Man sah an der Corona-Maske, wie schwer die 57-jährige Angeklagte atmete, nachdem die Entscheidung gefallen war. Fast regungslos verfolgte sie dann die Urteilsbegründung: Wegen ihrer paranoiden Schizophrenie sei ihre Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen bei ihren Taten, an die sie sich nach eigenen Angaben allenfalls dunkel erinnern könne.
Gift-Dosis hätte töten können
Für das Gericht besteht aber kein Zweifel daran, dass sie die Lösungsmittel – bekannt als Liquid Ecstasy bzw. K.o.-Tropfen - im Internet bestellt und in potenziell tödlicher Menge in Getränke gemischt hat: in Apfelschorle bei einer Ausstellungseröffnung 2018 im Kulturzentrum Gasteig, wo zwei kleine Mädchen bewusstlos wurden und zusammenbrachen, und in Spezi-Flaschen in zwei Supermärkten im Jahr 2020.
Zwei Frauen, die die Ware gekauft und getrunken hatten, mussten sofort medizinisch behandelt werden, einem Mann ging es nach dem Verzehr schlecht. Die Dosis der Lösungsmittel hätte nach Einschätzung der Ermittler tödlich wirken können.
DNA an manipulierten Flaschen
Das Gift bestellte sie laut Ermittlern im Internet. Von den Flaschen, die sie damit versetzte, wurden zwei weitere verkauft - allerdings ist bislang unklar, an wen. Nach der zweiten Tat im Supermarkt kam ihr die Polizei auf die Schliche, weil sie mit einer EC-Karte gezahlt und so ihre Daten hinterlassen hatte. An den manipulierten Flaschen fand sich dann auch ihre DNA.
Paranoide Schizophrenie seit 1997
Die Richterin beschrieb die 57-Jährige als Frau mit zwei Gesichtern. Einerseits sei sie nett, höflich und ruhig. Andererseits verschicke sie in ihren "schlechten Phasen" Post mit ausfallenden und beleidigenden Äußerungen. Seit 1997 sei sie wegen ihrer episodisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie immer wieder in stationärer Behandlung gewesen und habe zugleich darum gekämpft ein normales Leben zu führen.
Schadenfrohe Stimme im Innern
In der Zeit vor dem ersten Fall hatte die 57-Jährige ihre Erkrankung nach Erkenntnissen des Gerichts mehrere Jahre lang gut im Griff. Das Krankheitsbild habe sich jedoch deutlich verschlimmert, als 2017 und 2018 ihr Vater und ihre Mutter gestorben seien.
Nach solchen Schicksalsschlägen und einer Krebserkrankung sei es vermehrt zu "fremdaggressiven Handlungstendenzen" und in der Folge zu der ersten Tat im Gasteig gekommen. Im Verfahren vor dem Landgericht München I äußerte sich die Beschuldigte nicht zu den Vorwürfen. Sie sagte allerdings aus, dass sie eine Stimme gehört habe: "Ich kann Dich auch zum Mörder machen." Die Stimme sei "schadenfroh".
Nur dunkle Erinnerung an Taten
Ermittlern hatte sie kurz nach ihrer Festnahme gesagt, dass die Stimme ihr nicht die Tat befohlen habe. Jedoch seien ihre Gedanken von außen beeinflusst worden. Quelle dieser Beeinflussung sei eine Frau, die sie als "Gifthexe" betitelte. An die Taten habe sie allenfalls dunkle Erinnerungen, sagte sie demnach. Dennoch verschickte sie im Nachhinein Botschaften unter anderem an eine Arztpraxis, in denen sie sich mit wirren Worten dazu bekannte.
Richterin kritisiert Umfeld der Täterin
Obwohl einige Bekannte durchaus von ihrer psychischen Krankheit gewusst hätten, hätten aber nur wenige versucht, der Frau zu helfen, und die meisten hätten das Thema totgeschwiegen, stellte die Richterin fest. Da stelle sich auch die Frage, ob es andernfalls gar nicht zu den Taten gekommen wäre. Jetzt muss die Frau dauerhaft in die Psychiatrie. Ohne Behandlung bestehe eine hohe Gefahr, dass die Frau weitere schwere Straftaten begehe, sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl.
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