Leere Flaschen und Müll vor Wiesn-Zelt, aufgenommen 2008
Bildrechte: picture-alliance/ dpa | Angelika Warmuth

Leere Bierflaschen und Müll vor Oktoberfestzelt

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Auf'gramt is: Wie die Wiesn jede Nacht gereinigt wird

Das Münchner Oktoberfest ist ein Superlativ. Nicht nur bei Besucherzahlen, Hendln und Bier – sondern auch beim Müll. Dieser muss tonnenweise entsorgt werden, jeden Tag. Oder um genau zu sein: jede Nacht. Ein Einsatz mit Herz, Hand und schwerem Gerät.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Wenn die Zelte geschlossen sind und die Wiesn sich leert, lässt nur noch der Blick auf den Boden erahnen, was bis eben noch los war. Der Gang über das Oktoberfest gleicht zu dieser Stunde einem Hindernislauf, etwa zehn Tonnen Müll liegen nach einem gut besuchten Festtag auf dem Gelände herum. Und die müssen zusammengekehrt und abtransportiert werden. Das erledigt das 30-köpfige Straßenreinigungs-Team des Münchner Baureferats. Doch wie geschieht das? Wer hilft noch mit? Und welche Ideen gibt es, um künftig Müll besser zu vermeiden?

Dutzende Tonnen Müll auf der Wiesn - pro Tag

Wichtig zu wissen: Zusätzlich zum Müll auf den Straßen des Oktoberfest-Geländes gibt es den Müll, den die Wiesn-Gäste gar nicht sehen: den aus den Zelten, auch den der Schausteller und Marktleute. An einem besucherstarken Tag kommen hier noch einmal 80 Tonnen an Müll zusammen. Gesammelt wird der unter anderem hinter den Zelten, in 41 Containern und 66 Mülltonnen. Getrennt wird nach Restmüll, Papier und Kartonagen, Glas. Um dessen Entsorgung kümmert sich aber nicht die Straßenreinigung – sondern der AWM, der Abfallwirtschaftsbetrieb München mit weiteren zehn Mann.

Und die starten kurz vor Mitternacht auch als erstes mit der Arbeit in Sachen Müll auf der Wiesn. Aber: Bevor auch nur ein Behälter geleert wird, klopft Michael Fiedler, der Leiter des Containerdiensts, zusammen mit seinem Kollegen Erduan Aliji jeden der mehr als 40 Container einzeln ab. Klingt einer dumpf, ist er voll. Hallt es zurück, ist er leer.

Zeitdruck und Koordination mit den Bierlieferanten

Eineinhalb Stunden später steht dann der Tourenplan für diese Nacht, es geht los: Neben den Müllwagen fahren die großen sogenannten Abrollkipperfahrzeuge auf das Gelände der Wiesn, um die vollen Container abzuholen. Ihre Ziele heißen dann: Heizkraftwerk, Entsorgungsbetriebe, Wertstoffhöfe.

Zeit lassen können sie die Arbeiter dabei nicht. Es muss zügig aufgeladen werden, denn auch andere Gewerke wie die Bierlieferanten sind nachts auf der Wiesn fleißig und sind unter Zeitdruck. Deshalb sei auch immer jede Menge Koordination und Kommunikation gefragt, man wolle sich ja schließlich nicht gegenseitig im Weg stehen, wenn es eilt, sagt AWM-Wiesn-Entsorgungsleiter Michael Fiedler: "Wir müssen schauen, dass wir rechtzeitig da sind, und uns auch mit den anderen abstimmen, damit es nicht zu Engpässen kommt."

Doch wenn das Bier geliefert wird und es doch einmal eng wird, macht das AWM-Team auch mal extra Strecke. Dann werden die Behälter zu Fuß den weiten Weg vom Standplatz bis zum Müllfahrzeug gebracht, um sie dort einzukippen. Michael Fiedler spricht von einem "Stückchen Zusatzarbeit", nicht immer könne man eben alles hundertprozentig koordinieren. Das Bier aber sei doch das Wichtigste für die Gäste, "dann weichen wir gern mal aus".

