Gerahmte Fotos von Männner und Frauen, die im Lager Föhrenwald geboren wurden.
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Frauen und Männer, die im Lager Föhrenwald geboren wurden.

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Lager Föhrenwald: Bewegendes Treffen mit Zeitzeugen in Israel

Die Geschichte des Erinnerungsorts Badehaus in Waldram ist vielen Deutschen unbekannt. Nicht so vielen Israelis. Nach 1945 war das Lager Föhrenwald, wie es damals hieß, Zufluchtsort für heimatlose Juden. Nun fand ein Treffen mit Zeitzeugen statt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

8. Mai 1945: Nazi-Deutschland kapituliert. US-amerikanische GIs befreien auch das Lager Föhrenwald zwischen Wolfratshausen und Geretsried. Für die sogenannten Displaced Persons, also Menschen, die von den Nazis verschleppt wurden, wird das Lager zur Anlaufstelle und zum Zufluchtsort – vor allem für heimatlose Juden aus ganz Europa, die den Holocaust überlebt hatten.

Föhrenwald gilt deshalb als die letzte jüdische Siedlung in Mitteleuropa. Bis zu 5.500 Menschen lebten hier unter amerikanischer Militärverwaltung mit eigenen Synagogen, einer jüdischen Polizei, einer jüdischen Hochschule und kulturellen Einrichtungen. Im Lager wurden viele Kinder geboren, die in die ganze Welt gezogen sind.

Eigene Föhrenwald-Gemeinschaft in Israel

1951 wurde es von deutschen Behörden übernommen. 1957 verließen die letzten 700 bis 800 jüdischen Bewohner das Lager. In Israel gibt es eine eigene Föhrenwald-Gemeinschaft mit über 150 Frauen und Männern, die im Lager geboren wurden oder dort gelebt haben. Der Erinnerungsort Badehaus ist ein zeitgeschichtliches Museum, das die Geschichte des Lagers dokumentiert. Der Freundeskreis des Museums war jetzt in Israel zu Besuch und hat mit neun Zeitzeugen sowohl über ihr Leben und die Geschichte von Föhrenwald als auch über das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel gesprochen.

Eine der Zeitzeuginnen ist Lea Fleischmann. Die 76-jährige Rentnerin lebt in der Nähe von Tel Aviv. Geboren wurde sie aber in Ulm, ihre Kindheit hat sie in Föhrenwald verbracht. "Ich würde jungen Deutschen gerne auf den Weg geben: Forscht mal nach oder guckt mal nach in Eurer eigenen Identität oder Kultur, wie viel Judentum da drinsteckt."

Appell, sich eigenes Bild von Israel zu machen

In Israel darf die Reisegruppe aus Bayern im Wohnhaus einer Zeitzeugin ihr Studio aufbauen und interviewt die ehemaligen Lagerbewohner und -bewohnerinnen. Sie erzählen ihre Lebensgeschichten, Erinnerungen und ihren Weg nach Israel, der für viele über die USA ging. In Föhrenwald hatten sie – anders als ihre Eltern in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis – zum ersten Mal so etwas wie Freiheit erlebt. Einer von ihnen ist Mordechai Zucker. Sein Tipp für junge Leute in Bayern: "Die sollen herkommen, um selbst zu sehen, wie es hier ist, und nicht alles von den Nachrichten lernen."

Nach dem Krieg sammelte sich in Waldram, ehemals Föhrenwald, der Rest der Geretteten, darunter viele jüdische Waisenkinder.
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Damals im Isartal

Eltern sprachen nicht über Holocaust

Ein Student, der sich mit auf den Weg nach Israel gemacht hat, ist Jonathan Coenen. Er gehört zum Team des Museums in Waldram und verfolgt aufmerksam die Interviews mit den Zeitzeugen. "Der Kontrast ist ganz stark zu der Geschichte ihrer Eltern", stellt er fest. Die Geschichte der Eltern sei die der Shoah, des Todes und der Vernichtung. "Ihre Geschichte ist ganz oft die Geschichte einer glücklichen Kindheit in Föhrenwald. Die Eltern haben nicht darüber geredet, was da passiert ist. Und so erzählen die Kinder von einer glücklichen Kindheit im Land der Täter, an dem sie an der Isar gespielt haben, an dem sie behütet aufwachsen konnten. Und das ist krass – dieser Kontrast."

Das Filmmaterial wird zu Hause ausgewertet und in der Dauerausstellung im Badehaus in die vorhandenen Medienpräsentationen eingebaut. Die Leiterin des Museums, die Historikerin Sybille Krafft, pflegt den Kontakt mit Israel seit Jahren. Die Zeitzeugen begegnen ihr mit großer Offenheit. "Wir spüren, dass die Zeitzeugen es sehr wertschätzen, das hier Bürger und Bürgerinnen vor Ort ehrenamtlich diese Geschichte in Erinnerung behalten."

Für Historiker ein Wettlauf mit der Zeit

Neben der Erforschung der historischen Zusammenhänge liegen Krafft die Begegnungen mit den ehemaligen Bewohnern des Lagers am Herzen. "Wir wollten insbesondere die Zeitzeugen aufnehmen, die schon so alt sind, dass sie einfach nicht mehr die Kraft haben oder auch die finanziellen Mittel, zu uns hierher nach Deutschland zu kommen."

Aus Föhrenwald wurde Waldram

1955 übernahm die Erzdiözese München und Freising das amerikanisch geprägte Lager und setzte die Namensänderung in Waldram um. In den folgenden Jahren wurde der Ort die Heimat vieler deutschstämmiger Heimatvertriebener aus osteuropäischen Staaten. Erst mit der Gründung des kleinen Museums 2012, nach dem Badehaus im ehemaligen Lager benannt, wird an die jüdische Geschichte des ehemaligen Flüchtlingslagers erinnert. Für seine Arbeit ist der Museumsverein bereits mehrfach ausgezeichnet worden.

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