Auf dem Bildschirm eines Smartphones sieht man die Hashtags Hass und Hetze in einem Twitter-Post
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Auf dem Bildschirm eines Smartphones sieht man die Hashtags Hass und Hetze in einem Twitter-Post (Symbolbild)

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Gemeldete Hasskommentare: 90 Prozent der Urheber entlarvt

Sie rufen zum Mord auf, wollen Menschen ins KZ schicken: Hasskommentare unter Artikeln sind Alltag. Seit bald drei Jahren können Bayerns Medienhäuser Hetze und Hass melden - rund 90 Prozent der gemeldeten Urheber konnten bisher ermittelt werden.

Fast 550 Prüfbitten und 84 Verurteilungen, in einigen Fällen sogar Freiheitsstrafen auf Bewährung: Das ist die bisherige Bilanz der bayerischen Initiative "Justiz und Medien – konsequent gegen Hass". Seit Ende 2019 können Journalisten und Medienhäuser wie der BR besonders heftige Hasskommentare online melden. Die Staatsanwaltschaft prüft dann und nimmt gegebenenfalls Ermittlungen auf.

"Beeindruckt, wenn morgens die Polizei vor der Türe steht"

Teresa Ott, Staatsanwältin und stellvertretende Hate-Speech-Beauftragte der bayerischen Justiz, bezeichnet die Initiative als vollen Erfolg. Ihr Eindruck: Strafen können durchaus abschrecken.

"Es beeindruckt diese Menschen natürlich schon, wenn morgens um sechs die Polizei bei ihnen vor der Türe steht, die Wohnung durchsucht, das Smartphone und die Tablets mitnimmt – und sie sich dann letztlich auch vor Gericht verantworten müssen", sagt Ott. In vielen Fällen bleibe es bei dem einen Mal.

Eisenreich: "Ganz oben auf der Agenda"

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hält die Kooperation von Justiz und Medien ebenfalls für gelungen. Wer die Demokratie schützen wolle, müsse strafbaren Hass auch im Netz konsequent bekämpfen. "Aus Worten können Gewalttaten werden", sagt Eisenreich. Die bayerische Justiz hat das Vorgehen gegen Hass und Hetze laut ihm inzwischen "ganz oben auf der Agenda".

Eisenreich verweist auf weitere Maßnahmen, die sich nicht nur an Medienhäuser und Journalisten richten - sondern auch an Mandatsträger sowie an Betroffene antisemitischer Gewalt. Und nicht nur das: Seit dieser Woche haben alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat die Möglichkeit, Hasskommentare im Netz online an eine Meldeplattform zu schicken. Sie werden dann von Expertinnen und Experten beraten - und auch hier kann es letztlich zu einer Anzeige kommen.

Motto gegen den Hass: "Erst melden, dann löschen"

"Erst melden, dann löschen" - so lautet die Grundidee der Initiative von Justiz und Medien. Gedanke dahinter: Wer nichts zu befürchten hat, außer der Löschung des eigenen Kommentars, wird seinen Hass weiter im Netz verbreiten.

Im Freistaat gibt es, neben der Hate-Speech-Beauftragten, mittlerweile Sonderdezernate bei allen 22 Staatsanwaltschaften. Eisenreich zufolge ist die Identifikationsquote bei den von Medien gemeldeten Kommentaren besonders hoch: Bei rund 90 Prozent der gemeldeten Hass-Posts habe man die Urheber ermitteln können.

Der Justizminister erneuert in diesem Zusammenhang aber seine Kritik an verschiedenen Anbietern: Einige Plattformen würden selten oder nie weiterhelfen, wenn Staatsanwälte die Daten von Hass-Schreibern erfragen. "Die Großen machen die großen Probleme", sagt Eisenreich. "Insbesondere mit Facebook sind wir überhaupt nicht zufrieden." Das gelte auch für den Messenger-Dienst Telegram.

Schmiege: Meinungsbildung darf nicht durch Hass eingeschränkt sein

Genug Arbeit bleibt leider, betont Staatsanwältin Ott. Vielleicht kriegen die Prüferinnen und Prüfer langfristig zuverlässige Unterstützung: Die Initiative des bayrischen Justizministeriums und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) soll weiterentwickelt werden - auch mit künstlicher Intelligenz. Die Hoffnung: Eine Software könnte eines Tages zuverlässig filtern, welche Hasskommentare möglicherweise strafbar sind und welche nicht.

Am Schluss entscheide aber immer ein Mensch, betont BLM-Präsident Thorsten Schmiege. Und noch etwas ist ihm wichtig: Die gemeinsame Initiative von Justiz und Medien sei elementar für die Demokratie. "Weder die Berichterstattung noch die freie Meinungsbildung dürfen durch Hass und Hetze eingeschränkt sein."

BJV-Vorsitzender: "Wir haben eine Chance"

Auch Michael Busch, Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbands (BJV), hält die Initiative gegen Hasskommentare für gut und richtig. "Die Kolleginnen und Kollegen in den Medienhäusern stellen fest: Wir haben eine Chance, gegen Hasskommentare vorzugehen", sagt er. Das sei früher anders gewesen. Ein voller Erfolg wäre es laut Busch allerdings, wenn es keine Hasskommentare mehr gäbe.

Alle Beteiligten betonen, wie belastend Hasskommentare sein können - für die Betroffenen, für ihre Familien, für die Prüfenden. Journalistenvertreter Busch nennt ein Beispiel: Bei einer Pegida-Demonstration seien Kolleginnen und Kollegen zunächst direkt angegangen worden - bevor später in sozialen Netzwerken ihre Privatadressen veröffentlicht worden seien. "Dazu Sprüche wie 'Man kann da auch ganz gut demonstrieren', sagt Busch. "So was hinterlässt natürlich Spuren und macht Angst."

Hass im Intenet: BLM und Justizministerium arbeiten zusammen
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