Ein Demonstrant hält ein mit der Hand bemaltes Schild in die Kamera auf der der Slogan: "Rassismus ist keine Alternative" steht. Er steht in einer Gruppe von Demonstrantinnen und Demonstranten zum Internationalen Tag gegen Rassismus
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Demonstrantinnen und Demonstranten beim Internationalen Tag gegen Rassismus

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Rassistische Gewalt in Bayern: Was Opferberater beobachten

Täglich werden Menschen in Deutschland Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Erstmals gibt es jetzt ein unabhängiges Monitoring der Opferberatungsstellen in Bayern. Die Fallzahlen sind aber nur die Spitze des Eisbergs.

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Die Täter sind manchmal ganz in der Nähe, sind Nachbarinnen und Nachbarn. Anja Spiegler von der Münchner Opferberatungsstelle "Before e.V". schildert einen exemplarischen Fall aus der Beratung: Eine Familie in München werde beispielsweise seit über einem Jahr von einem Nachbarn bedroht und beleidigt. Es komme zu Sachbeschädigungen und die Kinder würden mit rassistischen Bemerkungen eingeschüchtert.

"Das hat massive Auswirkungen auf die ganze Familie", betont Spiegler, "die Kinder trauen sich nicht mehr vor die Tür, nicht mehr, den Spielplatz zu benutzen. Jeden Morgen muss man darüber nachdenken, wenn ich jetzt die Haustür verlasse auf dem Weg zur Schule: Welchen Weg gehe ich? Könnte ich dort dem Nachbarn begegnen?"

Zunehmend sind Kinder und Jugendliche betroffen

63 Gewaltdelikte zählte Before e.V. im vergangenen Jahr allein in München. Es handelt sich um Delikte wie Bedrohung, Nötigung und Körperverletzung. Das häufigste Motiv: Rassismus und an zweiter Stelle Antisemitismus. Zunehmend seien auch Kinder und Jugendliche betroffen, so die Erfahrung von Opfer-Beraterin Spiegler.

Beratungsstellen-Fallzahl höher als Zahlen des Innenministeriums

Für ganz Bayern wurden im vergangenen Jahr insgesamt 188 rechte, rassistische oder antisemitische Angriffe von den Opfer-Beratungsstellen registriert, davon 104 Gewalttaten. Diese reichen von einfacher über gefährliche Körperverletzung bis hin zum versuchten und einem vollendeten Mord.

Die Zahlen der Beratungsstellen sind doppelt so hoch wie die des bayerischen Innenministeriums. Sie fließen in eine bundesweite Erhebung des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) ein, die am Dienstagvormittag in Berlin bekannt gegeben werden.

Hohe Dunkelziffer bei rechten Gewalttaten

Die Fallzahlen seien trotzdem nur die Spitze des Eisbergs, sagt Heike Kleffner vom VBRG: "Alle Zahlen, die wir zum Ausmaß rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt haben - sowohl bei den Opferberatungsstellen, als auch bei der Polizei - spiegeln lediglich einen Ausschnitt aus der Realität von gewalttätigem Rassismus und Antisemitismus wider."

Das Kriminaltechnische Institut (KTI) des BKA sowie die EU-Grundrechteagentur hätten ausführliche Studien zum sogenannten Dunkelfeld erhoben, so Kleffner: "Mindestens ein Drittel der Menschen, die im letzten Jahr rassistische Gewalt oder antisemitische Angriffe erlebt haben, haben ihre Erfahrungen gar nicht erst zur Anzeige gebracht."

Rechte Gewalt bis hin zum Mord

Selbst wenn die Taten angezeigt werden, wird der politische Hintergrund von der Polizei manchmal nicht anerkannt. Damit fließen die Taten nicht als solche in die Statistiken ein. So zählt zum Beispiel die Opferberatungsstelle B.U.D. im vergangenen Jahr auch den Mord eines radikalisierten Impfgegners zu den rechts-motivierten Taten in Bayern.

Bei zwei Mordversuchen überlebten die beiden Opfer nur knapp. In einem Fall stieß ein 28-Jähriger einen 20-jährigen Syrer von der Steinernen Brücke in Regensburg. Der mutmaßliche Täter ist offenbar psychisch krank, beging die Tat aber mutmaßlich aus rassistischen Motiven.

Täter fühlen sich durch rechte Diskurse legitimiert

Bei rechter Gewalt ginge es immer darum, eine politische Botschaft auszusenden, so Ruby Parker von der Beratungsstelle B.U.D., die Opfer in ganz Bayern berät. "Grundsätzlich zeigt die Erfahrung der Betroffenen-Beratungsstellen bundesweit aus den letzten 30 Jahren, dass rechten, rassistischen und antisemitischen Gewalttaten immer entsprechend rechte Diskurse und Hetze in Politik und Medien vorangegangen sind", sagt Parker, "es ist also in Anbetracht des politischen Diskurses und der Wahlerfolge der AfD nicht verwunderlich, dass die Tendenz steigend ist."

Die Täter fühlten sich durch aktuelle Diskurse legitimiert. Die Opfer werden in einem solchen gesellschaftlichen Klima oftmals ein zweites Mal zum Opfer, weil Umstehende wegschauen. Auch das ist ein Grund, warum die Beratungsstellen auf die steigende Zahl der Gewalttaten aufmerksam machen wollen.

Wie sich die Zahl der rechten Gewalttaten im vergangenen Jahr bundesweit entwickelt hat, geben die Opferberatungsstellen am Vormittag in Berlin bekannt.

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