Vor Kurzem hat die Christusträger Bruderschaft in Triefenstein (Landkreis Main-Spessart) ein Missbrauchsgutachten veröffentlicht. Nun hat sich die Staatsanwaltschaft bei der überwiegend evangelischen Gemeinschaft gemeldet: Man habe alle Unterlagen zu dem Missbrauch übergeben, so die Bruderschaft.
Was ist passiert? Über viele Jahre hinweg soll sich der mittlerweile verstorbene Gründer der Bruderschaft, Otto Friedrich, schwer an mehreren Mitbrüdern vergangen haben. Seit 1996 ist das intern in der Gemeinschaft bekannt. Erst jetzt hat sie ihr Schweigen gebrochen.
Kloster Triefenstein: Gutachten zeigt jahrelangen Missbrauch
Dass sie so lange geschwiegen haben, das sei nicht richtig gewesen, erklärt Bruder Christian Hauter aus heutiger Perspektive. Er hat selbst noch fünf Jahre in der Gemeinschaft unter dem Gründer und damaligen Prior gelebt. Er wisse, was das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen bedeute, sagt Hauter dem BR. "Ich kam mir vor wie ein Vogel, der mitten im Flug abgeschossen wird und auf die Erde fällt. Und ich musste erstmal auf die Beine kommen und den Umgang mit Sexualität in einer zölibatär lebenden Gesellschaft begreifen, wie spreche ich darüber, was macht das mit mir, bevor ich an die Öffentlichkeit gehe", so der Bruder.
Gutachten: Wie es zum Missbrauch kam
Die Bruderschaft hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Missbrauch aufarbeiten sollte. Auf 88 Seiten steht dort dokumentiert, was bisher bekannt ist. Mindestens acht Brüder sollen Opfer des damaligen Priors geworden seien, drei weitere, teilweise selbst Betroffene, wurden zu Tätern. Sie alle haben die Gemeinschaft verlassen.
Die Studie analysiert auch, warum die Brüder untereinander lange Zeit kaum darüber sprechen konnten. Demnach soll der damalige Prior seine Machtposition systematisch ausgenutzt haben. Er habe seine Mitbrüder kontrolliert und sei als geistliche Autorität unanfechtbar gewesen.
Missbrauchsgutachten: Staatsanwaltschaft Würzburg beginnt Ermittlungen
Inzwischen interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft Würzburg für das Gutachten. Auf Nachfrage von BR24 heißt es, es werde in einem "Vorermittlungsverfahren geprüft", ob es noch weitere Straftaten gebe, die noch nicht verjährt seien und dementsprechend strafrechtlich verfolgt werden könnten.
Vor zwei Wochen ging die Bruderschaft mit dem Gutachten an die Öffentlichkeit. Sie rechnen damit, dass sich jetzt noch weitere Opfer melden, "mit Dingen, die sie erlebt haben im Zusammenhang mit unserer Gemeinschaft, die nicht in Ordnung waren, und die sie sich jetzt trauen auszusprechen," so Bruder Christian Hauter im Interview mit dem BR.
Mit ihrem Bericht geht die Bruderschaft, zu der überwiegend evangelische Christen gehören, einen Schritt, der der evangelischen Kirche noch bevorsteht. Im Januar soll eine große Studie zu Missbrauch bei den Protestanten veröffentlicht werden.
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