Ministerpräsident Markus Söder im März 2024 im Bamberger Dom
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Ministerpräsident Markus Söder im März 2024 im Bamberger Dom

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Söders Bekenntnis: Der CSU-Chef und das "große C"

Der Gebirgsschützen-Patronatstag zu Ehren Marias, die Audienz beim Papst, ein Grußwort im Bibelmuseum Nürnberg: Ein Kirchentermin jagt gerade den nächsten bei Markus Söder. Stets verknüpft mit seinem persönlichen Bekenntnis.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Morgen am .

Markus Söder spricht gerne über seinen christlichen Glauben. Vergangenes Jahr zum Beispiel auf dem Hesselberg, beim bayerischen evangelischen Kirchentag, schwärmte er vor den Gläubigen von der frohen Botschaft des Evangeliums. Er erzählte von einem kleinen Gebetskreis in Nürnberg, dessen Teil er einmal gewesen sei, vom Trost, den er im Glauben finde, wenn ein ihm nahe stehender Mensch gestorben sei. "Ich bekenne, ich glaube an Gott, an Jesus Christus, ich glaube auch nur an einen Gott", so das Credo von Markus Söder. Der bei verschiedensten Gelegenheiten auch betont, er trage stets ein Kreuz bei sich und bekreuzige sich regelmäßig.

Söder verspricht: "Die Kreuze bleiben"

Seinen Besuch vor Kurzem im Vatikan, nutzt der Protestant Söder für eine politische Glaubens-Botschaft: Bayern stehe zur Institution Kirche, die "einen wichtigen Beitrag für eine starke Gesellschaft" leiste. Man sei "gegen eine komplette Trennung von Staat und Kirche". Für Söder heißt das: "Die Kreuze bleiben hängen", der Religionsunterricht "bleibt", genauso wie er nicht an den Staatsleistungen für die Kirchen rütteln will. Deren Ablösung allerdings ist ein Auftrag der Verfassung.

Im gleichen Atemzug spricht sich der Bayerische Ministerpräsident deutlich gegen eine Aufweichung des Abtreibungsparagrafen 218 sowie gegen die Möglichkeit zum assistierten Suizid aus. Und stellt sich in diesen ethischen Fragen damit an die Seite der Kirchen. Mit seiner Position zum assistierten Suizid ignoriert Söder gleichzeitig ein Verfassungsgerichtsurteil von 2020, das ein generelles Verbot der Hilfe beim selbst-bestimmten Sterben, als unzulässig erklärt hat.

Glaubensbekenntnis als Selbstvergewisserung

Positionen, die für den Vorsitzenden einer C-Partei, also einer Partei, die sich dem Christentum schon im Namen verpflichtet, nichts Ungewöhnliches sind. Und trotzdem fällt politischen Beobachterinnen und Beobachtern auf, dass Söder das C im Parteinamen gerade besonders herausstellt und die Nähe zu den Kirchen sucht.

Für den CSU-Kenner und Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter steckt dahinter durchaus politisches Kalkül. Und zwar in doppelter Hinsicht. Söder sende eine Botschaft an ein bestimmtes - an ein traditionelles Milieu. Mit einer Art Selbstvergewisserung, dass sich in einer unübersichtlich gewordenen Welt das bayerische Wertefundament nicht ändere. Eine politische Überlegung, die Oberreuter zufolge nachvollziehbar ist: "Wir haben eine pluralistische Diskussion über Werte und Normen, die auch viele gefährliche Aspekte in sich trägt, sodass es von daher nicht ganz falsch ist, diese Gemeinsamkeit und diese christliche Tradition zu beschwören." Aus dieser "identitätsstiftenden" Politik, so Oberreuter weiter, könne Söder dann womöglich auch "persönlichen Nutzen" ziehen: den Dank des traditionellen Milieus an der Wahlurne. Auch die Spiegel-Journalistin und Söder-Biografin Anna Clauß sagt: Den Menschen in diesen bewegten Zeiten ein "Gefühl von Sicherheit zu geben", sei "nicht blöd".

Glauben und Glaubwürdigkeit

Ist das öffentliche Glaubensbekenntnis von Markus Söder glaubwürdig? Den persönlichen Glauben wolle und könne sie ihm "nicht absprechen", sagt Anna Clauß, die Söder unter anderem für ihr Buch "Söder- die andere Biografie" intensiv beobachtet hat. Sie vermisse in der Politik Söders aber, dass dieser "sich von Glaubenssätzen der Bibel leiten" lasse. Clauß nennt konkret die aus ihrer Sicht fehlende "Mitmenschlichkeit und Sorge um die Schwächsten". Die Sozialpolitik überlasse Söder lieber anderen.

Politikwissenschaftler Oberreuter stimmt ihr in diesem Punkt zu: Es fehle der ein oder andere "sozialpolitische Akzent" und auch ein persönliches Engagement in diesem Bereich - so wie es der CSU-Vordenker, langjährige Fraktionsvorsitzende und bekennende Katholik Alois Glück etwa verkörpert habe - durch sein persönliches Engagement in der Behindertenhilfe, in der Hospizarbeit, bei der Bergwacht und in der Schwangerenkonfliktberatung donum vitae.

