Das Seeadlerpärchen im Auwald im Landkreis Dillingen an seinem Horst in einer Esche.
Bildrechte: Julia Heidtke, Landratsamt Dillingen

Das Seeadlerpärchen im Auwald im Landkreis Dillingen an seinem Horst in einer Esche.

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Sensation im Dillinger Auwald: Junge Seeadler ziehen ihre Kreise

Es ist eine Sensation: Nach mehr als 100 Jahren haben wieder Seeadler im Auwald im Landkreis Dillingen erfolgreich gebrütet. Zwei Junge hat das Adler-Paar großgezogen. Der Seeadler-Nachwuchs wird sich bald woanders sein eigenes Revier suchen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Alle haben an einem Strang gezogen: Naturschützer, Jäger, die Behörden und die Waldbesucher. So ist es geglückt: Gleich zwei Junge hat das Seeadlerpärchen im Auwald im Landkreis Dillingen heuer großgezogen. Der Auwald zieht sich entlang der Donau von Neu-Ulm bis Donauwörth, es ist eines der größten zusammenhängenden Auwaldgebiete deutschlandweit.

Es handelt sich laut Biodiversitätsberaterin Julia Heidtke vom Landratsamt Dillingen um die einzig bekannte Brut in einem Auwald. Dass die Jungen jetzt hier ihre Kreise am Himmel ziehen, das sei ein toller Erfolg: "Für uns und die Adler", sagt Raphael Rehm von der Schutzgemeinschaft ARGE Donaumoos. Mit bis zu 2,50 Meter Spannweite ist der Seeadler der größte Greifvogel Europas.

Erste erfolgreiche Brut im Auwald seit mehr als 100 Jahren

Dass im Auwald im Landkreis Dillingen Seeadler leben, ist bekannt. Im Winter kämen oft auch zahlreiche Jungtiere aus Osteuropa und machten hier Rast. Manchmal habe er schon sechs Adler auf einem zugefrorenen Stausee gezählt, sagt Naturschutzwächter Harald Böck. Auch das Pärchen, das jetzt gebrütet hat, ist ihm bekannt: "Die beiden leben schon seit drei Jahren hier", sagt der Ornithologe, ihre und die Brutversuche anderer Seeadlerpärchen hier seien bisher allerdings immer gescheitert. Dass es diesmal geklappt hat, mag zum einen daran liegen, dass die Elterntiere jetzt älter und erfahrener sind. Erste Bruten bei Seeadlern seien oft nicht erfolgreich, sagen die Experten. Grund sind sicher aber auch die zahlreichen Maßnahmen, die man ergriffen hat, um die Tiere, ihren Horst und das Gelege zu schützen.

Horst der Adler befindet sich auf erkrankter Esche

Ihren Horst haben die beiden Elterntiere in der Astgabel einer Esche errichtet: ein gewaltiges Nest, bis zu 200 Kilo schwer, schätzt Martin Eggert, Forstbetriebsleiter von den Bayerischen Staatsforsten. Dass die beiden sich ausgerechnet eine Esche für ihr Quartier ausgesucht haben, könnte zum Problem werden: Der Baum leidet, wie viele andere Eschen im Auwald auch, am Eschentriebssterben. Ein Pilz, der die Bäume befällt und langsam zum Absterben bringt.

Der Baum wird irgendwann absterben und umfallen, der Horst könnte außerdem abstürzen, wenn die Äste drumherum morsch werden: "Wir wissen nicht, wann das passiert, aber man muss sich schon Sorgen machen", sagt Eggert. Für den Seeadler wäre das allerdings keine Katastrophe: Da die Horste so schwer sind, passiert es öfter, dass sie herunterfallen. Dann bauen sich die Adler einen neuen Horst. Der Baum mit dem aktuellen Horst ist der größte weit und breit, er steht auf einer Lichtung an einem Altwasser. "Der Seeadler braucht einen freien Anflug, deshalb hat er diesen Baum gewählt, da kann er leicht hinfliegen", sagt Julia Heidkte und hält das Fernglas an die Augen. Das gewaltige Nest ist leer, auch am Himmel, kein Seeadler in Sicht.

Junge Seeadler kreisen am Himmel

Doch da zuckt Harald Böck auf einmal zusammen, er hat etwas gehört. "Pscht, leise", sagt der Vogelexperte, hält die Hand ans Ohr. "Das könnte auch ein Schwarzspecht gewesen sein, die rufen so ähnlich", sagt er und schwärmt: "Sieben Spechtarten gibt es hier im Auwald, Halsbandschnäpper, und da ruft ein Eichelhäher."

Der Auwald bietet ideale Lebensbedingungen für viele Vogelarten. Doch da ertönt der Ruf noch einmal, jetzt ist er sich sicher, das war ein Seeadler. Und da zeigt Förster Martin Eggert auch schon zum Himmel: "Da ist einer! Und da der zweite!" Weit weg, und dennoch gut zu sehen, dank der großen Schwingen, fliegt erst ein Jungtier, dann das zweite. Sie scheinen miteinander zu spielen, fliegen auseinander, wieder zusammen. Ein herrliches Schauspiel am blauen Sommerhimmel. Die Ornithologen sind begeistert, so haben auch sie die beiden noch nicht in Aktion gesehen. "Auch ich war nur ein Mal am Horst, seit sie auf der Welt sind", sagt Biodiversitätsberaterin Julia Heidtke vom Dillinger Landratsamt. "Wir wollten die Tiere so wenig wie möglich stören".

Betretungsverbot, keine Waldarbeiten, keine Bleimunition

Deshalb hat man auch seit dem Zeitpunkt, an dem bekannt war, dass die beiden brüten, eine Schutzzone im Radius von 300 Metern um den Horst eingerichtet. Betreten war hier verboten, außerdem durften keine Waldarbeiten erledigt werden, auch die Jagd war untersagt. Daran hätten sich alle gehalten, die Zusammenarbeit mit dem Forst und den Jägern sei sehr gut gewesen, betont Julia Heidtke.

Forstbetriebsleiter Martin Eggert erklärt, dass außerdem im Bereich des Staatswaldes nur noch mit bleifreier Munition geschossen werden dürfe: "Die Seeadler fressen ja auch Aas. Und wenn da der Rest der Munition drin ist, können die eine Bleivergiftung bekommen". Seeadler hätten eine besonders aggressive Magensäure, so dass sie das Blei aufnehmen könnten.

Um dem Stamm der Esche ist außerdem eine Blechmanschette angebracht, zum Schutz vor Biber oder Waschbären. Die könnten, sind die Alttiere nicht da, das Nest ausräumen, sagt Harald Böck. Mit dem Seeadler hat der Biber übrigens wieder einen natürlichen Feind bekommen. Zumindest junge Biber stehen durchaus auf dem Speiseplan des Seeadlers, außerdem Fische, ob lebendig oder tot, oder Wasservögel.

Jungvögel suchen sich eigenes Revier

Das ist auch mit der Grund, warum der Seeadler früher gejagt und fast ausgerottet wurde. Langsam erholt sich die Population allerdings ein wenig: Gab es im Jahr 2005 laut dem Bayerischen Brutatlas nur fünf Paare, sind es heuer bereits 25. Die beiden Jungvögel im Landkreis Dillingen werden ihre Eltern bald verlassen und sich ein eigenes Revier suchen. Um verfolgen zu können, wo das sein wird, wurden die Tiere im Mai beringt. Die Alttiere werden hier zusammen im Auwald bleiben, sie sind monogam. Vielleicht werden sie dann nächstes Jahr wieder erfolgreich brüten.

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