Statue von Reformator Martin Luther.
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Vor über 500 Jahren reformierte Martin Luther die katholische Kirche. Auch heute steht die evangelische Kirche vor großen Umbrüchen.

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Reformation 2.0: Muss sich die Kirche anbiedern?

Am 31. Oktober erinnern evangelische Christen an die Reformation durch Martin Luther. Auch heute steht die evangelische Kirche wieder vor großen Umbrüchen: Wie reagiert man auf hohe Austrittszahlen und eine schwindende gesellschaftliche Relevanz?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Am 31. Oktober begehen die evangelischen Christen den Reformationstag. Sie erinnern also daran, wie Martin Luther vor über 500 Jahren die Kirche radikal verändert hat. Auch heute steht die Kirche wieder vor radikalen Veränderungen: Denn die Mitgliederzahlen sinken, die gesellschaftliche Relevanz nimmt ab. Und so denkt die Kirche heute wieder über Reformen nach.

Wie funktioniert Kirche ohne festen Ort?

Die evangelische Religionspädagogin Stine Hassing trifft man nicht im Pfarrbüro. Sie klappt in einer Stadtteil-Bücherei in Würzburg ihren Laptop auf und stellt ein Schild vor sich auf den Tisch. "Ansprechbar" steht in geschwungener Schrift darauf.

"Kirche muss nicht immer ein Gebäude sein, müssen nicht immer Mauern sein, das können auch Menschen sein, die den gleichen Geist haben und den Gedanken haben und irgendwie Gemeinschaft haben wollen. Das ist das Ziel von Kirche am Hubland, wir wollen Gemeinschaft bauen, Menschen zusammenbringen und ein gutes Miteinander stiften", sagt Stine Hassing.

MUT-Projekt: Reforminitiative der evangelischen Kirche

Aber wie kann Kirche ohne festen Ort funktionieren? Stine Hassing organisiert Schatzsuchen für Kinder, hat eine Zuhörerbank aufgestellt, nimmt regelmäßig einen Podcast zu Fragen rund um Gott und die Welt auf. Ihre "Kirche am Hubland" ist Teil des sogenannten MUT-Projekts der Landeskirche. "MUT" steht für "missional", "unkonventionell", "tandem", also in Kooperation mit anderen kirchlichen oder gesellschaftlichen Partnern.

Der Referent für Gemeindeentwicklung, Michael Wolf, koordiniert die Projekte innerhalb der Landeskirche: "Wir merken, dass vieles abbricht. Dass vieles nicht mehr so funktioniert, wie das über Jahrzehnte funktioniert hat. Da braucht es neue Ideen, neue Formen, neue Ansätze."

Kritik: Nicht anbiedern, eigene Inhalte in den Vordergrund stellen

Ein Gebetshaus und Vorlesenachmittage, Pilgern durch Streuobst-Wiesen und Cocktail-Mixen an der Skaterbahn, gemeinsames Singen am Münchner Flughafen und Urban Gardening: Sieht so die Kirche der Zukunft aus? Der Politikberater und Publizist Erik Flügge hat da Zweifel und kritisiert einen "Denkfehler": Solche Angebote seien zwar attraktiv, dadurch würden aber keine christlichen Inhalte gestärkt. Er würde den Kirchen raten, in die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Botschaften zu gehen, "anstatt den Versuch der Anbiederung zu unternehmen".

Angebote für Menschen, die "auch ohne Kirche leben" können

In Würzburg auf dem Hubland setzt Stine Hassing dennoch auf Kooperationen: Zusammen mit der Bibliothek und der städtischen Familienarbeit organisiert sie Vorlese- und Bastelnachmittage. "Ich glaube, dass die Menschen, die hier leben, auch ohne Kirche leben könnten", sagt Hassing. Deshalb setzt sie auf gemeinsame Angebote "mit verschiedenen Menschen, mit verschiedenen Institutionen, mit denen man uns als Kirche gar nicht verbindet ".

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