Glas entleeren mit Rücksicht auf die Anwohner

An die großen schweren Container müssen sie hingegen immer heranfahren können, um sie dann auf die Abrollkipperfahrzeuge aufzuladen. Nicht alle Container werden aber gleich entleert, manche bekommen sozusagen eine Spezialbehandlung. Die Glascontainer zum Beispiel, denn diese "machen natürlich Lärm und die Leute sollen schlafen können", wie Fiedler sagt: "Deshalb bringen wir das zum Entsorger und der kippt das erst ab 8 Uhr ab."

Für Fiedler ist es schon Wiesn Nummer 13, langweilig wird es ihm hier trotzdem nie. Wenig verwunderlich – bei dem, was sich da so manchmal im Behälter findet: "Vom Fahrrad bis zum E-Schrott bis sonstige Sachen. Es war auch schon mal ein Wiesn-Gast mit drin, in so einem Press-Container. Der hat gemeint, er muss dort seine Notdurft verrichten. Wir haben ihn dann halt rausgeholt."

Neue Wege der Müll-Vermeidung

Es gibt aber auch Behälter, die der AWM nicht abholt. Zum Beispiel die Tonnen mit Küchen- und Speiseresten. Diese werden von Spezialfirmen abgeholt. Um unter anderem genau diesen Müll zu verringern, geht Kufflers Weinzelt neue Wege: Dort misst und analysiert man täglich den Lebensmittel-Müll. Dafür kommt vor der Abholung jede Tonne einzeln auf eine überdimensional große Waage. "Das Ganze wird gewogen", erklärt der stellvertretende Zeltleiter, Leopold Schilling. "Wir notieren uns das Gewicht, und am Ende der Wiesn schauen wir dann, was wir alles an Müll produziert haben und versuchen, das fürs nächste Jahr zu reduzieren."

Eine andere neue Maßnahme zur Müllreduzierung in diesem Zelt: Im Toilettenraum können sich die Gäste nun auch per Luft anstelle von Papier die Hände trocknen. Dank der Handtrockner sollen bis zu 20.000 Papierhandtücher pro Tag eingespart werden können. Ein Modell mit Potenzial? Fest steht, dass die Ersparnis bei den anderen, den größeren Zelten, enorm wäre.

Herzensangelegenheit Wiesn

Nach dem großen nächtlichen Einsatz sind bis morgens um 8 Uhr alle Behälter geleert und die Wiesn kann wenig später in einen nächsten Tag starten – bevor es ab Mitternacht für das Team des AWM wieder von vorne losgeht.

Der Einsatz auf dem Oktoberfest ist für alle auch eine Herzensangelegenheit. Erduan Aliji, stellvertretender AWM-Entsorgungsleiter bei den Wiesn-Nachtschichten, sagt: Er selbst sei eigentlich ein "Anti-Wiesn-Gänger", doch mittlerweile lebe er wie ein Schausteller. "Und es ist was ganz Besonderes: Wenn wir durchfahren bei unseren Kontrollen, finden wir auch mal Leute, die ihren Rausch ausschlafen und dann fragen wir: "Geht's euch gut?'" Wir rufen Sanitäter, wir rufen Security, je nachdem. Wir machen hier eigentlich alles."

Erst waschen, dann kehren – und immer wieder nachtanken

Wenn die Arbeit auf der Theresienwiese für den AWM getan ist, legt um die gleiche Uhrzeit das Team der Straßenreinigung noch einmal los. Dafür startet es aber auch ein bisschen später: Um 2 Uhr morgens fahren sie auf das Wiesn-Gelände, um all den Müll zu entsorgen, den die Wiesn-Gäste auf den Straßen zurücklassen. Dass der Müll übrigens so auf dem Boden landet, ist gewollt: Seit beim Oktoberfest-Attentat 1980 eine Bombe folgenschwer in einem Mülleimer explodierte und 13 Menschen ums Leben kamen, sind die öffentlichen Abfalleimer auf der Wiesn abgeschafft.

Von der Straßenreinigung als allererster am Platz ist nun Peter Herdin. Mit seinem Waschwagen bewässert er den Boden. Warum eigentlich? "Wir machen jetzt alles nass, damit – wenn dann meine Kollegen kommen, um rauszukehren – Papier, Servietten und Co. nicht rumfliegen."

