Sebastian Czyszczon und Sven Amend im Fitbox-Camp in Lohr am Main.
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Sebastian Czyszczon ist Lehrer und Rapper, Sven Amend ist Kickbox-Trainer. Gemeinsam wollen sie Kurse für Jugendliche anbieten.

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Nach Todesschuss in Lohr: Präventionsangebote für Jugendliche

Nach der Gewalttat in Lohr, bei der ein 14-Jähriger einen Gleichaltrigen erschoss, fragen sich viele in der Stadt, ob und wie sich solche Taten verhindern lassen: Warum werden Jugendliche zu Tätern? Erste Projekte zur Prävention entstehen gerade.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Kickbox-Trainer Sven Amend weiß, wie Sport und Bewegung Aggressionen in geregelte Bahnen lenken können. Sein Fitnessstudio liegt nur wenige Meter vom Tatort entfernt. In einem Gebüsch hinter dem Nägelsee-Schulzentrum in Lohr am Main wurde Anfang September ein 14-Jähriger erschossen. Als tatverdächtig gilt ein gleichaltriger Mitschüler.

Die Tat sorgt für Entsetzen – auch bei Sven Amend: "Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass ein Kind ein anderes Kind umgebracht hat." Amend fragt sich, wie es dazu kommen konnte. Nun will er regelmäßig mit der Lohrer Mittelschule zusammenarbeiten.

Rapper und Trainer wollen mit Jugendlichen arbeiten

Unterstützung bekommt Sven Amend von Sebastian Czyszczon. Auch der ist kein Unbekannter in Lohr. Czyszczon ist Lehrer, in seiner Freizeit rappt er. Gemeinsam wollen sie regelmäßige Workshops anbieten. Gerade erarbeiten sie ein Konzept: eine Mischung aus Selbstverteidigung, Gewaltprävention und Selbstbehauptung. Mit kleinen Gruppen, etwa 12-14 Jugendlichen pro Einheit. Vor allem gehe es ihnen darum, soziale Kompetenzen zu schulen.

"Wir wollen Kinder motivieren, sich anders zu beschäftigen außer mit Handys oder vielleicht mit Drogen", sagt Amend. Es geht ihnen zum Beispiel um Jugendliche, die nicht in Vereinen aktiv sind. Jugendliche also, die nach der Schule kaum betreut werden.

Etwa 80 Personen kamen zu einer Diskussionrunde in die Lohrer Stadthalle.
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Etwa 80 Personen kamen zu einer Diskussionrunde in die Lohrer Stadthalle.

Lohr diskutiert über soziale Angebote

Nach der Gewalttat Anfang September treibt in Lohr viele die Frage um, ob die Stadt genug für Kinder und Jugendliche unternimmt. Ob soziale Angebote fehlen. Auch, ob mögliche Konflikte im Vorfeld nicht ausreichend aufgefallen sind.

Deshalb wollen die Verantwortlichen in Lohr nun vor allem zuhören. Viel wurde in den vergangenen Wochen gesprochen und berichtet. Die Jugendlichen selbst kamen oft wenig zu Wort. Einen Auftakt dafür gab es jetzt.

Wieder sprechen nur die Erwachsenen

Am Mittwochabend haben etwa 80 Personen in der Lohrer Stadthalle diskutiert. Eltern, Jugendliche, Lehrer, Mitarbeiter der Stadt, Vertreter von Vereinen und Schulen. Eine interessante Debatte sei es gewesen, sagte Lohrs Bürgermeister Mario Paul (SPD) im Anschluss. Es gab auch Kritik: Weil bei einem Abendtermin unter der Woche eben vor allem die Erwachsenen diskutieren – und wieder nicht diejenigen, um die es eigentlich geht.

Bürgermeister Paul versprach, die Kritik aufzugreifen. Die Diskussionsrunde werde nicht die letzte sein. Außerdem berichtet er von ersten Ideen: zum Beispiel eine mobile Jugendarbeit. In Lohr gab es so etwas bislang nur zeitweise – in den Tagen nach dem tödlichen Schuss. Eine mobile Jugendarbeit könnte zukünftig an Nachmittagen die Schulsozialarbeit ergänzen.

Workshops mit Schülerinnen und Schülern sollen bald starten

Doch Bürgermeister Mario Paul sagt auch: Soziale Angebote allein könnten Gewalttaten niemals verhindern. Es handele sich um ein gesellschaftliches Problem – in vielen Städten, längst nicht nur in Lohr.

Die Polizei arbeitet weiter an der Aufklärung des Falls. Das Motiv ist noch immer unklar. Der tatverdächtige Mitschüler schweigt. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Auch Pädagoge Sebastian Czyszczon macht sich keine Illusionen: "Es gibt keine Patentformel, um Kriminalität komplett zu beseitigen. Das ist eine Utopie." Trotzdem sollte man nichts unversucht lassen, findet er. Im November wollen Czyszczon und Kickbox-Trainer Sven Amend mit ihren Workshops loslegen.

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