In anderen Ländern, wie Großbritannien und den USA, gehören Zivilschutzübungen an Schulen zur Regel.
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In anderen Ländern, wie Großbritannien und den USA, gehören Zivilschutzübungen an Schulen zur Regel.

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Macht Zivilschutz an Schulen unnötig Angst – oder nicht?

Deutschlands Bildungsministerin Stark-Watzinger will Kinder für den Ernstfall rüsten: Sie schlägt vor, dass Schulen Zivilschutzübungen machen. Daran gibt es viel Kritik. Gibt es andere, bessere Ansätze?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wie erreiche ich schnellstmöglich einen Schutzkeller? Die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte dafür plädiert, Zivilschutzübungen auch in Schulen abzuhalten. Während Experten vor unnötiger Panikmache warnen, finden mehrere Eltern bei einer nicht repräsentativen Straßenumfrage in München die Idee gut.

Mutter in München: Vorbereitung ist gut

Eine Mutter räumt zwar ein, dass das natürlich Angst mache, Vorbereitung aber gut sei: "Man denkt ja an die Kinder in der Ukraine, da muss man abwägen, was nun? Ich möchte nicht, dass meine Kinder das so unvorbereitet trifft."

"Vorbereitung schadet nicht", findet ein Vater. "Ich finde es gut, wenn man für sowas sensibilisiert wird. In einem richtigen Maß macht es Sinn, wenn man vorbereitet ist auf bestimmte Situationen, die heute wahrscheinlicher sind als noch vor zehn Jahren." Ein weiterer Vater findet: "Grundsätzlich finde ich die Idee nicht schlecht, es kommt aber schon aufs Ausmaß an."

Zivilschutzübungen fördern Ängste

Ulrich Babl vom Bayerischen Realschullehrerverband warnt dagegen vor unnötiger Panikmache durch solche Zivilschutzübungen. "Es gibt bereits Maßnahmen", erinnert er. Dazu gehören Schulübungsalarme bei Bränden oder Gefahren wie Amokläufen.

Außerdem werde an den bayerischen Realschulen regelmäßig über militärische Konflikte gesprochen. Die Bundeswehr ist schon jetzt an den Realschulen präsent, beispielsweise bei Berufsinformationstagen. Genauso wie die Polizei und andere Rettungskräfte. Aus Babls Sicht ist es Quatsch, "Schülerinnen und Schülern Gasmasken zu verpassen und Übungen machen zu lassen".

Therapeutin: Kinder brauchen Ermutigung und Optimismus

Ängste hätten Kinder derzeit nämlich schon mehr als genug, erinnert Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Ines Brock-Harder. Die Zahl der Kinder, die wegen psychischer Störungen in Therapie sind, ist laut Brock-Harder während der Corona-Pandemie bis zu einem Drittel gestiegen. Seitdem sind die Zahlen weiter hoch: 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben psychische Probleme – das zeigten Zahlen der Bundesministerien für Familie und Gesundheit.

Auf der einen Seite sind das laut der Expertin Corona-Nachwehen, denn solche Störungen brauchen lange, um zu heilen. Zum anderen seien die hohen Zahlen auch auf die neuen Krisen, wie zum Beispiel die Klimaangst zurückzuführen: "Kinder sind nach wie vor überfordert mit den Weltkrisen. Das kann Zukunftsängste und im schlimmsten Fall Perspektivlosigkeit auslösen. Da braucht es Ermutigung und Optimismus und auch eine Bewältigungsstrategie, wie man mit diesen seelischen Belastungen umgeht."

Was Eltern tun können

Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Brock-Harder rät Eltern, die negative Nachrichtenflut einzugrenzen. Stattdessen sei es wichtig, in der Familie positive Erlebnisse im Alltag zu feiern, sich also auf das Leben im Hier und Jetzt zu konzentrieren und nicht auf die Krisenberichterstattung. Natürlich könne man Kinder aber auch nicht vor den Krisen abschirmen.

Brock-Harder empfiehlt: "Es ist gut, wenn die Eltern gemeinsam mit den Kindern altersentsprechende, Dokumentationen oder längere, in die Tiefe gehende Stücke anschauen." Außerdem sei es wichtig, dass Eltern die Ängste ihrer Kinder ernst nehmen und eine offene Gesprächsatmosphäre herrsche. "Eltern können auch von ihren eigenen Ängsten erzählen und davon, was ihnen selbst Mut macht."

"Schule steht in Verantwortung, Krieg zu thematisieren"

Der Vorsitzende des Bundeselternrats Dirk Heyartz hält die Forderung nach Zivilschutzübungen in Schulen für verfrüht. Das sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Besonders sensibel sei das Thema etwa im Hinblick auf Schüler mit Migrationshintergrund, die möglicherweise traumatische Erfahrung gemacht hätten.

Neben dem Bundeselternrat äußerte sich auch die Bundesschülerkonferenz: "Die Schule steht in der Verantwortung, den Krieg zu thematisieren, sie sollte sich mit aktuellen Ereignissen befassen", forderte der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Florian Fabricius, im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Brock-Harder sieht darin auch das Potenzial von Schulen: "Diese Themen profunde und mit entsprechender Kompetenz auf Seiten des pädagogischen Personals in den Unterricht hineinholen." Auch die Möglichkeit für Diskussionen sei wichtig. Dadurch könnten ihres Erachtens Ängste sogar vermindert werden.

Mit Informationen von KNA

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