Bildrechte: picture alliance / ZUMAPRESS.com | La Nacion

An mehreren Orten in Schwaben haben nicht angeleinte Hunde Rehe gehetzt und totgebissen.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Rehe gejagt und getötet: Nicht angeleinte Hunde außer Kontrolle

"Der will nur spielen" oder "Das ist ein ganz Braver": Mit solchen Sätzen unterschätzen Hundehalter, was in ihren Tieren stecken kann. An mehreren Orten in Schwaben haben nicht angeleinte Hunde in den letzten Wochen Rehe gehetzt und totgebissen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Ein ruhiges Wohngebiet, 15 Minuten von Augsburg entfernt. Vögel zwitschern. Alles ist friedlich. An das, was hier vor gut vier Wochen passiert ist, erinnert sich Felix Kuwert nicht gerne. "Ich habe den Anruf bekommen, dass hier ein Reh gehetzt wird. Als ich hier ankam und das Reh auch gefunden hatte, musste ich feststellen, dass dieses Reh von hinten nach vorne totgebissen wurde. Es hatte am ganzen Leib Löcher, durch die Zähne des Hundes", sagt der 34-Jährige. Der Jäger ist frustriert: "Das ist jetzt dieses Jahr schon zum dritten Mal in unserem Jagdgebiet rund um Diedorf passiert." Auch in anderen Teilen von Schwaben gab es ähnliche Fälle: Im Ries konnten DNA-Proben zeigen, dass tote Schafe von einem Hund und nicht wie angenommen einem Wolf gerissen wurden. Auch in Türkheim im Unterallgäu hat ein nicht angeleinter Hund Anfang Mai ein trächtiges Reh totgebissen.

Schockierender Anblick

Zurück nach Anhausen, einem Ortsteil von Diedorf im Landkreis Augsburg. Auf seinem Handy zeigt Felix Kuwert Fotos des totgebissenen Rehs und senkt den Blick. Das Reh war trächtig und selbst für ihn als Jäger ist der Anblick schockierend. Zu sehen ist ein blutüberströmtes Tier. Es liegt verdreht in einer Garageneinfahrt. Überall sind Bissspuren. Sie stammen von einem Schäferhund, der beim Gassigehen nicht an der Leine war.

Alles live miterlebt hat Vanessa Hafner. Sie wohnt in der Straße und kam gerade nach Hause. "Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich nur daran denke", sagt sie. Aus ihrem Garten sei ihr ein Schäferhund in einem unglaublichen Tempo entgegengerannt. "Ich hatte erst mal Angst und dachte, wo ist wohl der Besitzer?" Den entdeckte sie weiter unten auf einem Weg. Er habe immer wieder laut nach seinem Hund gerufen. Vergeblich, wie Vanessa Hafner sagt: "Der Hund war wie gestört. Der raste immer wieder durch den Garten und zurück auf das angrenzende Feld. Und dann hab ich das live gesehen, wie der Hund das Reh gerissen hat."

Jäger fordert Hundeführerschein

Vanessa Hafner habe nur noch die Augen zumachen können und war froh, dass Jäger Felix Kuwert sofort da war. Er wurde vom zuständigen Jagdpächter informiert. Der 34-Jährige ist viel in der Natur unterwegs und ihn nerven Sätze wie "Der macht nichts!" oder "Das hat er noch nie gemacht!". Er sieht die Hundehalter ganz klar in der Pflicht: "Ich bin für einen Hundeführerschein, weil ich der Auffassung bin, dass man sich dann mit dem Thema befassen muss. Einen Hund zu kaufen ist einfach, ihn vernünftig auszubilden und abzurichten, ist sehr viel schwieriger."

Ihm ist wichtig zu betonen, dass viele Menschen ihr Tiere auch gut erziehen würden und viele hielten sich gerade auch in der momentanen Brut- und Setzzeit daran, ihre Tiere nicht ohne Leine laufen zu lassen. "Die schwarzen Schafe halten sich aber hartnäckig", sagt er.

Keine generelle Leinenpflicht in Bayern

Eine generelle Leinenpflicht gibt es in Bayern nicht. Es gelten jeweils die Verordnungen, die Städte und Gemeinden erlassen. Auch für Jagdgebiete gibt es Vorschriften. Hundehalter müssen ihre Tiere dort unter Kontrolle haben. Laut Pressestelle der Polizei Schwaben Süd-West heißt das aber nicht, dass der Hund an der Leine sein muss. "Rennt der Hund aber weg und wildert, befindet er sich außerhalb des Einwirkungsbereichs des Halters, und das kann eine Anzeige zur Folge haben", sagt eine Sprecherin. Das gelte übrigens auch, wenn der Hund in einem Jagdrevier unbeaufsichtigt laufe und keinen Schaden anrichte.

Wie hoch das Bußgeld ist, entscheiden als Verfolgungsbehörden die jeweiligen Landratsämter. Eine Sprecherin des Landratsamtes Unterallgäu sagte dem BR-Studio Landsberg-Mindelheim, dies könne bis zu 1.000 Euro betragen. Für das totgebissene Reh in Anhausen hat der Hundehalter eine Anzeige bekommen. Diese wird, laut Polizei, jetzt an das Landratsamt Augsburg weitergeleitet. Zudem hat der Jagdpächter eine Schadenersatzforderung von rund 600 gestellt, die der Hundehalter zahlen muss.

Hunde brauchen Erziehung

Tanja Rößler aus Türkheim im Unterallgäu kennt das Vorurteil, dass Hunde freilaufen müssen. Sie hat eine Praxis für Hundetraining, Tierphysiotherapie und Ernährungsberatung und sagt: "Ein Hund kann auch an der Leine glücklich sein." Die meisten Hunde, die rausgehen und machen dürften, was sie wollen, seien dadurch auch nicht ausgelastet, sagt die 34-Jährige und erklärt: "Eine halbe Stunde Kopftraining mit Tricks kann auch einen langen Spaziergang ersetzen. Und das funktioniert auch wunderbar mit Leine." Ihr Hund Dix tippelt auf dem Feldweg bei Türkheim neben ihr her. Er läuft durch ihre Beine durch, macht auf Kommando immer wieder Sitz und Platz. Wedelt glücklich mit dem Schwanz.

Hunde dürfen auch mal freilaufen, sagt sie, "dann müssen sich die Besitzer aber sicher sein, den Hund unter Kontrolle zu haben." Gut eineinhalb Jahre braucht es, bis Hunde gut erzogen sind. Und dann heißt es, immer weiter dranbleiben, sagt die Hunde-Expertin. Für Tanja Rößler ist klar: "Mit ihren Hundeblicken sind sie super süß, aber sie sind nun mal Beutegreifer, und wenn sie nicht gelernt haben, nicht zu jagen, dann werden sie es tun."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!