Mit Hammer und Meißel halten 15 Steinmetze den Regensburger Dom in Schuss.
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Benjamin Klein und seine Kollegen halten mit Hammer und Meißel den Regensburger Dom in Schuss.

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Rütteln, Hauen, Formen: 100 Jahre Staatliche Dombauhütte

Wegen des schlechten Zustands des Regensburger Doms hat der Freistaat vor 100 Jahren die erste bayerische Dombauhütte errichtet. Seither hat sich die Arbeit kaum verändert. Nur mit Hammer und Meißel halten 15 Steinmetze das gotische Bauwerk in Stand.

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Ein Lastenaufzug bringt Matthias Baumüller hinauf auf die rund 105 Meter hohen Türme des Regensburger Doms. Der südliche Turm ist mit einem Gerüst eingehüllt, über das der Leiter der staatlichen Dombauhütte fast jeden Stein erreicht.

Auf seinem Weg rüttelt Baumüller an jedem Stein. "Wir müssen schauen, wie die Standfestigkeit der Teile ist", erklärt er. Und tatsächlich: Einige Steine sind zwar nicht lose, bewegen sich aber, wenn der Dombaumeister an ihnen rüttelt. "Das hat sich gelockert, das müssen wir demontieren und neu versetzen."

Witterung und Luftverschmutzung setzen Dom zu

Matthias Baumüller steht vor den gleichen Problemen wie die Steinmetze vor 100 Jahren. Schon damals haben Witterung und Luftverschmutzung dem gotischen Gebäude zugesetzt. Ein Expertenrat des Bayerischen Kultusministeriums hatte daher dringend empfohlen, in Regensburg die erste bayerische Dombauhütte zu etablieren, wegen der massiven Schäden am mittelalterlichen Bauwerk.

Der Freistaat Bayern, dem der Dom gehört, folgte am 8. November 1923 der Empfehlung. Was vorher nur sporadisch verbessert wurde, lag nun in staatlicher Hand. Später wurden auch in Bamberg und Passau "Dompflegestätten" gegründet.

Arbeitsmethoden wie im Mittelalter

Die Arbeitsweise hat sich seither kaum verändert. Auch heute stehen Steinmetze wie Denis Friedrich stundenlang in der Dombauhütte und schlagen mit Hammer und Meißel auf Steinquader ein. Dem 39-Jährigen stehen die Schweißperlen auf der Stirn. Kleine Splitter schießen durch die lichtdurchflutete Dombauhütte.

"Wenn ich den grob auf die Maße zugearbeitet habe, kann ich daraus ein Profil raushauen." Seit seiner Lehre vor 22 Jahren steht das am Beginn jeder Skulptur, die der gebürtige Kasache in der Regensburger Dombauhütte anfertigt. "Jeder Stein ist eine Herausforderung und hat so seine Tücken. Wenn ich es schaffe und das Werk am Ende sehe, finde ich das gut."

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Matthias Baumüller auf einem der rund 105 Meter hohen Türme des Regensburger Doms.

Kunsthandwerk nach genauen Vorgaben

Was daraus am Ende entstehen kann, zeigt eine Skulptur, an der Benjamin Klein vor der Dombauhütte arbeitet. Es ist ein Wasserspeier. Er entspringt nicht der Fantasie des Steinmetzes, sondern folgt historischen Vorgaben. Um die genauen Linien der Skulptur herauszuhauen, braucht es vor allem viel Konzentration. Ein falscher Schlag und die Arbeit von einem halben Jahr ist zunichte. "Man sollte nicht irgendwie versuchen kreativ sein eigenes Ding zu machen. Das würde an der Aufgabe vorbeigehen", bezeichnet der 60-Jährige sein Tun. Sein Job sei eben Handwerk.

Dombauhütten: Immaterielles UNESCO-Kulturerbe

Und doch ist die Arbeit der 15 Steinmetze der Regensburger Dombauhütte mehr als ein Handwerksberuf, wie auch Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) feststellt. Zu seinem Ressort gehören die Dombauhütten. Eine Million Euro lässt sich der Freistaat den Unterhalt allein der Regensburger Dombauhütte kosten, die neben einem Archiv auch über eine eigene Schmiede verfügt.

"Die Dombauhütten leisten hervorragende Arbeit, um das kulturelle Erbe der Dome zu bewahren", so Bernreiter. Das sieht auch die UNESCO so, die seit Ende 2020 diese Arbeit mit dem Titel "Immaterielles Kulturerbe" würdigt.

Oberstes Ziel: Erhalt der historischen Substanz

In Regensburg sind die Steinmetze stolz auf ihre Arbeit. Alle Mitarbeiter tragen Kleidung, auf denen der Titel "Regensburger Dombauhütte" aufgestickt ist. Ein Titel, der verpflichtet, wie Dombaumeister Matthias Baumüller erklärt. Und das heißt eben nicht: Aus Alt mach Neu.

"Wir versuchen natürlich in erster Linie zu erhalten", so Baumüller. "Wir tauschen nur da aus, wo die Steine so geschädigt sind, dass man sie sinnvoll nicht mehr restaurieren kann." Bei so vielen Steinen eine Arbeit, die wohl locker noch 100 Jahre dauern wird.

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Denis Friedrich beim Meißeln in der Werkstatt.

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