Die Ampel steht nach dem Karlsruher Haushaltsurteil vor einem Berg von Problemen
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Die Ampel steht nach dem Karlsruher Haushaltsurteil vor einem Berg von Problemen

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Haushaltskrise: Die Ampel will Zeit gewinnen

Ein Milliardenloch im Klimafonds, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundeshaushalts und unabsehbare Folgen für die Wirtschaft: Die Ampel steht nach dem Karlsruher Haushaltsurteil vor einem Berg von Problemen. Und spielt erstmal auf Zeit.

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Eigentlich geht es bei diesem Spitzentreffen im Kanzleramt um die deutsch-italienische Zusammenarbeit. Giorgia Meloni ist aus Rom angereist, um mit Olaf Scholz über eine neue Pipeline und Impulse für die Wirtschaft zu sprechen. Doch die Haushaltskrise holt den Kanzler auch bei diesem Termin ein. Als die italienische Regierungschefin gefragt wird, ob Deutschland angesichts der fiskalischen Turbulenzen noch ein verlässlicher Partner sei, verdreht Scholz die Augen.

"Der Respekt vor dem Parlament bedeutet, dass nicht die Regierung ansagt, wann das Parlament genau einen Abschluss findet", sagt der SPD-Politiker am Mittwochabend: "Aber das soll sehr zügig und sehr zeitnah erfolgen." Ob die Ampel einen neuen Zeitplan hat und wie er konkret aussieht, bleibt zunächst unklar. Man müsse die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils erst einmal sorgfältig prüfen, so Scholz.

Haushaltsurteil hat Kettenreaktion ausgelöst

Mehr als eine Woche nach der Entscheidung der Verfassungsrichter ist nicht erkennbar, wie die Koalition die Haushaltskrise beenden will. Längst geht es nicht mehr nur um den Klima- und Transformationsfonds (KTF), dessen Finanzierung mit Coronakrediten das Gericht beanstandet hat. Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist auch ein anderer milliardenschwerer Geldtopf betroffen, aus dem bereits beträchtliche Mittel geflossen sind. In der Folge steht hinter dem gesamten Bundeshaushalt fürs laufende Jahr ein verfassungsrechtliches Fragezeichen.

Der FDP-Haushälter Karsten Klein verteidigt die Koalition. Die Ampel habe zwar vor dem Urteil alle Szenarien durchdacht, "aber das ist schon ein sehr weitreichendes Urteil". Nun müsse intensiv geprüft werden, wie es sich auf die Haushaltspolitik insgesamt auswirkt. "Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", so der Aschaffenburger Abgeordnete.

Nach Haushaltsurteil wachsen Sorgen in der Wirtschaft

Noch ist nicht absehbar, wie genau sich die KTF-Sperre auf die Förderung von Unternehmen auswirkt. Aus Regierungskreisen verlautet, dass allein die ursprünglich geplante Förderung einer wasserstoffbasierten Industrie etwa 45 Firmen zugutekommen sollte. Allerdings mit Schwerpunkt auf Nord- und Ostdeutschland. Doch in auch in Bayern wachsen die Sorgen, dass das Urteil nötige Investitionen ausbremsen könnte.

Ein Beispiel: Der Chiphersteller Semikron-Danfoss will an seinem Nürnberger Standort 250 Millionen Euro investieren und so mittel- bis langfristig die Kapazität dort verdreifachen. Das macht der Strategiechef des Unternehmens, Thomas Grasshoff, im Gespräch mit BR24 deutlich. Für die geplanten Investitionen brauche man aber "staatliche Unterstützung, um im globalen Wettbewerb gleiche Bedingungen zu haben". Semikron-Danfoss hat in Nürnberg rund 1.800 Beschäftigte.

Auch KfW-Förderprogramme sind betroffen

Mittlerweile werden auch Folgen des Haushaltsurteils für die Staatsbank KfW sichtbar, nach eigenen Angaben eine der weltweit führenden Förderbanken. Die KfW verhängte einen vorläufigen Antrags- und Zusagestopp für mehrere Programme aus dem Bereich Wohnen und Bauen. Es handelt sich unter anderem um das Programm "Altersgerecht Umbauen" und einen Fördertopf für genossenschaftliches Wohnen. Ein Rückschlag für die Bauwirtschaft, die bereits unter einer Explosion der Materialkosten leidet.

Und so wird die Unsicherheit im Land nach dem Urteil von Tag zu Tag größer. Mit der Entscheidung, die eigentlich für diesen Donnerstag geplanten Schlussberatungen für den Etat 2024 im zuständigen Bundestagsausschuss zu verschieben, hat die Ampel ein wenig Zeit gewonnen. Die wird sie brauchen, um die immer neuen Milliardenlöcher zu stopfen.

Ampel-Parteien vor schwierigen Verhandlungen

Im Gespräch ist, dass die Koalition für dieses Jahr doch noch eine haushaltspolitische Notlage ausruft. Damit wäre die Schuldenbremse ein weiteres Mal ausgesetzt – und der Haushalt fürs laufende Jahr verfassungskonform. Nach dem Karlsruher Urteil waren Zweifel aufgekommen, ob der Etat 2023 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit bliebe aber noch das 60-Milliarden-Euro-Loch im Klimafonds als Problem, das gelöst werden muss.

Grüne und Teile der SPD wären bereit, Steuern für Wohlhabende zu erhöhen oder klimaschädliche Subventionen abzubauen – etwa durch Änderungen bei der pauschalen Besteuerung von Dienstwagen. Doch davon will die FDP bisher nichts wissen. Steuererhöhungen wären "Gift für die wirtschaftliche Entwicklung", sagt FDP-Haushälter Klein. Für die Liberalen wäre schon ein neuerliches Aussetzen der Schuldenbremse eine Kröte, die sie zu schlucken hätten. Zu Ausgabenkürzungen wäre die FDP eher bereit. Am Ende werden wohl alle drei Ampel-Partner über ihren Schatten springen müssen.

Im Audio: Grünen-Parteitag nimmt sich mehr Zeit für das Thema Haushalt

Auch die Grünen werden sich auf ihrem Bundesparteitag mit den Haushalt  befassen müssen
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Auch die Grünen werden sich auf ihrem Bundesparteitag mit den Haushalt befassen müssen

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