In einem Wohngebiet läuft die Regenrinne mitten in der Straße. Die Stadt Neu-Ulm versucht bei Bauprojekten dafür zu sorgen, dass das Regenwasser von versiegelten Flächen möglichst nah im Grundboden versickert, wo es wie von einem Schwamm aufgesaugt wird.
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In einer Straße in Neu-Ulm verläuft die Regenrinne in der Mitte. Das Wasser von versiegelten Flächen soll möglichst nah im Grundboden versickern.

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Neu-Ulm: Prinzip Schwammstadt schützt vor Starkregen und Hitze

Früher leiteten Städte Wasser so schnell wie möglich in die Kanalisation. Doch die ist bei Starkregen oft überlastet. In Trockenperioden wiederum fehlt es dann an Wasser. Neu-Ulm zeigt, wie es mit dem Prinzip der "Schwammstadt" besser geht.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Spielplätze in Grünanlagen, die bei Starkregen überfluten, zur Mitte hin geneigte Straßen, die das Wasser vorübergehend sammeln, wenn die Kanalisation an der Belastungsgrenze ist oder begrünte Dächer und Fassaden, die Regenwasser speichern: Das sind nur einige der Maßnahmen, die zu einer sogenannten Schwammstadt gehören.

Neu-Ulm in der Vorreiterrolle

Doch nicht immer wird das Prinzip als solches bezeichnet. Jochen Meissner, Leiter des Tiefbauamts Neu-Ulm, sagt dazu beispielsweise Regenwasserbewirtschaftung oder Starkregen-Management. Doch seit ein paar Jahren macht der Begriff "Schwammstadt" die Runde. Laut Meissner geht es bei allen Bezeichnungen darum, das Regenwasser nicht mehr einfach in Kanälen versickern zu lassen. Wichtiger sei es, Wasser oberflächennah zu speichern. "Weil die wenigsten wissen, dass 65 Prozent des Niederschlags in Deutschland verdunsten können", so Meissner. In Neu-Ulm sei diese Erkenntnis bereits seit 2005 Teil der Regenwasserbewirtschaftung.

  • Zum Artikel: Wie können Städte und Gemeinden ihre Grundwasserpegel sichern?

Idee stammt wohl ursprünglich aus China

Der Begriff Schwammstadt ist eine Analogie für die Wirkungsweise: Die Stadt speichert das Wasser und gibt es dann kontrolliert ab. Schwammstadt nennt man so ein System auch – weil die Stadt wie ein Schwamm Wasser aufnimmt und es erst dann abgibt, wenn man das möchte, ihn also ausrinnt. Im China baut man schon länger Städte auf diese Weise, Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen wagte vor Jahren den Umbau. Und auch andere bayerische Städte planen ähnliche Maßnahmen. München und Nürnberg gehören dazu, die erste Schwammstadt in Deutschland war nach eigener Aussage aber Pfaffenhofen an der Ilm.

Ziel: Schutz vor Überschwemmungen

Überall setzen immer mehr Kommunen auf das Prinzip Schwammstadt. Denn nur so können die Städte mit den Folgen des Klimawandels umgehen und Schäden durch Unwetter oder Hitze minimieren. Bei Starkregen kann dann zum Beispiel ein Kinderspielplatz absichtlich mit Wasser volllaufen. "Wir nutzen dann diese Flächen als Rückstauflächen, um keine Gebäude zu beschädigen oder, dass keine Keller fluten", sagt Tiefbauamtsleiter Jochen Meissner.

Warum in Schwammstädten angenehmeres Klima herrscht

Eine weitere Maßnahme sind begrünte Dächer und Fassaden, die das Regenwasser speichern. Und das zeigt einen weiteren Vorteil, wenn die Stadt wie ein Schwamm funktioniert: Fehlt es länger an Regen, trocknet die Stadt nicht gleich aus. Und das wirkt sich langfristig positiv auf die Grundwasserpegel aus.

Im Sommer sorgt die Verdunstung außerdem für eine kühlende Wirkung. So steigt nebenbei zugleich die Lebensqualität der Bevölkerung. Und das ganze spart auch Kosten. Denn Wasser, das in der Kanalisation landet, muss aufwendig geklärt werden. Wenn das Regenwasser aber verdunstet, brauchen die Klärwerke weniger Energie.

Es gibt auch Nachteile

Doch wenn die Schwammstadt oder die Regenwasserbewirtschaftung so viele Vorteile hat, warum ist sie nicht längst überall Standard? Auch das ist wieder eine Kostenfrage. Denn Bauflächen sind teuer und Maßnahmen zum Speichern von Regenwasser brauchen Platz. Und das ist laut Jochen Meissner auch die Schwierigkeit bei Regenwasserbewirtschaftung: "Wir konkurrieren mit Bauflächen, Straßenflächen und Spielflächen."

So muss nach seinen Worten früh bedacht werden, wie Gesamtkonzept allen gerecht werden kann. Im Zweifelsfall machen die Maßnahmen ein Bauvorhaben teurer und zudem es wird mehr Platz gebraucht. Auf lange Zeit rechnet sich das laut Meissner für die Städte aber in jedem Fall.

Daher setzt er weiter auf Regenwasserbewirtschaftung. So geschehen zum Beispiel im Neubaugebiet "Wohnen am Illerpark" in Neu-Ulm. Dort werden laut Meissner von Anfang an die ersten Maßnahmen umgesetzt. Doch bis dort alle Häuser stehen wird es in jedem Fall noch ein paar Jahre dauern.

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Die Regenrinne einer Neu-Ulmer Straße ist mit losen Steinen gesichert, damit das Regenwasser leichter ins Grundwasser gelangt.

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