Flüchtlingspolitik: Kirchen und C-Parteien im Clinch

Der evangelische Theologe Stephan Anpalagan sieht ebenfalls ein Glaubwürdigkeitsproblem. Er macht das vor allem an der Migrationspolitik fest. Erst kürzlich hat er gemeinsam mit 700 anderen Theologen – darunter auch Bischöfe von evangelischer und katholischer Kirche – gegen die aus seiner Sicht unchristliche Flüchtlingspolitik der CDU protestiert. Die ist beinahe deckungsgleich mit der der Schwesterpartei CSU. Tatsächlich ist die Flüchtlingspolitik seit Jahrzehnten ein Streitpunkt zwischen Kirchen und C-Parteien. Söder persönlich brachte vor allem sein Vokabular im Wahlkampf 2018, als er von "Asyltourismus" sprach, harsche Kritik von Kirchen und kirchlichen Sozialverbänden ein. Später nahm Söder den Begriff zurück. Auch die von Söder in den vergangenen Monaten befeuerte Debatte, das Grundrecht auf Asyl zu modifizieren, gar abzuschaffen, kommt bei dem Theologen Anpalagan, aber auch bei Kirchenvertretern nicht gut an.

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter ist da anderer Ansicht und verweist darauf, dass die christliche Ethik nicht verlange, alles akzeptieren zu müssen, was an sozial- und migrationspolitischen Fragen auf einen zukomme. Er verweist dabei auf den evangelischen Theologen und Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck. Dieser habe, trotz tiefer christlicher Überzeugung, eine Begrenzung von Zuwanderung als "nicht verwerflich" bezeichnet.

Söder: "Kirche soll sich mit spirituellen Fragen beschäftigen"

Die Sorge um geflüchtete Menschen ist ein Kernthema von Papst Franziskus. Mit seinem Besuch im Flüchtlingslager auf der italienischen Insel Lampedusa hatte er das einst klargestellt.

Die Flüchtlingspolitik sprach Söder nach seiner Audienz bei Papst Franziskus nicht explizit an. Vor Journalisten erklärte er nur sinngemäß, die Kirchen sollten sich aus der Tagespolitik heraushalten. Eine Forderung, die der Ministerpräsident nicht zum ersten Mal formuliert. Kirche, so Söder, solle "keine NGO (Nichtregierungsorganisation) sein, nicht beliebig". Stattdessen solle sie sich "mit spirituellen – und ja, mit Fragen der Ewigkeit beschäftigen, denn da ist sie singulär", so die Botschaft des CSU-Chefs.

Ein Satz, den der evangelische Theologe Anpalagan scharf kritisiert: "Das klingt so wie, ich möchte mit dem Papst ein Foto aufnehmen und es für meine Marketingzwecke nutzen, aber ich möchte von den Vertretern nicht kritisiert werden für eine politische Position, die dem entgegensteht."

Spiegel-Journalistin Anna Clauß attestiert Söder und den Kirchen eine - wie sie sagt - "Hassliebe". Söder und die Kirchen bräuchten sich gegenseitig, gleichzeitig hätten sich die Kirchen immer wieder, wie etwa beim sogenannten Kreuzerlass "gegen eine Instrumentalisierung für politische Zwecke" gewehrt.

Religion und Kirche: Ein Gewinnerthema?

Warum spricht Markus Söder öffentlich über seinen eigenen Glauben? Der gesellschaftliche Rückhalt der Kirchen schwindet. Die Austrittszahlen steigen. Warum setzt Söder auf etwas, was auf den ersten Blick kein Gewinnerthema ist? Der evangelische Theologe Anpalagan vermutet, es gehe Söder um eine Art "Kulturkampf". Eine Botschaft an die Kernklientel, an die sich Söder etwa auch mit Themen wie dem Genderverbot richte. Denn, so der Theologe, würde sich der bayerische Ministerpräsident ernsthaft mit der Institution auseinandersetzen, würde er auch kritische Punkte, wie den Missbrauchsskandal beider Kirchen, deutlicher ansprechen.

Tatsächlich ist Söder da zurückhaltend. Auch mit Blick auf den "bayerischen Papst" Benedikt XVI. Diesen rühmt Söder beim Besuch im Vatikan. Dieser sei und war immer "in den Herzen seiner bayerischen Landsleute präsent". Dass ein Anwalts-Gutachten dem früheren Kardinal Joseph Ratzinger vorwirft, mitverantwortlich dafür zu sein, dass ein pädophiler Priester weiterhin in der Gemeindearbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt worden ist, davon kein Wort. Benedikt XVI selbst hatte dem zu Lebzeiten noch widersprochen.

Beobachter kritisieren vor allem "Show" und Selbstmarketing

Was also ist nun grundsätzlich von Markus Söders öffentlichem Glaubensbekenntnis zu halten? Die Beobachter finden das im Kern nicht falsch. Theologe Anpalagan sagt, es sei immer wünschenswert, wenn sich Politiker zum christlichen Wertefundament bekennen.

Die Beobachter kritisieren eher das "Wie": Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter etwa findet, dass "die Selbstinszenierung des Markus Söder" Fragen aufwerfe "nach Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Tiefgang". Und der Passauer Politikwissenschaftler weiter: "Wenn man weniger reden würde und sich weniger publicityträchtig produzieren würde, dann würde die Glaubwürdigkeit bestimmt gewinnen."

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