Gerichtsurteil mit Holzhammer und Justizia-Statue
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Gerichtsurteil mit Holzhammer und Justizia-Statue

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Im Visier der Justiz: Wie weit geht der Schutz von Abgeordneten?

Landtagsabgeordnete genießen Immunität - ein besonderes Privileg: Das soll sie vor Justizwillkür schützen und die Meinungsfreiheit sichern. Doch was, wenn Politikern eine Straftat vorgeworfen wird?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

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Am kommenden Montag tritt der neu gewählte Bayerische Landtag in einer konstituierenden Sitzung erstmals zusammen. Da werden die Landtagspräsidentin und die Vizepräsidenten gewählt - und auch eine neue Geschäftsordnung wird verabschiedet. Das ist bekannt und steht in der Tagesordnung. Doch im Hintergrund laufen dann noch andere, nicht so bekannte Vorgänge. Sie sind aber brisant: Die Justiz meldet dem Landtagsamt, gegen welche Abgeordneten derzeit strafrechtlich ermittelt wird. Ein Fall ist schon jetzt öffentlich geworden.

Haftbefehl gegen AfD-Politiker wegen Volksverhetzung

Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Würzburg gegen den AfD-Politiker Daniel Halemba ermittelt. Am Freitagabend wurde bekannt, dass gegen den 22-Jährigen Haftbefehl erlassen wurde. Dass gegen Abgeordnete zu Beginn einer Legislatur ermittelt wird, kommt immer wieder vor. Dass es bei einem Verfahren um Volksverhetzung geht, ist jedoch neu. Halemba hätte ursprünglich am Montag in den Bayerischen Landtag einziehen sollen. Er ist Teil der umstrittenen Burschenschaft "Teutonia Prag" in Würzburg und wird wegen des möglichen Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung als Beschuldigter geführt.

Was passiert, wenn schon vor dem Einzug in den Landtag gegen einen Politiker ermittelt wird?

Zur Causa Halemba äußerten sich bislang weder die von BR24 angefragte Pressestelle des Bayerischen Landtags noch das bayerische Justizministerium.

Unabhängig vom Fall Halemba, hat der Landtag theoretisch durchaus die Möglichkeit einzuschreiten, wenn die Justiz gegen einen Politiker vor dessen Einzug in den Landtag ermittelt - und zwar über das Reklamationsrecht: Wenn der Landtagspräsident bzw. die Präsidentin will, dass sich die Abgeordneten des Landtags mit der Angelegenheit befassen, muss das Verfahren unterbrochen und die Entscheidung des Landtags abgewartet werden.

Was passiert, wenn während der Amtszeit ermittelt oder sogar Anklage erhoben wird?

Ab der konstituierenden Sitzung am kommenden Montag bis zum Ende der Wahlperiode oder der Auflösung des Landtags genießen alle Abgeordneten Immunitätsschutz. Ob dies für Fälle gilt, bei denen die Ermittlungen bereits vor der konstituierenden Sitzung des Landtags stattgefunden haben, wie im konkreten Halemba-Fall, war jedoch zunächst umstritten.

In der Praxis bedeutet der Immunitätsschutz aber nicht, dass Abgeordnete eine Art Freibrief bekommen. Normalerweise erteilt der Landtag zu Beginn einer Legislaturperiode eine "allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren". Die gilt laut Justizministerium vor allem für "die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder den Vollzug einer angeordneten Durchsuchung". Für diese Ermittlungen muss die Immunität eines Abgeordneten also gar nicht erst aufgehoben werden. Allerdings könnte die Landtagspräsidentin innerhalb von 48 Stunden auch hier noch ein Veto einlegen und die Angelegenheit dem Parlament zur Entscheidung vorlegen.

Bei einer Anklage oder sonstigen freiheitsentziehenden und -beschränkenden Maßnahmen muss der Bayerische Landtag dagegen die Aufhebung der Immunität erst beschließen. Von der Pressestelle des Landtags heißt es auf BR24 Anfrage: "Wird die Immunität aufgehoben, kann das Strafverfahren fortgesetzt werden. Eine unmittelbare Folge im Hinblick auf die Ausübung des Mandats hat die Anklageerhebung grundsätzlich nicht, da zu diesem Zeitpunkt der Ausgang des Verfahrens offen ist."

Wie oft kommt es vor, dass Politiker ihre Immunität verlieren?

Verkehrsdelikte sorgten in der Vergangenheit immer wieder für die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten. So hob der Landtag 2015 die Immunität des Freien-Wähler-Politikers Bernhard Pohl auf. Er war bei einer Trunkenheitsfahrt erwischt worden.

Die ehemalige CSU-Abgeordnete Christine Haderthauer verlor ebenfalls 2015 ihre Immunität - allerdings aus einem anderen Grund. Es ging um Steuerhinterziehung.

Auch gegen die Grünen-Politikerin Katharina Schulze hat der Bayerische Landtag schon mal vorübergehend die Immunität aufgehoben. Gegen sie wurde ermittelt, weil sie 2018 Demonstranten der rechtsextremen NPD den Mittelfinger gezeigt haben soll. Schulze musste damals 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen.

In der nun endenden 18. Legislaturperiode wurde laut Bayerischem Landtag neunmal die Immunität aufgehoben.

Wann darf ein Politiker nicht mehr Politiker sein?

Die Aufhebung der Immunität bedeutet aber nicht, dass ein Abgeordneter sofort sein Amt verliert. Das ist erst bei "Verlust der Wählbarkeit" der Fall. Sie tritt bei einer Verurteilung wegen eines Verbrechens mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ein. Das heißt, ein Politiker müsste sich tatsächlich einiges zuschulden kommen lassen, um deshalb seinen Landtagssitz zu verlieren. In jüngerer Vergangenheit ist kein Fall in Bayern dazu bekannt.

Generell hat die politische Immunität durchaus eine wichtige Bedeutung: Sie soll sicherstellen, dass politische Gegner nicht aus politischen Motiven angeklagt und ausgeschaltet werden können.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, dass der Immunitätsschutz nicht für Fälle gelte, bei denen die Ermittlungen bereits vor der konstituierenden Sitzung des Landtags stattgefunden haben. Dies ist jedoch umstritten. Wir haben die Passage deshalb angepasst.

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