Medizinisches Personal zieht eine Spritze auf.
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Hat der medikamentenabhängige Anästhesist für sich und seine Patienten die gleiche Spritze verwendet? Das soll nun geklärt werden (Symbolbild)

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Prozess: Wie konnte ein Arzt Menschen mit Hepatitis anstecken?

Ein medikamentenabhängiger Arzt soll am Donauwörther Krankenhaus über 50 Patientinnen und Patienten mit Hepatitis C infiziert haben. Die Frage ist: Wie genau kam es zu den Infektionen? Das soll vor Gericht geklärt werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Über 50 Menschen soll der Mediziner mit Hepatitis C infiziert haben. Doch wie genau das passierte, das ist immer noch unklar. Hepatitis wird durch Blut übertragen. Bekannt ist, dass der Anästhesist medikamentenabhängig war und sich an Narkosemitteln bedient hatte, die für Patienten bestimmt waren. Das bestätigt sein Anwalt. Ob der Arzt dafür dann ein und dieselbe Spritze benutzt hat, oder wie sein Blut sonst mit dem der Patienten in Berührung kommen konnte - das alles soll nun vor Gericht geklärt werden.

Knapp 1.700 Personen mussten ihr Blut testen lassen

Im Oktober 2018 ging das Donau-Rieser Landratsamt in Absprache mit der Staatsanwaltschaft mit dem Verdacht an die Öffentlichkeit: Weitere potenziell betroffene Patienten, die von dem Arzt behandelt worden waren, sollten gewarnt werden und ihr Blut testen lassen. Eine Auswertung der Operationsberichte im Krankenhaus ergab: Der Arzt war an knapp 1.700 Operationen beteiligt. Alle Patientinnen und Patienten wurden angeschrieben. Die Bluttests ergaben dann: 51 Personen waren Hepatitis-positiv und hatten sich an ein und derselben Quelle infiziert, mutmaßlich dem Narkosearzt. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

Ärzte stärker suchtgefährdet als andere Berufsgruppen

Der Anästhesist hatte sich laut seinem Anwalt wegen einer anderen Erkrankung und um arbeitsfähig zu bleiben selbst Narkosemittel injiziert und war davon abhängig geworden. Das ist keine Seltenheit: Laut der Bundesärztekammer leiden sieben bis acht Prozent der deutschen Ärzte mindestens einmal im Leben an einer Suchterkrankung. Gegen­über ande­ren Berufs­grup­pen seien Ärzte sogar stär­ker sucht­ge­fähr­det. Gründe dafür liegen laut der Ärztekammer in der star­ken Bean­spru­chung durch den Beruf mit einer oft über­durch­schnitt­li­chen Arbeits­be­las­tung, und dem Druck durch die hohe Verant­wor­tung, die der Arzt­be­ruf mit sich bringt.

Das bestätigte auch der Chefanästhesist am Donauwörther Krankenhaus BR24 im Interview im Spätherbst 2018 nach Bekanntwerden der Vorfälle. Abhängigkeiten seien besonders unter Anästhesisten kein seltenes Thema. Wenn man immer zwischen Leben und Tod arbeite, immer 100 Prozent Leistung bringen müsse und keine Fehler machen dürfe, auch spätnachts um drei, wenn man etwa schon seit den frühen Morgenstunden im Dienst sei, dann sei das eine Belastung, die anfällig mache "für Alkohol und solche Dinge". Ihm sei damals aber nichts aufgefallen, er könne sich auch nicht erklären, wie der Arzt an die Mittel gekommen sei, so der Chefanästhesist.

Hepatitis C in den meisten Fällen heilbar

Für die Betroffenen war die Nachricht, im Krankenhaus infiziert worden zu sein, zwar ein Schock, sie brachte aber auch Klarheit. Bei einigen war die Infektion bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Arzt erkannt worden. Sie hatten sich gefragt, woher sie das Virus hätten. Ein Mann sagte BR24 damals, seine Frau habe schon gefragt, ob er fremdgegangen sei. Vor der Diagnose war wegen der schlechten Leberwerte gar eine Aidserkrankung vermutet worden. Er war dann froh gewesen, als er zumindest wusste, wo er mutmaßlich angesteckt wurde. Seit einigen Jahren ist Hepatitis C in den meisten Fällen heilbar. Allerdings müssen die Patientinnen und Patienten eine mehrwöchige Therapie absolvieren. Die Medikamente sind zudem sehr teuer.

Zehn Betroffene als Nebenkläger bei Gericht

Zivilrechtlich ist der Fall bereits geklärt: Die Versicherung des Krankenhauses hat den Betroffenen je nach Grad der Erkrankung laut ihrem Anwalt Schmerzensgeld in Höhe von bis zu 20.000 Euro gezahlt. Zehn von ihnen werden beim Prozess als Nebenkläger auftreten.

Fast fünf Jahre hat es bis zum Prozessbeginn gedauert - für die Betroffenen, aber auch den Angeklagten eine lange Zeit, die ihn sehr belastet habe, so sein Anwalt. Vor Gericht soll nun geklärt werden, ob er fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Im Falle einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Ein Urteil soll im Juli fallen.

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