12.000 Liter passen in seinen Waschwagen. Zehn- bis elfmal muss er tanken. In einer Wiesn-Nacht. Denn mit nur "nass machen" ist es nicht getan. "Mit den Waschdüsen und ihren zehn Bar waschen wir dann alles auf eine Seite rüber, damit die grobe Verschmutzung auf eine Linie kommt, somit gut vom Kehrwagen aufgenommen werden kann und es auch wirklich sauber ist am nächsten Tag."

Viel weniger Müll als früher

Es ist seine vierundzwanzigste Wiesn, und selbst wenn er privat auf das Oktoberfest geht, kann er sich ein Kontrollblick nicht verkneifen: Haben sie auch wirklich alles sauber gemacht? Aber, sagt Herdin, der Müll sei über die Jahre ohnehin viel weniger geworden: Bei seiner ersten Wiesn im Dienst habe er noch gedacht, "es ist Krieg. Das hat ausgeschaut: Maßkrüge ohne Ende, Geschirr ohne Ende, heute ist alles mit Pfand, das wird auch streng kontrolliert und so liegen fast keine Maßkrüge mehr rum".

Eine gute Nachricht, auch weil dadurch Geld und Material geschont werden. Etwa bei den Reinigungsfahrzeugen. Waren früher schon mal nahezu 50 Reifen in einer Wiesn-Saison platt, sind es heute nur noch um die fünf. Dennoch: Von einer müllfreien Wiesn ist man noch immer weit entfernt.

Nach dem Waschwagen starten die große Kehrwalze und die je vier großen und kleinen Kehrmaschinen ihre Arbeit. Da die aber nicht überall hinkommen, ist Abfallentsorgung auf der Wiesn auch viel Handarbeit. So sind einige Kollegen mit dem Besen unterwegs, um den Müll wirklich aus jeder Ecke und aus jedem Winkel zu holen, damit ihn die Kehrmaschinen zu fassen bekommen. Da, wo der Unrat aber für die Kehrmaschinen zu groß ist, wird der Müll auf einen Pritschenwagen geladen.

Einsatz mit Leidenschaft

Die Wiesn ist für alle hier im Team ein besonderer Einsatz. Speziell für Martin Vater. Er fährt eine der großen Kehrmaschinen und freut sich jedes Jahr auf die Oktoberfest-Zeit. Schon sein Papa war bei der Straßenreinigung. Wenn Wiesn war, hat er sich bereits als kleiner Junge nachts immer wecken lassen, damit er mitfahren kann. Er erinnert sich noch genau: "Dann habe ich von meinem Vater einen gelben Anzug und einen Besen in die Hand gedrückt bekommen und solange es dunkel war, habe ich rausgekehrt mit meinen – damals ja noch nicht – Kollegen. Und wenn es hell geworden ist, flog der Besen ins Auto und ich ging Geld suchen."

Seit nun schon 34 Jahren hält es ihn in diesem Beruf. Ein Wechsel kam für ihn nie in Frage, und so kehrt er auch nach wie vor auf der Wiesn die Straßen. Immer um 6 Uhr ist es Zeit für ihn und seine Kollegen, den Unrat aus Kehrmaschinen und Pritschenwagen auf dem Sammel-Müllhaufen abzuladen und eine kurze Pause einzulegen. Die findet mitten auf der Wiesn in der Schaustellerstraße statt – vor einem Fahrgeschäft steht eine Bierbank.

"Wir halten München sauber"

Es gibt Kaffee und Butterbrezen – inklusive Papier-Servietten. Doch obwohl auf der Wiesn Müll einfach auf dem Boden landen soll, wandern die Servietten in einen dafür eigens aufgehängten Müllbeutel am Kaffeetisch: "Wir sind von der Straßenreinigung, wir halten München sauber", sagt der Straßenreinigungs-Kraftfahrer Peter Herdin, "von uns landet nichts auf dem Boden. Auch nicht auf der Wiesn."

Nach der kurzen Stärkung kehren und waschen sie weiter, der Sammel-Müllhaufen wird schließlich vom Bagger aufgenommen und ins Heizkraftwerk gebracht. Um spätestens 8.30 Uhr muss die Wiesn sauber sein und die Mannschaft der Straßenreinigung das Gelände verlassen haben. Doch danach ist ihre Arbeit noch nicht getan. Dann sind noch die Straßen rund um die Wiesn dran. Und dort fallen in den gut zwei Wochen insgesamt noch einmal um die 66 Tonnen Müll an.

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