Innerhalb der letzten 150 Jahre sind drei von vier Gemüsesorten für immer aus unseren Gärten verschwunden. Das hat eine Studie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im April 2018 ergeben. Doch immer mehr wollen etwas dagegen tun. Auch in Karlstadt: Dort hat die Stadtbibliothek nach einjähriger Vorbereitung jetzt eine Saatgut-Bibliothek eröffnet. So will sie dazu beitragen, die Saatgutvielfalt für die Nachkommen zu erhalten und weiter zu vervielfältigen.
Kostenloses Saatgut für alle
Ab sofort können Interessierte – und nicht nur Bibliotheksbesucher mit Nutzerpass - Saatgut mit nach Hause nehmen und dort aussäen, hegen und pflegen. "Nach der Ernte werden sie hoffentlich wieder einen kleinen Teil des Saatgutes zurückgeben, um den Kreislauf zu erhalten", wünscht sich Bibliotheksleiterin Sina Köhlnhofer.
Als Bibliothek sei es die Grundaufgabe, niederschwelligen Zugang zu Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen will das Büchereiteam mit der Saatgut-Bibliothek weiterdenken, da ihm die Themen Nachhaltigkeit, Vielfalt und Artenschutz sehr wichtig sind. Deshalb ist das Medienangebot der Stadtbibliothek um eine Tauschbörse für Saatgut erweitert worden.
Alte Sorten statt Hybridsaatgut
Ziel der Saatgut-Bibliothek ist der Erhalt alter Sorten. Daher sollen auch keine Hybride, also Züchtungen, Einzug erhalten. Denn anders als modernes Hybridsaatgut lassen sich die alten samenfesten Sorten immer wieder selbst nachziehen. Die Stadtbibliothek hat den Fokus auf Gemüsepflanzen gerichtet. Das zur Verfügung stehende Saatgut stammt aus Spenden und dem Kauf von Saaten biozertifizierter Firmen.
Insgesamt sind 330 Saatgut-Tüten gepackt worden - mit zwölf verschiedenen Blumensorten, drei Sorten Zierkürbissen, fünf Sorten Kräutern und über 200 Tüten mit verschiedenen Gemüsesorten – allein zwölf verschiedene Tomaten-, sechs Salat- und 47 weitere Gemüsesorten wie etwa Radieschen, Rüben, Kohlrabi, Stangen- und Buschbohnen. Die Tütchen sind auf zwei Stück pro Person limitiert.
Wiederbelebung weiterer alter Sorten
Um das Projekt hat sich Mitarbeiterin Brigitte Bayer gekümmert. Sie hofft, dass vielleicht das eine oder andere Saatgut-Körnchen in einer Schublade und eine alte Sorte zuhause auch in Karlstadt bei Gartenfreunden schlummert und wiederbelebt werden kann: "Das wäre unser Ziel und damit auch ein kleiner Beitrag zur Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030." Bei zumindest einer Teil-Rückgabe der erfolgreichen Saatgut-Ernte im Herbst sei es dann wichtig, immer die exakte Sortenbezeichnung anzugeben.
Erste Pflänzchen für die Stadtbibliothek
Zum Gelingen des Projekts beigetragen haben Kinder der Mittagsbetreuung Karlstadt und der Grundschule Himmelstadt, die Saatgut-Tütchen ausgeschnitten und geklebt haben, zahlreiche Hobbygärtnerinnen und Saatgut-Spender im letzten Herbst und diejenigen, die nun engagiert das Saatgut aussäen, die Pflanzen pflegen und ernten.
Außerdem wurde der Medienbestand der Bücherei zu diesem Themenbereich aufgestockt, so dass auch Gartenneulinge erfolgreich ins Thema starten können. Das eine oder andere Pflänzchen wird aktuell bereits gezogen für die Auspflanzung ab Mitte/Ende Mai in Hochbeeten im Innenhof der Stadtbibliothek. Dann können die Bibliotheksbesucher im Sommer vielleicht schon die Ernte naschen.
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