Abendstimmung am Atomkraftwerk Gundremmingen - die Kühltürme dampfen nicht mehr.
Bildrechte: BR/Gruppe 5 Filmproduktion GmbH/Felix Landbeck

Atomkraftwerk ist viel zu gefährlich, sagen die einen. Man könnte radioaktiven Müll wiederverwerten, sagen die anderen.

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Atomkraft: Ewiges Dilemma oder doch Konzept für die Zukunft?

Deutschland hat sich von der Atomenergie verabschiedet. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Strom. Kernkraft-Forscher plädieren deshalb für Atommüll-Recycling - auch wenn das in Deutschland nicht leicht umzusetzen ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Strom aus Atomkraft ist in Deutschland Geschichte - die Diskussion über Atomkraft geht allerdings weiter. Immer wieder wurde gefordert auch die bayerischen Atomkraftwerke zu reaktivieren. Etwa jenes in Gundremmingen, das einst leistungsstärkste AKW Deutschlands. Am 31. Dezember 2021 wurde es abgeschaltet.

Seither befindet sich das Kernkraftwerk im Rückbau, der bereits weit vorangeschritten ist. Die Kühltürme sind zum Großteil entkernt, die Generatoren ausgebaut. Laut Standortleiter Heiko Ringel ist es deshalb nicht möglich, das AKW wieder zu aktivieren. Auch wenn ein veraltetes TÜV-Gutachten das Gegenteil behauptet.

Wohin mit dem Atommüll?

Es bleibt das Problem mit dem Atommüll. In Gundremmingen kann laut Ringel zwar sehr viel Material wiederverwertet werden. Materialien, die nur leicht radioaktiv sind, können dem Standortleiter zufolge gereinigt werden. Hochradioaktives Material verbleibt aber im AKW.

Nuklearforscher Bruno Merk beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, ob Atommüll recycelt werden kann. Inzwischen arbeitet er in Großbritannien, an der University of Liverpool, weil er in Deutschland keine Zukunft für die Atomforschung sieht. Die Regierung in Großbritannien habe sich laut Merk für die Kerntechnik entschieden, "nicht zuletzt aufgrund von Simulationen, die wir gemacht haben, wo wir gezeigt haben, dass das Netz in UK nicht stabil sein wird", sagte der Forscher bei BR24live.

Merk: Großteil des radioaktiven Mülls kann wiederverwertet werden

"Wir müssen hin zu modernen Recycling-Methoden zur Wiederverwendung von Materialien," sagt Merk - sodass am Ende nur ein kleiner Teil des ursprünglich radioaktiven Materials in ein Atommüll-Endlager müsste: "95 Prozent ist Uran und das könnten wir mit der entsprechenden Technologie in Energie umsetzen". Er geht davon aus, dass, wenn Uran tatsächlich in Energie umgesetzt würde, Deutschland von keinerlei Energie-Importen mehr abhängig wäre.

Noch ist es aber nicht so weit: "Wir müssen das Ganze so optimieren, dass sich das auch rechnet. Also dass wir genügend Energie erzeugen, dass das System auch bezahlbar bleibt. Wir haben die Grundlagen geliefert, jetzt geht es um Investitionen. Es geht darum, das Ganze in die Anwendung zu bringen."

Ein Kämpfer gegen die Atomkraft

Ganz anders blickt Raimund Kamm auf das Thema Atommüll. Er kämpft seit Jahrzehnten gegen die Atomkraft, weil er sie für immens gefährlich hält. Er sagt: "In so einem Castor ist mehr Radioaktivität, als bei dem Atom-Unfall in Tschernobyl freigesetzt worden ist".

Kamm fordert von der bayerischen Regierung deshalb, mehr Geld in alternative Energien zu stecken. Seiner Meinung nach ist Atomstrom nicht von so überragender Bedeutung, wie von vielen Menschen behauptet: "2022 haben wir weltweit weniger Strom produziert als vor 20 Jahren". Er führt seit Jahrzehnten Bilanz über Kernkraftwerke weltweit und betont, dass Atomstrom circa doppelt so teuer sei wie Strom aus alternativen Quellen - zumindest wenn man die Atommüllbeseitigung mitrechne.

Kernenergie liegt in vielen Ländern im Trend

Während in Deutschland der Atomenergieausstieg endgültig vollzogen ist, setzen dagegen weltweit viele Länder nach wie vor auf Kernenergie. Und beim Thema Atomstrom ist Europa vorne mit dabei. Denn ein Viertel aller Atomkraftwerke steht in Ländern der Europäischen Union, die meisten in Frankreich und Spanien. Die Slowakei baut aktuell zwei neue Reaktoren und auch Ungarn, Bulgarien und Slowenien planen neue Meiler.

China setzt bei Atomkraft auf neue Technologien

Außerhalb Europas setzen Staaten stattdessen immer mehr auf neue Technologien. China beispielsweise baut Atomkraftwerke der dritten und vierten Generation. Die versprechen eine hohe Betriebssicherheit und sollen künftig auch weniger Platz brauchen. In den nächsten Jahren will China bis zu 47 neue Atomreaktoren fertigstellen.

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