Das Amtsgericht Dillingen hat im Verfahren gegen eine Notärztin wegen fahrlässiger Tötung kein Urteil gesprochen. Das Gericht hat das Verfahren stattdessen ans Landgericht Augsburg verwiesen. Der Grund: Nach der Aussage eines Rechtsmediziners hält das Gericht nicht nur eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung für möglich, sondern auch wegen Totschlags durch Unterlassen. Dafür ist das Landgericht Augsburg zuständig.
Die lebensbedrohliche Situation der 18-jährigen Patientin aus Lauingen musste laut dem Rechtsmediziner, der in der Verhandlung aussagte, für die 62-jährige Notärztin erkennbar gewesen sein. Sie hätte unter Angabe der lebensbedrohlichen Situation die Geschädigte ins Krankenhaus einweisen müssen.
Ärztin besteht nicht auf Krankenhauseinweisung: 18-Jährige stirbt
In dem Fall aus dem August 2020 geht es um eine 18-Jährige, die aus dem Urlaub in Kroatien zurückgekehrt war. Sie litt unter Erbrechen und Durchfall, hatte zudem einen Kreislaufkollaps. Die von den Eltern herbeigerufene Notärztin bestand aber nicht auf einer Einweisung ins Krankenhaus zur weiteren Abklärung, nachdem die Patientin das mehrfach abgelehnt haben soll. Drei Stunden später starb die Patientin an inneren Blutungen wegen eines Milzrisses.
18-Jährige wollte nicht ins Krankenhaus
Die angeklagte Notärztin äußerte sich in Form einer Einlassung, die ihre Anwältin verlas. Demnach habe sie der 18-jährigen Patientin gesagt: "Wir müssen dich ins Krankenhaus mitnehmen, das muss abgeklärt werden!" Was die Patientin aber abgelehnt habe – selbst nachdem sie die Notärztin mit Nachdruck nochmals dazu aufgefordert habe. Bei den Gesprächen mit der Patientin und den anwesenden Eltern sei bei der Frage nach einer Abklärung im Krankenhaus unweigerlich auch das Thema Corona zur Sprache gekommen und welche Einschränkungen in der Klinik zu erwarten seien.
Ärztin: Weigerung der Krankenhauseinweisung ist dokumentiert
Im Laufe des Einsatzes sei die Ärztin zu der Einschätzung gekommen, dass es sich um einen Magen-Darm-Infekt handeln könnte. Hinweise auf Schäden an inneren Organen hätten die Untersuchungen nicht ergeben. Die Notärztin hat sich laut ihrer Aussage nicht unterschreiben lassen, dass die 18-Jährige nicht mit ins Krankenhaus wollte. Sie habe aber im Protokoll ein Kreuzchen bei dem Punkt "Transportverweigerung" gemacht, um zu dokumentieren, dass sie für eine Einweisung ins Krankenhaus gewesen sei.
Notärztin hat laut Vater von einer "guten Prognose" gesprochen
Der Vater der Verstorbenen erklärte als Zeuge vor Gericht, dass die Notärztin ihn und seine Tochter nicht auf eine mögliche Lebensgefahr hingewiesen hätte. Stattdessen habe die Ärztin von einer "guten Prognose" gesprochen, weil der Blutdruck nach einer Infusion wieder leicht gestiegen sei.
Rechtsmediziner belastet Ärztin schwer
Ausschlaggebend dafür, dass das Verfahren ans Landgericht verwiesen wird, war die Aussage eines Rechtsmediziners als Sachverständiger. Er belastete die Notärztin schwer. Laut dem Einsatzprotokoll war der Blutdruck der 18-Jährigen extrem niedrig. Wie der Rechtsmediziner erklärte, war deshalb die Versorgung wichtiger Organe nicht mehr gewährleistet und es habe Lebensgefahr bestanden. Allein das hätte die Notärztin dazu veranlassen müssen, die Patientin ins Krankenhaus einzuweisen. Dort wäre die vergrößerte Milz schnell erkannt worden und die junge Frau hätte mit einer Not-Operation ziemlich sicher gerettet werden können.
Der Verweis ans Landgericht Augsburg wegen der Möglichkeit eines Totschlags durch Unterlassen ist jedoch noch keine Vorverurteilung. In dem Prozess in Augsburg ist auch ein Freispruch der Notärztin möglich.
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