Die drei Klimaaktivisten sowie Unterstützer vor dem Amtsgericht München.
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Die drei Klimaaktivisten (1., 4. und 5. von rechts) sowie Unterstützer am ersten Prozesstag vor dem Amtsgericht München.

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Geldstrafe auch für Jesuitenpater: Klimaaktivisten verurteilt

Weil sie einen Teil des Münchner Altstadtrings blockiert hatten, sind drei fränkische Klimaaktivisten wegen Nötigung zu Geldstrafen verurteilt worden, darunter ein Jesuitenpater. Die Strafe liegt deutlich unter der Forderung des Staatsanwaltes.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Drei Klimaaktivisten aus Franken, die im Oktober 2022 einen Teil des Altstadtrings am Münchner Stachus blockiert hatten, sind vom Amtsgericht München wegen Nötigung zu Geldstrafen verurteilt worden. Das Urteil gegen den Nürnberger Jesuitenpater Dr. Jörg Alt, die Wissenschaftlerin Dr. Cornelia Huth und den Studenten Luca Thomas fällt deutlich milder aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Während die Bayreutherin Cornelia Huth zur Initiative "Scientist Rebellion" gehört, die die Blockade organisiert hatte, waren die beiden Männer als Unterstützer dabei. Der Bayreuther Student Luca Thomas ist Mitglied der "Letzten Generation", über die Pater Alt ein Buch geschrieben hat.

Milde Geldstrafen und Übernahme der Verfahrenskosten

Der Jesuitenpater wurde zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen à einen Euro, also insgesamt zehn Euro, verurteilt. Das Gericht berücksichtigte dabei, dass er als Mitglied des Jesuitenordens über kein eigenes Einkommen verfügt und ein Armutsgelübde abgelegt hat.

Der Student Luca Thomas muss eine Geldstrafe von 150 Euro zahlen, die Wissenschaftlerin Cornelia Huth 400 Euro. Zudem müssen die drei Klimaaktivisten die Kosten für das Verfahren tragen.

Verurteilt wegen Nötigung, Richterin bedankt sich für "kooperatives Verhalten"

Die Richterin erklärte bei der Urteilsverkündung, dass es ihrer Meinung nach keine Klebe-Aktion und Sitzblocke an einer vielbefahrenen Straße gebraucht hätte, um politische Entscheidungsträger zum Handeln aufzufordern. Auch aufgrund der Dauer der Störung - rund eine Stunde - ist laut der Richterin eine Rechtswidrigkeit gegeben gewesen. Damit seien die drei Aktivisten schuldig der Nötigung.

Die Richterin sagte jedoch auch zu den Klimaaktivisten: "Sie sind der Klimabewegung hilfreich. Sie merken ja, wie es auf mich Eindruck macht, wenn wissenschaftlich argumentiert wird". Trotzdem sei auch ihr rechtlicher Handlungsspielraum begrenzt. Sie bedankte sich abschließend noch bei den Verurteilten für das "kooperative Verhalten" während des Prozesses.

Staatsanwaltschaft forderte höhere Strafen

Der Staatsanwalt hatte deutlich höhere Strafen gefordert: 1.000 Euro für den Studenten, 2.000 Euro für die Wissenschaftlerin und 1.200 Euro für den Jesuitenpater.

Der Staatsanwalt erörterte in seinem Plädoyer, dass es noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, um auf den politischen Entscheidungsprozess in der Klimapolitik der Regierung einzuwirken. Noch seien die demokratischen Mittel des Protestes nicht ausgeschöpft: "Wenn man schon zehnmal protestiert hat, kann man auch ein elftes Mal auf die Straße gehen".

Zugunsten der drei Angeklagten spreche allerdings ihr vollumfängliches Geständnis und dass sie sich während der gesamten Blockade-Aktion friedlich verhalten hätten, so der Staatsanwalt. Zudem sei darauf geachtet worden, dass im Falle eines Notfalls eine Rettungsgasse hätte gebildet werden können. Die Beweggründe der Aktivisten seien zudem nicht egoistisch, sondern mit Blick auf das Gemeinwohl motiviert gewesen.

Anwältin: "Demokratie muss Aktionen wie diese aushalten können"

Die drei Verteidiger der Angeklagten verwiesen in ihren Plädoyers auf die Versammlungsfreiheit, auch habe nach Ansicht der Anwälte während des Verfahrens nicht eindeutig festgestellt werden können, wie sehr und wie viele Autofahrer tatsächlich blockiert waren. Somit sei der Sachverhalt nicht als Nötigung zu werten.

Außerdem komme es in München öfters vor, dass öffentlicher Raum für Autofahrer gesperrt werde - beispielsweise wegen Veranstaltungen, die auch nicht immer alle Verkehrsbeteiligten vorab mitbekommen würden. Und dass sich an den Hauptverkehrsadern der Stadt Staus bildeten, sei in München auch nicht außergewöhnlich.

Eine Demokratie müsse Aktionen wie diese aushalten können, so Adelheid Rupp, die Verteidigerin des Studenten. "Die Regierung nimmt den Klimawandel nicht ernst, also liegt es an den Menschen, dass er zur Kenntnis genommen wird.“ An den Staatsanwalt gerichtet fragte die Anwältin: "Glauben Sie tatsächlich, dass Politiker Demonstrationen ernst nehmen? Ich glaube nicht, sonst würde etwas geschehen. Da hätte doch schon vor zehn Jahren oder noch länger viel mehr getan werden sollen."

Jesuitenpater: Die wahren Radikalen sind diejenigen, die an der fossilen Energie festhalten

Der Nürnberger Jesuitenpater Dr. Jörg Alt erklärte in seinem Schlusswort noch einmal, warum er sich letztendlich für diese Form des "zivilen Ungehorsams" entschieden habe: "Alle anderen Alternativen schienen mir nicht mehr wirksam". Noch könne die Klimakatastrophe abgewendet werden, so der Pater, davon sei er überzeugt. Doch das Problem solle erkannt und nicht diejenigen bestraft werden, die nach Lösungen suchten. Die wahren Radikalen seien diejenigen, die noch immer an der fossilen Energie festhalten.

Der Theologe und Philosoph verwies ebenfalls darauf, dass München ohnehin die "Stauhauptstadt Deutschlands" sei - auch deshalb sei die Sitzblockade und Beeinträchtigung der Autofahrer "sozial verträglich gewesen".

"Ziviler Ungehorsam ist auch demokratisch", sagte der Geoökologie-Student Luca Thomas in seinem Schlusswort. Das Ziel dieser Aktionen sei, dass demokratisch legitimierte politische Personen Entscheidungen treffen und ihre Pflicht erfüllen. Es gehe schließlich nicht um das persönliche Wohlergehen. "Wir müssen heute die Weichen zum Erhalt der Lebensgrundlagen stellen".

Straßenblockade im Herbst 2022

Die drei Klimaaktivisten aus Franken haben am 28. Oktober 2022 mittags eine dreispurige Fahrbahn am Münchner Altstadtring blockiert. Erst hielten sie jeweils rund 10-minütige Vorlesungen auf der Straße, anschließend setzten sie sich auf die Fahrbahn und klebten sich teilweise fest. Nach rund einer Stunde wurde die Blockade von der Polizei aufgelöst, indem die Aktivisten von der Straße getragen wurden. Am ersten Prozesstag Anfang Mai haben die drei Angeklagten vor Gericht ausführliche Einlassungen verlesen, um ihr Handeln zu erklären und zu rechtfertigen.

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