VdK-Präsidentin Verena Bentele am Sonntags-Stammtisch im BR
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Verena Bentele

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Sozialverbands-Chefin zum Haushaltsloch: Ihr Rat an den Staat

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts wird debattiert, wo der Staat sparen könnte. Infrastruktur? Bürgergeld? Kindergrundsicherung? Beim BR-Sonntagsstammtisch erklärt VdK-Präsidentin Bentele, wie der Staat nicht sparen muss.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Bundesregierung ein zweistelliges Milliardenloch schließen. Die Lösungen, die die Ampel-Koalition diskutiert, drehen sich dabei gerade um mögliche Sparmaßnahmen. Laut der Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, ist das allerdings der falsche Weg. Sie plädiert im Zuge der Haushaltskrise für ein politisches Umdenken.

Bentele fordert Vermögenssteuer

Am Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen schlug Verena Bentele vor, dass die Bundesregierung sich angesichts der fehlenden Milliarden weniger mit Sparmaßnahmen, sondern auch mit der Seite der Einnahmen beschäftigen sollte.

"Wir müssten zum Beispiel die Vermögenssteuer wieder einführen in Deutschland, Kapitalerträge wieder stärker besteuern", so Bentele, die auch SPD-Mitglied ist. Eine Vermögenssteuer, wie sie es seit 1997 nicht mehr gibt, wäre laut Bentele jetzt "superwichtig". Außerdem sagte die ehemalige Biathletin und Langläuferin, dass der Staat in Sachen Steuerhinterziehung stärker durchgreifen könnte. Stand jetzt würden Deutschland dadurch dreistellige Milliardenbeträge entgehen. Laut Bentele wäre daran der Vorteil, dass man hier noch nicht einmal die Steuern erhöhen müsste. "Da muss man nur die Steuergesetzgebung, die wir haben, anwenden", so die VdK-Präsidentin. Es brauche dafür zwar mehr staatliche Mitarbeiter. "Aber die zu finden und zu fördern, wäre ja mal eine gute Sache", so Bentele.

Nicht bei Kindergrundsicherung sparen

Von den jetzigen Debatten um mögliche Sparpläne und von der Regierungserklärung, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag angesichts der Haushaltskrise abgegeben hatte, zeigte sich Bentele am Sonntags-Stammtisch enttäuscht. Besonders kritisierte sie, dass in der Debatte gerade Wirtschaftsförderung gegen staatliche Subventionen ausgespielt würden. "Das bin ich, ehrlich gesagt, ziemlich leid. Beides ohneeinander kann nicht funktionieren." Als Beispiel nannte Bentele die aktuelle Debatte um die Kindergrundsicherung. Obwohl der derzeitige Vorschlag von Bundesfamilienministerin Lisa Paus nicht optimal geplant sei und zu viel Bürokratie produziere, sei es absurd, hier sparen zu wollen.

VdK warnt vor Fachkräftemangel

Verena Bentele begründete: "Wer in Deutschland sagt: 'Wir brauchen Fachkräfte', kann nicht im nächsten Atemzug sagen: 'Jetzt sparen wir bei der Kindergrundsicherung!'" Ihr Argument: Wenn Kinder und Jugendliche nicht gleichermaßen an Bildung teilhaben und sich aufgrund von Armut auch weniger in der Gesellschaft einbringen könnten, werde es in der Zukunft auch schwerer Fachkräfte aus Deutschland zu bekommen. Und aus dem Ausland anzuwerben, sei laut Bentele "nicht allein der Weisheit letzter Schluss".

Auch Bürgergeld-Debatte führe in die falsche Richtung

Auch die Erhöhung des Bürgergelds im nächsten Jahr steht in der Kritik, vor allem durch die politische Opposition. Allerdings warnt die VdK-Präsidentin auch hier vor zu starken Einschnitten. "Das Problem ist halt da, dass die Diskussion von vielen gerne populistisch geführt wird", so Bentele weiter. Häufig werde argumentiert, dass der Lohnabstand zwischen Arbeit und Sozialleistungen nicht mehr stimme, wenn das Bürgergeld erhöht werde. Allerdings könnten viele Menschen, die Bürgergeld erhalten, laut Bentele gar nicht arbeiten. Oder sie müssten aufgrund niedriger Löhne sogar noch mit Bürgergeld aufstocken. Ihr Fazit: "Den Menschen zu sagen: 'Wir kürzen jetzt das Bürgergeld', gefährdet da eben Existenzen."

Vermögenssteuer in Deutschland wegen Immobilien ausgesetzt

Eine Vermögenssteuer, wie sie Bentele zur Finanzierung des Haushaltslochs stattdessen vorschlägt, ist in Deutschland allerdings qua Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Den Grund erklärte die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch am Sonntags-Stammtisch: Das Gericht habe damals entschieden, dass es besonders schwierig sei, Immobilien als Vermögen zu kategorisieren. "Das Hauptproblem ist, dass es so unheimlich schwierig ist, das dann objektiv einzustufen", so Münch. Deshalb sei laut der Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing damals entschieden worden, dass eine Vermögenssteuer ein zu großer bürokratischer Aufwand gewesen wäre.

Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild?

Sportjournalist Marcel Reif wies am Sonntags-Stammtisch darauf hin, dass eine Vermögenssteuer in anderen Ländern bereits politische Praxis sei. Reif merkte an: "In der Schweiz funktioniert dieses Steuersystem und da ist es natürlich reizvoll zu sagen: 'Warum machen wir das nicht so?'" Allerdings sei die Schweiz mit rund neun Millionen Einwohnern auch deutlich kleiner als Deutschland, so Reif weiter. Da lasse sich gut durchregieren. Angesichts der derzeitigen politischen Probleme und Krisen sei er allerdings sicher, dass es auch in Deutschland mehr Solidarität von oben nach unten brauche. Zum Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes, der besagt, dass Eigentum verpflichtet, sagte Reif: "Klingt super, aber sollte dann auch gelebt werden."

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