Frisch geschlachtete Schweine in der Schlachthof Betriebs GmbH Fürth
Bildrechte: Mona Böhm / BR

Bayerische Schlachthöfe stehen zunehmend in der Kritik.

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Schlachtbranche in Bayern: Wie marode ist das System?

Kein anderes Bundesland hat eine so kleinteilige Schlachtstruktur wie der Freistaat. Doch die finanzielle Belastung für kleinere Betriebe steigt, zugleich haben die Skandale der letzten Wochen das Vertrauen erschüttert. Ist das System noch tragfähig?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Eine "intakte Schlachtstruktur, um die uns andere Bundesländer beneiden" – mit diesen Worten lobte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) noch im Juni das bayerische Schlachtsystem mit seinen vielen kleinen Schlachtbetrieben und selbst schlachtenden Metzgereien. In keinem anderen Bundesland gibt es noch so viele regionale Schlachtbetriebe. Die mutmaßlichen Tierschutzverletzungen, die jetzt in Schlachthöfen in Aschaffenburg und im Landkreis Miltenberg offenbar wurden, haben das Vertrauen aber erschüttert und die Frage aufgeworfen, wie tragfähig das bayerische System ist.

1.600 Schlachtbetriebe im Freistaat: Deutschlandweit einmalig

Laut Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt es im Freistaat aktuell rund 1.600 Schlachtbetriebe. Bei der weit überwiegenden Zahl davon handelt es sich um kleine handwerkliche Schlachtstätten. Eng verwoben mit diesen Schlachtbetrieben sind zudem die Handwerksmetzgereien, die nur durch die regionale Zulieferung frisch produzieren können, betont Konrad Ammon, Landesinnungsmeister des Bayerischen Fleischerverbands. Mit rund 3.000 Handwerksmetzgereien befinde sich jede vierte der deutschen Handwerksmetzgereien im Freistaat, so Ammon. Doch die Zahl an selbst schlachtenden Betrieben habe stark abgenommen, insbesondere mit der Einführung des EU-Hygienepakets im Jahr 2010. Erst seitdem ist eine offizielle Zulassung auch für kleinere Betriebe und Hausschlachtungen nötig.

Fleischerverband Bayern: Kleinteiligkeit muss erhalten werden

Durch die publik gewordenen Tierschutzverletzungen hat sich der Druck von außen nun zusätzlich erhöht. Zuvor waren vor allem große Schlachtbetriebe wie Tönnies immer wieder in Kritik geraten. Doch nach der Schließung eines kleinen Schlachtbetriebs in Unterfranken, der kranke Tiere geschlachtet haben soll, wurde jetzt plötzlich auch die Frage aufgeworfen, inwiefern Kontrollmaßnahmen in kleineren Betrieben effektiv greifen können.

Große Schlachthöfe in Bayern sind beispielsweise der Schlacht- und Viehhof in München, die Allgäu Fleisch GmbH in Kempten sowie der Rinderschlachthof Waldkraiburg. Diese sind oft abhängig von Großkunden wie Tönnies und Vion, um ihre Erzeugnisse zu vermarkten. Eine Konzentration auf große Schlachthöfe sei aber keine Lösung, betont Ammon. Je mehr Schlachtstätten schließen müssten, desto weiter würden die Transportwege, was mit mehr Stress für die Schlachttiere und einer erhöhten Umweltbelastung einhergeht. "Die Kleinteiligkeit, die wir hier in Bayern haben, die gilt es unbedingt zu erhalten", so Ammon.

Steigende Kosten und Bürokratie: Betriebe zunehmend unter Druck

Doch durch steigende Kosten für Energie und Personal haben gerade kleine Betriebe aktuell finanziell zu kämpfen. Hinzu kommt ein hoher Bürokratieaufwand, den Metzgereien mit Hausschlachtung genauso stemmen müssen wie große Fleischkonzerne. Rund 4.700 Seiten Gesetzestext und Hygienevorschriften müsse man im Metzgerhandwerk beachten, so Ammon. Diese Bürokratie müsse dringend reduziert werden.

