Kirchenaustritte sind im Würzburger Standesamt nur noch mit Termin möglich.
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Kirchenaustritte sind im Würzburger Standesamt nur noch mit Termin möglich.

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Katholische Kirche in der Krise? Die Stimmungslage in Würzburg

Die katholische Kirche scheint derzeit aus den Negativ-Schlagzeilen nicht herauszukommen. Für viele auch ein Grund, endgültig aus der Kirche auszutreten – wenn sie das nicht ohnehin schon gemacht haben. Ein Stimmungsbild aus Würzburg.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Die Austrittszahlen sprechen Bände: Die Standesämter werden derzeit quasi überrannt. Grund sind offensichtlich die vielen Schlagzeilen, aus denen die katholische Kirche momentan nicht herauskommt. Erst das Münchner Missbrauchsgutachten vom 20. Januar, das amtierende und ehemalige Amtsträger belastet. Dann, vier Tage später, die Aktion "out in church", bei der sich deutschlandweit 125 katholische Priester und Kirchenmitarbeiter als queer geoutet haben – und dafür nach Kirchenrecht theoretisch gekündigt werden könnten.

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Viele Würzburger wenden sich ab

Eine nicht-repräsentative BR-Umfrage in der Würzburger Innenstadt zeigt ein gemischtes Bild. Einige Menschen sind bereits ausgetreten, meist, weil ihnen der Bezug zur Kirche fehlt. "Ich bin zum einen wegen der Steuern ausgetreten und zum anderen wegen allen möglichen Skandalen – damit möchte ich nicht assoziiert werden", sagte ein Würzburger im BR-Gespräch, eine junge Mutter sagte: "Ein Bekannter von mir wurde auch missbraucht, von daher finde ich es gut, dass das jetzt mehr und mehr aufgearbeitet wird. Aber ich finde, es reicht noch nicht".

Lange Wartezeiten für Kirchenaustritt

Allein in den Tagen nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens am 20. Januar gingen etwa 70 Mails zum Thema Kirchenaustritt bei der Stadt Würzburg ein – sieben Mal so viel wie im vergleichbaren Zeitraum ein Jahr zuvor, sagt Georg Wagenbrenner, Pressesprecher der Stadt Würzburg gegenüber BR24: "Es läuft darauf hinaus, dass wir jetzt wieder mehr Termine anbieten und statistisch wird das dann erst später zu Buche schlagen, wenn alle ihren verspäteten Termin bekommen haben."

In Würzburg warten Bürger aktuell drei bis vier Wochen auf einen Kirchenaustritts-Termin. Die Stadt schichtet ab 1. Februar um, damit die vielen Anfragen schneller abgearbeitet werden können: Dann gibt es pro Woche 60 Termine für Kirchenaustritte – 22 mehr als vorher.

Corona verlängert Bedenkzeit

Lange Schlangen vor dem Rathaus gibt es aktuell aber nicht, was allerdings auf die Corona-Pandemie zurückgeführt werden kann. Früher konnte man einfach während der Öffnungszeit ins Standesamt kommen, jetzt geht der Kirchenaustritt nur mit Termin. "Das sorgt natürlich auch durch die Wartezeit von drei bis vier Wochen dazu, dass nicht jemand direkt nach der Zeitungslektüre, wo man sich über einen Skandal empört, ins Rathaus marschiert wie bei früheren Skandalen", so Wagenbrenner. Durch Corona gebe es zwangsläufig also eine längere Bedenkzeit. In Würzburg sind im Januar über 120 Menschen aus der Kirche ausgetreten.

Bischof Jung zeigt Verständnis

Der Würzburger Bischof Franz Jung bedauert die aktuelle Entwicklung, sagt aber auch zur Missbrauchs-Thematik: "Ich kann Betroffenheit und Ärger verstehen, geht mir ähnlich. Wir sind jetzt verantwortlich, sind eine 'Haftungsgemeinschaft', es fällt immer auf alle zurück. Von daher sage ich: Wir müssen das aufarbeiten und uns dieser schuldhaften Thematik stellen." Viele Christen machten ihren weiteren Verbleib in der Kirche davon abhängig, ob es die Kirche in einer "erneuerten Gestalt" geben werde, so Jung weiter. Dafür wolle er sich beim Synodalen Weg, einem Gesprächsformat innerhalb der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, einsetzen.

Wie groß die Austritts-Welle nach den aktuellen Entwicklungen schließlich ist, wird sich in den kommenden Wochen genauer abzeichnen.

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