Megamarsch-Teilnehmer laufen südlich von München auf einem Wanderweg
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Die Teilnehmer starten in München und laufen dann ohne Pause nach Mittenwald.

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Wandern der Superlative: Über Nacht von München nach Mittenwald

Zwischen Sport und "Wahnsinn": Am Pfingstwochenende sind beim "Megamarsch" rund 2.600 Menschen von München nach Mittenwald gelaufen. 100 Kilometer wandern ohne Schlaf und Pause – ist das gesund?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Alexandra Mösl tritt von einem Fuß auf den anderen, die Nervosität steigt. In wenigen Minuten startet die 44-Jährige aus Erding beim Extremsport-Event "Megamarsch" in München. "Nur noch drei, zwei, eins und los geht’s", ruft der Veranstaltungsmoderator und die Oberbayerin beginnt ihre Wanderung.

Nach Angaben des Veranstalters ist sie eine von rund 2.600 Hobbysportlern, die sich am Pfingstwochenende der gleichen Herausforderung gestellt haben: zu Fuß 100 Kilometer von München nach Mittenwald im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wandern – und das binnen 24 Stunden, ohne Schlaf und längere Pause.

Wanderer wollen ihre Grenzen austesten

Männer und Frauen, jung wie alt, sind dazu aus ganz Deutschland, der Schweiz und aus Österreich angereist. "Mich begeistert das Laufen, die Leute und die Gespräche unterwegs", sagt ein Mann, der zum zweiten Mal mitmacht. Die meisten Teilnehmer reizt die Herausforderung. "Ich möchte sehen, wie weit mein Körper geht", sagt eine junge Frau aus München. Es ist ihr erster sogenannter Megamarsch.

Ein paar Reihen hinter ihr steht ein 58-jähriger Mann aus Stuttgart mit deutlich mehr Erfahrung im Gepäck: "Ich laufe zum Training mit. In vier Wochen laufe ich den Zugspitz Ultratrail", grinst er gelassen.

Extremwandern als Ausgleich zum Bürojob

Erfahrung bringt auch Teilnehmerin Alexandra Mösl mit. Zum fünften Mal geht sie an den Start. "Ich nehme teil, weil mir dieses Gehen wahnsinnig viel Spaß macht. Das macht den Kopf frei und ich bin gerne in der Natur", so die 44-Jährige. Das Extremwandern sei ein passender Ausgleich zu ihrem Büroalltag. "Ich nutze jede Mittagspause, um ein paar Meter zu gehen", sagt sie. Ihre Vorbereitung für die 100 Kilometer waren aber auch viele Wanderungen und längere Spaziergänge.

Im Audio: Beim "Megamarsch" sind rund 2.600 Menschen von München nach Mittenwald gelaufen

Alexandra und ihre zwei Begleiter beim Startpunkt kurz vor Beginn.
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Alexandra Mösl geht mit zwei Freunden an den Start.

Viele starten, wenige laufen ins Ziel

Die Strecke führt entlang der Isar, vorbei am Kochel- und Walchensee, über die Buckelwiesen bis zum Ziel in Mittenwald – mit Blick auf den Karwendel. Nicht alle Teilnehmer, die starten, erreichten das Ziel, erklärt Mitorganisatorin Jana Laser. "Wir rechnen prinzipiell mit einer Quote von 30 Prozent. Die Münchner Strecke ist besonders anspruchsvoll, mit zahlreichen Höhenmetern am Ende", so Laser.

Regen macht Wanderern Strich durch die Rechnung

Auch Mösl weiß um die Herausforderungen der Strecke. Doch womit sie nicht gerechnet hat, ist das schlechte Wetter in der Nacht. Nach etwa 65 Kilometern zwischen Benediktbeuern und Kochel am See ereilt die Wanderer für mehrere Stunden starker Regen. Die Folge: Viele Teilnehmer brechen ab. "Besonders in der Nacht hatten wir einige Menschen, die unterkühlt waren oder Probleme mit dem Kreislauf hatten", so ein Notfallsanitäter vom Roten Kreuz. Zusammen mit den Einsatzkräften der Johanniter begleiten sie den Marsch.

Arzt appelliert: Gesundheit geht vor

Alle zehn bis 20 Kilometer ist eine Verpflegungsstation eingerichtet, bei der die Teilnehmer nicht nur mit Essen und Getränken versorgt werden, sondern auch medizinischen Support bekommen. Und der wird regelmäßig in Anspruch genommen. "Die Top-3 Vorfälle beim Megamarsch sind Blasen, Erschöpfung und Ermüdung", sagt Julian Apel, Notarzt der Johanniter.

Aus medizinischer Sicht handle es sich um Extremsport. "Die Leute gehen über 100 Kilometer, das ist über die normalen Grenzen hinaus" so Apel, der mit einem Motorrad die Route abfährt, um in Notfällen vor Ort zu sein. Der Notarzt befürwortet das Interesse an viel Bewegung. Er appelliert aber, auf die eigenen körperlichen und mentalen Grenzen zu achten.

Große Herausforderungen: Regen, Kälte und Schmerzen

Für Mösl war die Teilnahme am diesjährigen Megamarsch besonders hart. Bisher hatte sie nie Probleme mit Blasen an den Füßen. Dieses Jahr allerdings schon. Auch ihr Kreislauf macht ihr ab Kilometer 60 zu schaffen. Und es wird noch ungemütlicher: In der Nacht bricht ein Unwetter über sie ein, es regnet mehrere Stunden. Schuhe und Kleidung sind völlig durchnässt. An diesem Punkt gibt der Großteil der Teilnehmer auf.

Auch Alexandra Mösl kommt an ihre Grenzen. Die 44-Jährige steht um 5 Uhr Nachts durchgefroren und erschöpft bei der Verpflegungsstation in Benediktbeuern. "Jedes Jahr kommen neue und härtere Proben auf mich zu", stellt Mösl fest.

Mit letzter Kraft ins Ziel: "ich bin wahnsinnig stolz auf mich"

Aufgeben ist aber keine Option für die Oberbayerin. Fest entschlossen marschiert sie weiter und bringt nochmal 20 Kilometer hinter sich. Immerhin scheint am nächsten Morgen die Sonne. Mit letzter Kraft erreicht Mösl dann das Ziel in Mittenwald. Wenige Minuten später überkommen sie ihre Emotionen, die Tränen laufen: "Ich bin wahnsinnig stolz auf mich, dass ich es durchgehalten habe und dass mein Körper so gut mitgemacht hat. Meine Angst, dass ich Probleme mit den Knien, Bändern oder Sehnen bekomme, hat sich nicht gezeigt."

1.000 Wanderer nach 100 Kilometern am Ziel

Neben der Erdingerin hätten von insgesamt 2.600 Teilnehmern über 1.600 das Ziel erreicht, teilt der Veranstalter am Sonntagabend mit. Insgesamt sei die Veranstaltung laut einem Sprecher der Johanniter ohne größere Zwischenfälle verlaufen.

Für Alexandra Mösl steht fest: Sie wird wieder an einer 100-Kilometer-Wanderung teilnehmen: "Es war mega."

Im Video: "Megamarsch" von München nach Mittenwald

Hier begann der Megamarsch.
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Am Pfingstwochenende sind beim "Megamarsch" rund 2.600 Menschen von München nach Mittenwald gelaufen.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Mai 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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