Zudem rechnen sich Ausstattungskosten bei einer geringen Auslastung weniger, betont Metzger Josef Eck von der Metzgerei Heigel-Eck im unterfränkischen Landkreis Miltenberg. Der kleine Schlachtbetrieb schlachtet an zwei Tagen pro Woche für den Eigenverkauf und einige umliegenden Metzgereien. An den anderen Tagen könnten Schlachträumlichkeiten und Maschinen nicht anderweitig verwendet werden, so Eck, während große Betriebe von einer vollen Auslastung ihrer Arbeitsmittel profitieren.

Freistaat beschließt Entlastung bei Fleischhygienegebühren

Das bayerische Umweltministerium betont, den Erhalt regionaler Strukturen im Schlachtbereich daher stützen zu wollen. Einen Anfang soll die Neuordnung der Fleischhygienegebühren machen, die im Juni auf den Weg gebracht wurde. Damit sollen insbesondere kleine Betriebe bei den Kosten für die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen entlastet werden. Ein amtlicher Tierarzt oder Fleischkontrolleur muss vor einer Schlachtung jedes Tier untersuchen und danach das Fleisch prüfen. Die Kosten hierfür wurden bislang aufwandsbezogen erhoben, was im Schnitt für kleine Betriebe deutlich höhere Ausgaben pro Tier zur Folge hatte. Laut einer Aufstellung des bayerischen Fleischerverbands zahlen industrielle Großbetriebe Beträge im Cent-Bereich, während in kleinen Betrieben die Kosten bei bis zu 28 Euro pro Schwein liegen. Mit der Neuordnung sollen der Betrag nun bei 7 Euro pro Schwein und 14 Euro pro Rind gedeckelt werden.

Gebührendeckel: Die Unsicherheit bleibt

Von der Neuregelung würden somit alle Schlachtstätten mit kleineren Durchlaufzahlen profitieren, was rund 95 Prozent der bayerischen Betriebe ausmacht. Laut Svenja Fries vom Landesinnungsverband für das bayerische Fleischerhandwerk ist das eine enorme Entlastung. Dabei gehe es nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern auch um das Zeichen, dass kleine Schlachtbetriebe von der Politik noch gewollt seien, so Fries.

Zumindest, wenn es jetzt wirklich Anwendung findet. Denn das Gesetz wurde zwar vom Bayerischen Landtag zum 1. Juli verabschiedet. Gültig wird es aber erst mit Zustimmung der EU-Kommission. "Das lässt alle Metzger jetzt natürlich im Unsicheren", so Fries. Man gehe davon aus, dass die Gebühren ab dem 1. Juli auch rückwirkend erstattet werden. Falls nicht, könnte das Schlachtbetriebe, die mit den Geldern rechnen, in große Schwierigkeiten bringen.

Kamerapflicht auch in kleinen Schlachtbetrieben?

Zudem bleibt nach den Schlachthof-Skandalen die Frage nach effektiveren Kontrollmechanismen, die auch auf die kleinen Schlachtstätten zukommen könnten. Das bayerische Verbraucherschutzministerium unterstützt in diesem Zusammenhang die Ermöglichung einer permanenten Videoüberwachung des Schlachtprozesses. Der Bund arbeitet aktuell an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage.

Der bayerische Fleischerverband unterstütze ein solches Vorhaben für Betriebe ab einer gewissen Größenordnung, so Landesinnungsmeister Konrad Ammon. In seinem eigenen Schlachthof, der Schlachthof Betriebs GmbH in Fürth, betreibe er 16 Kameras, erzählt Ammon. Aufnahmen würden 18 Monate gespeichert. Auch für die interne Qualitätssicherung sei das von Vorteil. Für kleine Betriebe sollten jedoch nach Ansicht des Fleischerverbands andere Maßnahmen gefunden werden. Erneute Investitionspflichten ohne eine entsprechende Förderung könnten den finanziellen Druck für kleine Schlachtstätten weiter verstärken.

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