Die Angeklagten mit ihren Verteidigern im Gerichtssaal, im Hintergrund Justizbeamte.
Bildrechte: BR24/Henry Lai

Die Angeklagten mit ihren Verteidigern im Gerichtssaal, im Hintergrund Justizbeamte.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Schnelle Autos, krumme Geschäfte: Aussagen im Fall Alexandra R.

In dem Indizienprozess um die vermisste Alexandra R. aus Nürnberg haben mehrere Zeugen aus dem Umfeld des angeklagten Dejan B. ausgesagt. Dabei ging es um die Geschäfte des 51-Jährigen, seinen großzügigen Lebensstil und missbrauchtes Vertrauen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Im Mordprozess um die im Dezember 2022 verschwundene Alexandra R. aus Nürnberg sind am heutigen Prozesstag einige Menschen aus dem Umfeld des angeklagten Dejan B. gehört worden. Dabei erhoffte sich das Gericht, mehr über das Leben des Mannes zu erfahren, dem vorgeworfen wird, zusammen mit einem Freund, seine ehemalige Partnerin umgebracht zu haben. Die Leiche der Frau ist bis jetzt nicht gefunden worden. Alexandra R. war zum Zeitpunkt ihres Verschwindens schwanger.

Nachbar berichtet von plötzlichem Wandel des Angeklagten

Es sei ein ungewöhnlicher Anblick gewesen im Dezember 2022, berichtet der ehemalige Nachbar von Dejan B. aus Rengersricht in der Oberpfalz vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth: Der sonst so schick gekleidete Geschäftsmann habe von einem Tag auf den anderen Hemd und Sakko gegen einen Jogginganzug eingetauscht. Zudem sei der Angeklagte im Fall Alexandra R. nicht wie üblich im Jaguar oder Audi unterwegs gewesen, stattdessen in einem Twingo. Eine ganze Weile ging das so.

"Das habe ich dann gleich meiner Frau erzählt", berichtet der Zeuge. "Das kam uns schon sehr komisch vor." Dejan B. habe einen großen Fuhrpark gehabt, der Twingo habe ebenso wenig ins Bild gepasst wie der schlichte Kleidungsstil. "Er hat sonst immer einen auf Geschäftsmann gemacht." Ansonsten habe ihr Nachbar sehr zurückgezogen gelebt, gemeinsam mit seiner vermeintlichen Lebensgefährtin Nicoletta H.

Geldanlage ging nach hinten los: Paar vertraute dem Angeklagten

Ein Mann aus der erweiterten Verwandtschaft erzählt in seiner Aussage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, er kenne Dejan B. bereits seit den frühen 2000er Jahren. Man habe sich regelmäßig bei Familienfeiern gesehen, "gesprochen haben wir aber erstaunlich wenig." Der Angeklagte sei seit jeher der Partner von Nicoletta H., allerdings sei die Beziehung "schwer greifbar" gewesen, etwas "nebulös". Ob Liebespaar oder reine Zweckgemeinschaft, da habe man sich nie so richtig sicher sein können.

Nicoletta H. möchte derzeit nicht vor Gericht aussagen. Als angeblich Verlobte von Dejan B. habe sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Von Hochzeitsplänen der beiden habe der Zeuge in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nie gehört, sagt er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters.

Allerdings sei das Verhältnis auch stark belastet gewesen. Der Zeuge und seine Frau, die Großcousine von Nicoletta H., hätten Dejan B. bereits im Jahr 2005 eine Summe in Höhe von 37.000 Euro übergeben, um diese gewinnbringend für sie anzulegen. Sie hätten ihm "voll vertraut", schließlich habe er sie zuvor bei einem Immobilienkauf erfolgreich unterstützt.

Das Geld, Eigenkapital für einen Hausbau, hat das Paar im Nachhinein nie wieder gesehen. Stattdessen, so berichtet es der Zeuge, musste ein neuer Kredit aufgenommen und Aktien verkauft werden, um Verbindlichkeiten nachkommen zu können. Übriggeblieben ist lediglich ein notariell beglaubigter Schuldtitel, anerkannt von Dejan B., über rund 80.000 Euro. Ein Vollstreckungsversuch vor etwa drei Jahren sei fehlgeschlagen, so der Zeuge. Dejan B. sei offiziell mittellos. Von seinen schnellen sowie teuren Autos habe er nichts gewusst.

Eine Hand wäscht die andere: Wenn Freunde Firmen gründen

Zwei weitere Zeugen berichten aus der Welt des Geschäftsmannes Dejan B. Dabei geht es um Immobilienfirmen, die der 51-Jährige zwar gelenkt haben soll, auf dem Papier stand er aber eher selten. Stattdessen hielten andere als Gesellschafter und Geschäftsführer den Kopf hin. Einen der Zeugen, einen russischen Buchhalter, soll Dejan B. bei einem Immobilienprojekt in Erfurt angestellt haben. Statt sich um die Zahlen der Firma zu kümmern, musste der Mann jedoch Baumarkteinkäufe und Reparaturen managen, als Mini-Jobber für 150 Euro im Monat.

Der andere Zeuge, ein Geschäftsmann aus Zirndorf im Landkreis Fürth, bezeichnet Dejan B. in seiner Aussage als "guten Freund". Die beiden hätten sich vor ungefähr 15 Jahren in einer Diskothek kennengelernt, wo der Zeuge als Türsteher arbeitete. Der Angeklagte habe ihm geholfen, seine Wohnung zu sanieren. Im Gegenzug gründete der Mann eine GmbH, um mit seinem neuen Freund und Geschäftspartner ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Ein Haus in der Nähe von Coburg habe man gekauft, renoviert und gewinnbringend verkauft. Danach war Schluss. Die Firma sowie eine weitere GmbH habe der Mann Dejan B. für einen symbolischen Preis von je 100 Euro vermacht, um sich beruflich anderweitig zu orientieren.

Nicoletta H., die Partnerin des Angeklagten, kenne er gut. Alexandra R. hingegen habe er nur zweimal bei offiziellen Geschäftsterminen gesehen. Zwar habe der Zeuge vom gemeinsamen Pflegekind von Alexandra R. und Dejan B. gewusst. Wie dieses Arrangement mit der Beziehung zwischen dem Angeklagten und Nicoletta H. zusammenpasse, habe er aber nicht hinterfragt. "Das geht mich nichts an", so das nüchterne Statement des Geschäftsmanns.

Der Mordprozess ohne Leiche wird fortgesetzt. Vermutlich im Juli dieses Jahres soll ein Urteil gegen die beiden Angeklagten fallen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!