Ein Landwirt bearbeitet sein Feld, während zahlreiche Störche, Tauben und Krähen auf dem Feld nach Nahrung suchen.
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Krähen

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Sollten "Problem-Saatkrähen" abgeschossen werden?

Saatkrähen picken Samen und Keimlinge aus dem Boden und richten dadurch auf manchen Äckern große Schäden an. Die Landwirtschaft fordert schon lange, die Krähen dort abzuschießen, wo es zu viele sind. Denn andere Maßnahmen scheinen nicht zu helfen.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Kaum ist gesät, sind sie da: Saatkrähen. Wahnsinnig schlaue – für den Landwirt aber nervige Tiere, weil sie Saatgut fressen. Früher konnten konventionelle Landwirte und Landwirtinnen die Maiskörner noch mit Mesurol ummanteln. Davon ging es den Krähen schlecht und sie hörten auf dort zu fressen. Aber das Mittel ist seit 2019 verboten. Und im Bio-Ackerbau durfte man das Mittel nie einsetzen. Was also tun gegen die Krähen? Es gibt verschiedene Maßnahmen. Doch die bringen langfristig nichts, sagen Landwirte und Landwirtinnen wie Anna-Maria Bissinger.

Krähenpopulation wächst, wenn sie verscheucht wird

Die 26-jährige Biolandwirtin aus Mertingen im Landkreis Donau-Ries hat Attrappen von Greifvögeln und toten Krähen aufgestellt und ein genehmigungspflichtiges Gerät, das mit Schussgeräuschen die Krähen verscheuchen soll. Doch die schlauen Vögel erkennen nach kurzer Zeit, dass davon keine wirkliche Gefahr ausgeht.

Noch schlimmer: Die Maßnahmen seien sogar Teil des Problems, erklärt der Ornithologische Gutachter Hermann Stickroth: "Der Nachteil von Vergrämung in der Kolonie ist, dass die Saatkrähen-Kolonien sich aufsplitten und, dass dann an neuen Standorten, wo vorher keine Saatkrähen-Kolonien waren, neue Kolonien entstehen."

Und an neuen Standorten, gibt es für die kleineren Splitterkolonien auch wieder ausreichend Nahrung. Aus wenigen Krähen werden wieder große Gruppen. Ein Teufelskreis.

Zahl der Krähen in Bayern steigt

In den letzten Jahren ist die Zahl der Saatkrähen in Bayern gestiegen - vor allem in Oberbayern und Schwaben. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Saatkrähen streng geschützt sind und deshalb nicht bejagt werden dürfen. Zum anderen hätten wohl die vielen Vergrämungsmaßnahmen zu einer Aufsplittung der Kolonien und damit zum Wachstum geführt, so der Experte.

Ornithologe: Krähen in Ruhe lassen, LandwirtInnen entschädigen

Die beste Lösung aus Hermann Stickroths Sicht wäre, die Vergrämungsmaßnahmen sein zu lassen und die Landwirte zu entschädigen, wenn ein Problem aufgetreten ist. Bisher werden sie nämlich nicht entschädigt. Krähenschäden treten nicht flächendeckend auf, sondern vereinzelt – auf einem Bruchteil der Gesamtackerfläche Bayerns. Doch wenn es zu Fraßschäden kommt, dann massiv. Denn die Saatkrähen fressen in Kolonien: mehrere Hundert auf einem Acker.

Übermaß an Krähen ist das Problem

Ein paar Krähen wären für Biobäuerin Anna-Maria Bissinger kein Problem, aber jetzt seien es einfach zu viele. Jedes Jahr haben Bissingers Krähenfraß-Schäden. Vor allem beim Mais. Vor vier Jahren war es besonders schlimm: Rund 18.000 Euro Schaden, hat Anna-Marias Vater, Josef Bissinger, ausgerechnet: "Da haben wir Totalausfälle gehabt - bei 70 Prozent der Maisfläche. Da war kein Maiskorn, keine Maispflanze mehr auf dem Acker."

Josef Bissinger und seine Tochter plädieren für den Abschuss. Denn wie viele Landwirte wollen auch sie nicht einem Schaden hinterherlaufen, sondern ihn von vorn herein vermeiden. Und das gehe nur, indem zu große Krähenbestände durch Abschuss verkleinert werden.

