Castor-Behälter stehen in dem Brennelemente-Zwischenlager im schwäbischen Gundremmingen.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat erneut eine Klage gegen das Brennelemente-Zwischenlager Gundremmingen abgewiesen.

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Gericht: Grünes Licht für Atommüll-Zwischenlager Gundremmingen

Würde das atomare Zwischenlager in Gundremmingen einem gezielten Terrorangriff oder Flugzeugabsturz standhalten? Über diese Frage hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München verhandelt. Nun gab er seine Entscheidung bekannt.

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass das atomare Zwischenlager in Gundremmingen weiter betrieben werden darf. Nach Auffassung des Gerichts ist die erforderliche Vorsorge gegen Schäden gewährleistet. Mehrere Anwohner hatten gegen das Zwischenlager geklagt. Ihrer Ansicht nach ist das hoch radioaktive Material nicht ausreichend vor einem Terrorangriff oder einem Flugzeugabsturz geschützt. "Über hundert Castoren lagern in Gundremmingen und jeder enthält das zigfache dessen, was in Tschernobyl freigesetzt wurde", sagt Kurt Schweizer, einer der Kläger, der im benachbarten Offingen lebt. Er befürchtet, dass durch einen schwerwiegenden Unfall ganze Landkreise jahrhundertelang nicht mehr bewohnbar sein könnten.

Anwohner klagten bereits vor 18 Jahren erfolglos

Am 7. Dezember vergangenen Jahres landete der Fall beim Verwaltungsgerichtshof in München. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, Vertreter des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung und der Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) waren gekommen. Zunächst ging es um die Frage, ob der Fall überhaupt noch einmal verhandelt werden soll. Schließlich hatten Anwohner 2006 schon einmal gegen das Zwischenlager geklagt. Sie forderten schon damals, dass die Genehmigung, Kernbrennstoffe aufzubewahren, aufgehoben werden soll. Der Verwaltungsgerichtshof hatte dies allerdings zurückgewiesen.

Mut machte den schwäbischen Klägern ein Urteil in Norddeutschland. 2013 entschied das Oberverwaltungsgericht Schleswig einen ähnlichen Fall anders. Die Erlaubnis für das Standortzwischenlager in Brunsbüttel wurde wegen Defiziten aufgehoben. Es ging unter anderem um die Frage, ob das Lager terroristischen Angriffen wie einem gezielten Absturz eines Airbus A380 standhalten würde. Zudem habe das Bundesamt für Strahlenschutz bei einem Angriff mit panzerbrechenden Waffen nur ältere Waffentypen berücksichtigt, so die Richter. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich 2015 dieser Auffassung an.

Berücksichtigung möglicher terroristischer Angriffe

Im Landkreis Günzburg beantragten fünf Anwohner daraufhin, dass auch die Erlaubnis für das Zwischenlager Gundremmingen aufgehoben werden soll. Das zuständige Bundesamt lehnte dies allerdings ab, wogegen die Bürger wiederum klagten. Bei der Verhandlung im Dezember vor dem Verwaltungsgerichtshof wurden verschiedene Szenarien diskutiert. Wie wahrscheinlich es etwa sei, dass ein vollbetanktes Passagierflugzeug vom Typ A380 oder ein Kampfjet mit einer Bombe auf das Zwischenlager stürzt? Vor Gericht ging es um die Frage, was ein gewisses "Restrisiko" darstellt und ob sich ein Anlagenbetreiber überhaupt auf alle Eventualitäten vorbereiten kann.

"Die Zwischenlager der BGZ zählen zu den bestgesicherten Anlagen in Deutschland", sagte Unternehmenssprecher Burghard Rosen. Der Schutz gegen Terror werde ständig geprüft und die Gebäude bei Bedarf nachgerüstet. Selbst bei einem von Terroristen verursachten Absturz eines Flugzeugs gebe es keine Gefahr für die Menschen in der Region. Der Anwalt der Kläger bemängelte hingegen, dass viele Details bei der Frage der Sicherheit von den Behörden als geheim eingestuft wurden. Selbst in dem Gerichtsverfahren würden Gutachten nur teilweise vorgelegt. "Alles, was Substanz hat, ist geschwärzt", kritisierte der Klägeranwalt. Unter diesen Voraussetzungen sei es kaum möglich, im Atomrecht einen Prozess in Deutschland zu führen. Nach der ganztägigen mündlichen Verhandlung beschloss der Verwaltungsgerichtshof, dass das Verfahren schriftlich fortgeführt wird.

Reaktionen auf das Urteil

Raimund Kamm, ein bekannter Atomkraftgegner aus Augsburg, äußerte sich im BR-Interview enttäuscht über das jüngste Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Er erklärte, dass die Bürgerinitiative "Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" weiterhin für verbesserte Sicherheitsmaßnahmen kämpfen werde. "Ich will diese schreckliche Dimension bewusst machen: Dieser Atommüll muss für über eine Million Jahre isoliert werden, damit die tödliche Strahlung abklingt. Und wo soll das geschehen?" fragte Kamm. Er kritisierte die Gerichtsentscheidung, die das Risiko eines Flugzeugabsturzes oder eines gezielten Terrorangriffs als extrem unwahrscheinlich ansah. "Solche Szenarien seien durchaus denkbar", entgegnete er und fügte hinzu, dass bei einem Anschlag auf das Zwischenlager "man ein ganzes Land ins Chaos stürzen" könnte.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) reagierte auf das jüngste Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, indem es die anhaltende Einhaltung hoher Sicherheitsstandards am Zwischenlager Gundremmingen hervorhob. BASE-Präsident Christian Kühn erklärte nach der Abweisung der Klage von Anwohnern: „Auch 20 Jahre nach der Genehmigungserteilung bestehen keine Zweifel an den Sicherheitsstandards.“ Das Zwischenlager, das 127 CASTOR-Behälter mit hochradioaktiven Abfällen beherbergt, ist bis 2046 genehmigt.

Neue Endlagersuche erhöht Brisanz

Mit dem Salzstock Gorleben glaubte man lange, ein Endlager für radioaktive Abfälle gefunden zu haben. Doch 2020 wurde er als "geologisch nicht geeignet" ausgewiesen, die Suche begann von vorn. Weil die Bürger in Gorleben mehr oder minder vor vollendete Tatsachen gestellt worden waren und sich dagegen großer Protest regte, soll die Auswahl nun so transparent und nachvollziehbar wie möglich werden. Der Streit über die Zwischenlager bekommt so besondere Brisanz. Denn erst in Jahrzehnten könnte überhaupt ein Standort feststehen. Dann müsste das Endlager aber erst noch gebaut und alle Castoren dorthin gebracht werden. Experten gehen jeweils von zwanzig Jahren aus. Entsprechend lang müssen die Castorbehälter und auch die Zwischenlager sicher sein.

Castor-Behälter sind Thema internationaler Forschung

Die Gesellschaft für Zwischenlagerung forscht mit internationalen Teams, wie sich der Castor oder bestimmte Dichtungen am Deckel des Behälters im Laufe der Jahre verändern. An der Technischen Universität München wird beispielsweise untersucht, wie Brennelemente altern. Das Forschungsprojekt ist auf Dauer angelegt. "Wir sind so lange für die sichere Verwahrung der Abfälle zuständig, bis ein Endlager betriebsbereit ist und wir die Abfälle dorthin gebracht haben", sagt Maik Stuke, der Leiter der Forschungsgruppe. Die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle ist in Deutschland auf 40 Jahre befristet, die Genehmigung für das Zwischenlager Gundremmingen läuft 2046 aus und müsste dementsprechend vorab verlängert werden.

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