Ein junger Mann post vor seinem getunten Auto, hinter ihm ist ein Polizeiwagen zu sehen.
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Autotuner geben Gas - Posen, Protzen, Polizei.

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Posen, Protzen, Polizei: Einblicke in die Welt der Autoposer

Regelmäßig treffen sich Autotuner auf öffentlichen Straßen. Sie verursachen Lärm, Qualm und Ärger für Anwohner und Polizei. Kontrovers – Die Story hat die Treffen über mehrere Monate begleitet.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Wenn Alexa sich mit ihren Freunden trifft, um nach einer langen Woche "endlich Spaß zu haben", bleibt das meist nicht unbemerkt. Die Treffen sind laut, gefährlich und ein Problem für die Polizei. Denn die 29-Jährige gehört der Autotuner-Szene an und nimmt regelmäßig an illegalen nächtlichen Treffen der "Blacklist"-Gruppe teil.

Die Blacklist-Gruppe sei für sie eine Art alternatives Hobby, erzählt die Tunerin in Kontrovers – Die Story. "Ich wollte nicht Geld ausgeben, um feiern zu gehen. Mir macht es mehr Spaß, wenn ich Autos sehe und an meinem Auto arbeiten kann."

Illegale Treffen der Tuner-Szene nehmen zu

"Blacklist" ist nur eine von vielen Autotuner-Gruppen, die sich in ganz Bayern regelmäßig treffen. Die Szene hat deutschlandweit hohen Zulauf, insbesondere im Münchner Raum nehmen die Aktionen laut Polizei zu. Bei den Zusammenkünften geht es um weit mehr als "am Auto zu arbeiten", wie Alexa es beschreibt. Drifts, Burnouts, Feuerwerke zünden – all das gehört ebenso dazu, wie Recherchen von Kontrovers zeigen.

Tausende folgen Einladungen via Social Media

Zu den Treffen der "Blacklist"-Gruppe kommen oft Tausende. Die Einladungen werden in Sozialen Netzwerken verbreitet. Kontrovers – Die Story begleitet Alexa zu einem Treffen im Münchner Osten. Die Frau fährt mit ihrem PS-starken japanischen Sportwagen in eine Tiefgarage, dort warten die anderen bereits. Ihr Fahrzeug bezeichnet sie als ihr Ein und Alles. "Die ganze Woche musste man durcharbeiten und endlich kann man Spaß haben, coole Autos sehen", sagt sie.

Im Video: Auto-Poser vs. Tuning-Polizei: Wem gehört die Straße?

Tunerin: "Es ist einfach etwas, das man liebt"

Nach einem ersten Austausch fährt Alexa mit den anderen auf einen Parkplatz in ein abgelegenes Industriegebiet. Erst drehen sie die Musik auf, dann versucht ein Motorradfahrer vor Publikum, seinen Reifen platzen zu lassen. Es qualmt, das schrille Heulen des Motors dröhnt minutenlang. Alexa hält sich die Ohren zu. Später sagt sie: "Das gehört dazu. Es ist einfach etwas, das man liebt. Und ich bin begeistert zu sehen, wie viel Kontrolle man hat, wenn man driftet."

Videos mit gefährlichen Szenen werden im Internet verbreitet

Auffällig ist, wie gerne sich die Teilnehmer des "Blacklist"-Treffens fotografieren und in Videos inszenieren - "als Erinnerung", sagt Alexa. Diejenigen, die hier sind, beschreiben sich selbst als Menschen, die Autos lieben und sich gerne treffen. Doch genau diese Menschen waren es auch, die vor einigen Monaten bei einem Treffen am Münchner Stadtrand eine Party mit tausenden Fahrzeugen veranstalteten.

Autotuner aus verschiedenen Teilen Bayerns, Österreich, der Schweiz und sogar Frankreich waren eigens dafür angereist, verursachten einen Stau und lieferten sich einen Wettbewerb um die spektakulärsten Drifts und Burnouts (Durchdrehen der Räder, bis die Reifen anfangen zu qualmen, Anm. d. Red.). Dabei posierten sie vor dem Handy, unzählige Videos und Fotos kursieren im Internet. Anwohner berichten von Lärmbelästigung, Qualm und Gestank.

Illegale Autorennen, Körperverletzung, Alkohol und Drogen am Steuer

Bei der Münchner Verkehrspolizei erinnert man sich gut an jenes Treffen. Die Beamten waren damals mit einem Großaufgebot im Einsatz, erteilten Platzverweise, Strafzettel und legten Autos still. Auch bei einem weiteren "Blacklist"-Treffen mit 3.000 Personen in Rosenheim rückt die Polizei aus und räumt den Platz. Die Bilanz: Ein Feuerwerk und 43 Strafanzeigen wegen Alkohol und Drogen am Steuer, Körperverletzung sowie illegalen Autorennen. 13 Fahrern wird die Weiterfahrt untersagt, drei Fahrzeuge werden beschlagnahmt, hinzu kommen einige Festnahmen.

Polizeidirektor: "Es ist vom Zufall abhängig, dass nichts passiert"

In München beschäftigten sich eigens geschulte Beamte mit der Tuner-Szene. Die Videos, in denen Autos mit abmontierten Kennzeichen in hoher Geschwindigkeit an Schaulustigen vorbeifahren, sind den Beamten bekannt. "Es ist tatsächlich eine klassische Situation, wie wir sie immer wieder erleben", sagt Ernst Neuner, Polizeidirektor der Verkehrspolizeiinspektion München. Eine "brandgefährliche" Situation, so Neuner, bei der es auch schon Verletzte gegeben habe. "Die haben das nicht wirklich im Griff. Es ist vom Zufall abhängig, dass nichts passiert." Die Polizei versuche, die Treffen mit aller Konsequenz zu unterbinden. Doch das sei gar nicht so einfach.

Autotuner wehren sich gegen ihr schlechtes Image

"Blacklist" will weg vom Image der Krawallmacher. Das zumindest sagt Umutcan Kiriş, Manager der Gruppe. Er selbst hat weder ein Auto noch einen Führerschein, dafür aber große Pläne. "Ich habe mitbekommen, dass die Blacklist viele Probleme mit der Polizei hat und dass sie auch nicht das Potenzial ausschöpft, das Blacklist an sich hat", sagt er im Interview mit Kontrovers – Die Story. "Man könnte seriös werden, legal werden, man könnte auch Geld damit verdienen."

Auf Instagram hat die Gruppe mehr als 50.000 Follower und präsentiert Merchandising-Artikel wie Pullover, Duftbäume und Sticker. Die Community hat mehr als 2.000 Euro gesammelt und davon öffentlichkeitswirksam Spielsachen für ein Münchner Kinderheim gekauft, "im Namen von Blacklist".

Saison-Auftakt der "Blacklist" mit über 3.000 Teilnehmern

Doch die nächtlichen Aktionen gehen weiter und sie bleiben illegal. Nur wenige Tage, bevor die Gruppe die Spielsachen ans Kinderheim spendet, finden zum Saisonauftakt mehrere Treffen in Oberbayern statt. Die Bilanz der Polizei: Mehr als 3.000 Teilnehmer, knapp 1.000 Fahrzeuge, 120 angezeigte Verstöße und 360 Platzverweise – an nur einem Wochenende.

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