Innenminister Horst Seehofer (CSU, l.) und der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster (r.).
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Innenminister Horst Seehofer (CSU, l.) und der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster (r.).

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Hat der Katastrophenschutz versagt? Seehofer beantwortet Fragen

Die Aufarbeitung der Hochwasser-Katastrophe geht weiter. In einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag nehmen Innenminister Seehofer und der Leiter des Bundesamts für Bevölkerungsschutz Schuster heute Stellung zu etwaigen Versäumnissen.

Nach den Überschwemmungen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit bislang 179 Toten steht der Katastrophenschutz in Deutschland weiter in der Kritik. Im Innenausschuss müssen Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Präsident des Bevölkerungsschutzes, Armin Schuster, heute Fragen der Abgeordneten beantworten.

Katastrophenschutz der Zukunft: Mehr Kompetenzen für den Bund?

Nach der Unwetterkatastrophe hatte es Vorwürfe gegeben, die Menschen in den betroffenen Gebieten seien nicht schnell genug gewarnt worden. Insbesondere Seehofer wurde massiv kritisiert. Neben möglichen Versäumnissen der Behörden wollen die Abgeordneten in der Sondersitzung darüber sprechen, ob der Bund künftig mehr für den Katastrophenschutz tun sollte.

Die Bewältigung akuter Katastrophenlagen liegt bislang in der Verantwortung der Länder und Kommunen. Der Bund hat seinerseits die Aufgabe, für den Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall zu sorgen. Einige Experten halten diese Aufteilung für nicht mehr zeitgemäß.

Neues Konzept für den Bevölkerungsschutz

Seehofer und Schuster hatten im März ein Konzept für eine Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vorgelegt, das eine intensivere Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Krisenfall vorsieht. Schuster hatte bereits Fehler im System bei der verheerenden Flutkatastrophe eingeräumt. "Das ist nicht optimal gelaufen", sagte Schuster am vergangenen Donnerstag.

Vor der Sondersitzung des Innenausschusses betonte Seehofer, dass der Bund nicht die Verantwortung für den Katastrophenschutz an sich ziehen solltze. Die im Katastrophenfall notwendigen Entscheidungen müssten weiter vor Ort getroffen werden. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) solle lediglich eine stärkere koordinierende Rolle übernehmen, so der Minister. "Das BBK wird künftig ein Kompetenzzentrum", sagte Seehofer, darauf habe sich die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern bereits vor den verheerenden Überflutungen im Westen Deutschlands geeinigt.

Auch das Technische Hilfswerk (THW) sprach sich gegen eine stärkere Zentralisierung im Katastrophenschutz aus. "Grundsätzlich funktioniert der Katastrophenschutz", sagte THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner im ZDF. Auch wenn sich bestimmte Großlagen häuften, gebe es sie "in dieser Wucht" wie bei den verheerenden Unwettern Mitte Juli nicht jede Woche: "Eine weitere Zentralisierung ist nicht dienlich."

"Cell Broadcast"- Warnsystem beauftragt

Eine Lehre der Katastrophe: Innenminister Seehofer hat in der vergangenen Woche die Einführung des "Cell Broadcast"-Warnsystems beauftragt, das Experten schon seit Jahren gefordert hatten. Cell Broadcast ermöglicht das Verschicken von Text-Nachrichten an alle Handys, die sich in einer Funkzelle befinden – und zwar ohne Kenntnis der Telefonnummern.

Von der Idee seien "nicht immer alle begeistert gewesen in den letzten Monaten", sagte Seehofer vor der Sondersitzung des Innenausschusses. "Aber ich habe entschieden, dass wir es tun und machen, da gibt es überhaupt kein vernünftiges Argument dagegen", fügte er hinzu. Seehofer betonte allerdings erneut, er betrachte Cell Broadcast nur als eine Ergänzung zu den bestehenden Warnmitteln. Die Warnung der Bevölkerung müsse auf allen Kanälen klappen, so der Minister – es brauche auch Sirenen, Apps und den Rundfunk.

Katastrophenschutz: Grüne fordern Grundgesetzänderung

Am Nachmittag wollen sich auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, zu den Lehren aus der Hochwasserkatastrophe äußern. Dabei soll es auch um mögliche Veränderungen beim Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gehen. Mihalic fordert mehr Kompetenzen für den Bund und hält dafür eine Grundgesetzänderung zur Reform des Katastrophenschutzes für unerlässlich. "Ich prognostiziere, dass wir dafür am Ende gesetzliche Änderungen brauchen. Und das wird ohne Grundgesetzänderung nicht gehen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief derweil die Bundesländer auf, sich an einem gemeinsamen Aufbaufonds zur Absicherung künftiger Katastrophen zu beteiligen. "Niemand sollte sich vormachen, dass er künftig von solch dramatischen Wetterereignissen verschont bleibt", sagte Mützenich dem RND. Das veränderte Klima erhöhe für alle Bundesländer das Risiko, so getroffen zu werden wie es jetzt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz der Fall sei.

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