Kühe mit Kuhglocken auf einer Weide, im Hintergrund ein Wohnhaus (Symbolbild).
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Kühe mit Kuhglocken auf einer Weide, im Hintergrund ein Wohnhaus (Symbolbild).

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Kuhglocke, Bier & Co: Geräusche und Gerüche bald unter Schutz?

Nicht allen Menschen gefällt, wie es in Bayern mancherorts riecht und klingt. Angesichts von Klagen gegen Kuhglocken und andere Geräusche oder Gerüche drängen die Freien Wähler auf ein "Sinnes-Erbe." Sie wollen damit "der Klageflut Einhalt gebieten."

Läutende Kuhglocken, krähende Hähne, duftende Biermaische – aber auch Gülle-Gestank oder der Geruch des Ziegenbocks: So klingt und riecht Bayern an vielen Orten. Geht es nach der Fraktion der Freien Wähler, braucht dieses "Sinnes-Erbe" einen besonderen rechtlichen Schutz. Im entsprechenden Antrag, über den die Abgeordneten im Landtag am Abend diskutiert haben, steht: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, ebenso wie in Frankreich, das 'Sinnes-Erbe', also die ortsüblichen Gerüche und Geräusche des Landlebens, zu schützen."

Und warum das Ganze? Immer wieder klagen Menschen in Bayern gegen bestimmte Gerüche und Geräusche. Vor einigen Jahren sorgte ein Unternehmer in Holzkirchen für Schlagzeilen: Er klagte gegen den Kuhglocken-Lärm auf einer Weide vor seinem Haus – und verlor. Die Freien Wähler sehen vor allem Konfliktpotenzial zwischen langjährigen und neuen Landbewohnern: "Meistens sind es Klagen von Städtern, die neu aufs Land gezogen sind und sich an den Geräuschen oder Gerüchen des Landlebens stören", sagt Fraktionschef Florian Streibl im Vorfeld der Plenarsitzung. "Dieser Klageflut wollen wir Einhalt gebieten."

"Sinnes-Erbe": Bundesgesetz müsste geändert werden

Erreicht werden soll dieses Ziel über Änderungen an einem Gesetz mit einem langen Titel: Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG). Darin ist zum Beispiel auch festgelegt, dass Kinderlärm nicht als schädliche Umwelteinwirkung gilt. Im Gesetz sollen laut den Freien Wählern auch die "für das Landleben typischen und identitätsstiftenden Gerüche und Geräusche" verankert werden. Problem: Bayern allein kann das nicht beschließen, das Gesetz ist Bundessache.

Deshalb fordern die Freien Wähler in ihrem Antrag, dass die Staatsregierung über den Bundesrat eine Initiative startet, um das BlmSchG zu ergänzen. Auf die Unterstützung der CSU kann der kleine Koalitionspartner dabei zählen, wie die CSU-Abgeordnete Petra Loibl auf BR24-Nachfrage im Vorfeld bestätigte. Sie selbst komme vom Land – und wisse, dass man mit Kirchengeläut, Kuhglockengebimmel und Fröschequaken "durchaus gut leben kann".

Bei der Abstimmung am Abend stimmen Freie Wähler und CSU dann für den Antrag. Die entsprechende Initiative soll jetzt noch vor der Sommerpause in den Bundesrat. Nicht alle Fraktionen in Bayern halten das Anliegen aber für richtig oder drängend: Die Landtags-Grünen enthalten sich - es brauche kein neues Gesetz, sondern mehr Toleranz. Die Fraktionen von SPD, FDP und AfD lehnen den Antrag als überflüssig ab. "Die Freien Wähler beantragen im Landtag, 'ortsübliche Gerüche des Landlebens' als Kulturgut zu schützen", twittert FDP-Fraktionschef Martin Hagen am Abend. "Landespolitik am Limit."

"Einklang von Tradition und Fortschritt wahren"

Als Vorbild für ihre Initiative nennen die Freien Wähler wie erwähnt Frankreich. Dort habe man schon vor einem Jahr Geräusche und Gerüche als "sensorisches Kulturerbe" ins nationale Umweltgesetz aufgenommen, sagt Fraktionschef Streibl. In ihrem Antrag schreiben die Freien Wähler, dass sie deshalb auch die deutschen Regeln anpassen wollen – "um weiterhin unseren Einklang von Tradition und Fortschritt zu wahren und durch die erzielte Klarstellung hier auch einer gesellschaftlichen Spaltung im ländlichen Raum vorzubeugen".

Wie genau ein angepasstes Gesetz aussieht, welche Geräusche und Gerüche darin als besonders schützenswert stehen? Bisher offen. Geplagten oder einfach nur klagefreudigen Menschen lässt jedenfalls auch der Antrag der Freien Wähler eine kleine Hintertür offen: "Bei der Festlegung hat stets eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Anwohner und dem kulturellen Stellenwert dieser Geräusche bzw. Gerüche stattzufinden."

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