Saatkrähen sind streng geschützt: Politik will daran nichts ändern

Doch die Krähen sind streng geschützt und werden das wohl auch bleiben. Erst Ende März hatte der Bundesrat einen Antrag aus Bayern, den Schutzstatus herabzusetzten, abgelehnt.

Stattdessen wird von staatlicher Seite an Alternativen geforscht. So prüfen Landesamt für Umwelt und Landesanstalt für Landwirtschaft zum Beispiel verschiedene Beizen. Das sind scharfe oder bittere Flüssigkeiten mit denen das Saatgut ummantelt wird, so dass es den Saatkrähen dann nicht mehr schmeckt.

Saatgut durch scharfe oder bittere Mittel weniger schmackhaft

Biolandwirt Christian Matthesius aus Landerringen im Landkreis Augsburg hat selbst ein Mittel entwickelt. Er war selbst krähengeplagt. Deshalb und durch sein Hobby Bierbrauen kam er schließlich auf die Idee das Saatgut mir einem bitteren Hopfen-Destillat zu beizen.

Wichtig gegen Krähenfraß: Schnelles Auflaufen der Kultur

Wie Untersuchungen gezeigt haben, lassen solche Stärkungsmittel die Pflanzen tatsächlich besser wachsen, erklärt Dr. Barbara Eder von der Züchtungsforschung Mais an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Ruhstorf an der Rott. Je schneller die Pflanzen wachsen, umso schneller entwickelt sich ein dichter Pflanzenbestand. Das sei als Krähenabwehr wichtig. Krähen halten sich nicht so gerne in dichten Pflanzenbeständen auf. Dort ist es schwerer einen Wurm oder Samen zu finden.

Späte Maissaat – mehr Krähenfraß?

Doch in diesem Jahr steht das regnerische Frühjahr einem schnellen Wachstum der Pflanzen entgegen, erklärt Dr. Barbara Eder:

"Wir haben das Problem, dass immer, wenn wir ein schlechtes Frühjahr haben, wir spät rauskommen mit der Maissaat und dann die Maispflanze gerade so groß ist, wie sie der Krähe am besten schmeckt und auch die Krähe im Mai den größten Hunger hat, weil sie ihre Jungen füttern muss."

Versuch: Mais vorziehen und setzen

Damit der Mais nicht genau dann keimt und leicht gefressen werden kann, wenn die Saatkrähen den größten Hunger haben, hat Dr. Eder einen Versuch gestartet. Maispflanzen wurden im Gewächshaus vorgezogen und dann gesetzt.

Auf einem Versuchsacker bereits Ende April rund 50cm hohe Maispflanzen – zu groß um von Krähen gefressen zu werden. Das ist derzeit noch unvorstellbar und nicht ökonomisch. Könnte es aber werden, wenn zum Beispiel Roboter die Pflanzen relativ kostengünstig und schnell setzen. Üblicherweise werden Maiskörner direkt auf dem Acker gesät. Eder rät, wenn möglich ihn tief zu säen. So ist er besser verankert und für den Krähenschnabel schwerer erreichbar.

Gibt es zu wenig Nahrung hilft keine Maßnahme gegen Saatkrähen

Aber Untersuchungen von Forschenden und Beobachtungen von Landwirtinnen und Landwirten haben ergeben: Gibt es zu wenig Nahrung für die Saatkrähen, lassen sie sich von keiner Maßnahme langfristig aufhalten – weder von Attrappen, Schussgeräten oder Beize.

Anna-Maria Bissinger ist überzeugt, dass nur der Abschuss der Saatkrähen, an Orten an denen es zu viele gibt, langfristig etwas ändern könne. Mit Blick auf die späte Maisaussaat in diesem Jahr sagt sie: "Da ist mir jetzt schon wieder mulmig, weil es geht ja schon ein bisschen an die Psyche, wenn man dann jeden Tag rausfährt und hofft, dass noch alles da ist."

Eine Saatkrähe auf einem Acker
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Saatkrähen picken Samen und Keimlinge aus dem Boden und richten dadurch auf manchen Äckern große Schäden an.

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