die Unterstützung durch die Landes- und Bundespolitik und die finanzielle Situation ihrer Gemeinde (63 Prozent) als weniger gut bis schlecht.

Neben der Forderung für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Gestaltungsspielraum und weniger finanzieller Überlastung der Kommunen waren für Steinmeier ein Punkt besonders wichtig: die Anfeindungen, denen kommunale Amts- und Mandatsträger ausgesetzt sind. "Demokratie beginnt vor Ort, aber Demokratie wird auch vor Ort bedroht – und wir müssen sie deshalb vor Ort verteidigen", so der Bundespräsident. Viele würden aufgrund von Hass und Anfeindungen Social-Media-Accounts löschen oder ihr Amt niederlegen, um ihre Familie zu schützen. Laut der Umfrage wurden vier von zehn Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Deutschland schon einmal bedroht.

Anfeindungen: Mehr Respekt für ehrenamtliche Bürgermeister

Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund sei das Ergebnis der Forsa-Umfrage nicht überraschend: Alexander Handschuh, Sprecher des kommunalen Spitzenverbandes, betont im BR-Interview, dass dieses auch in anderen Studien in eigenen Erhebungen herausgekommen sei. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister würden berichten, dass sie bereits beleidigt, bedroht oder angegriffen wurden. "Wir wünschen uns natürlich Respekt vor dem Einsatz und vor dem Amt dieser Menschen, die sich da in ihrer Freizeit für Sie, für mich, für uns – wir leben alle in Städten und Gemeinden – einsetzen", so Handschuh.

Auch Lisbergs Bürgermeister Michael Bergrab sind Anfeindungen nicht fremd: "Der Vorteil vom Ehrenamt, dass man in seiner Gemeinde verwurzelt ist, zählt für viele auch gar nicht mehr", so Bergrab. "Man merkt schon, dass man keinen Respekt mehr gegenüber Amtsträgern hat." Er habe mit Kolleginnen gesprochen, die sogar Schweinsköpfe vor der Tür hatten. Aus seiner Sicht sei es in erster Linie wichtig, miteinander zu sprechen und zu diskutieren.

Demokratieverlust: Der Nachwuchs fehlt in den Kommunen

Das Ehrenamt des Bürgermeisters freut sich keiner großen Beliebtheit: Laut der Forsa-Umfrage befürchten 71 Prozent der Befragten, dass sich künftig keine passenden Nachfolgerinnen und Nachfolger für das Amt finden werden. Ein Grund könnten die steigenden Anfeindungen sein und auch das veraltete Bild, das viele noch von dem Bürgermeisteramt im Kopf haben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief die Kommunen auf, sich mehr zu öffnen. So könnten mehr junge Frauen und Männer, Menschen mit Migrationshintergrund, neue Ideen und Stile in die Politik mit einbringen. Frauen sind laut Umfrage noch immer in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert genauso wie Amtsträger unter 40 Jahren.

Michael Bergrab ist darunter eine große Ausnahme: Er wurde mit 22 Jahren als Deutschlands jüngster Bürgermeister vor zehn Jahren ins Amt gewählt. Und obwohl der Ton rauer geworden ist, macht ihm das Amt Freude: "Man hat einen Blumenstrauß an Möglichkeiten, die Kommune zu prägen und zu gestalten."

Mit Informationen von dpa

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