Derzeit halten die Freien Wähler ihren Bundesparteitag in Geiselwind im unterfränkischen Landkreis Kitzingen ab. Dort wollen sie ihre bundespolitischen Ansprüche untermauern und zum ersten Mal einen Generalsekretär wählen. Gregor Voth soll der starke Mann an Hubert Aiwangers Seite werden.
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Aiwanger will auch in Berlin mitmischen
Schon im Bundestagswahlkampf wirkte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger so, als würde ihn nichts mehr in München halten. Der stellvertretende Ministerpräsident wollte unbedingt auch in Berlin mitmischen. Das ging so weit, dass er noch vor Schließung der Wahllokale Prognose-Zahlen veröffentlichte, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren und dies mit einem letzten Wahl-Aufruf verband.
Am Ende landeten die Freien Wähler mit 2,4 Prozent der Stimmen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Doch damit sind sie immerhin Deutschlands stärkste außerparlamentarische Oppositionspartei und zeigten sich am Wahlabend als strahlende Verlierer.
Der Dämpfer könne den Aufwind durch die stabilen Umfragen in Bayern und den erstmaligen Einzug in den Landtag in Rheinland-Pfalz nicht stoppen. Die Ziele werden immer energischer formuliert: Mittelfristig will man in der ganzen Bundesrepublik Fuß fassen.
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Voht soll erster Generalsekretär werden
"Unser Einzug in Rheinland-Pfalz war ja ein deutliches Zeichen, dass wir längst nicht mehr nur eine bayrische Randerscheinung in der Bundespolitik sind", sagt Gregor Voht, Landesvorsitzender der Freien Wähler in Schleswig-Holstein. Der gelernte Kaufmann für Spedition und Logistik aus Lübeck ist erst 32 Jahre alt und trotzdem schon seit 14 Jahren in der Landes- und Kommunalpolitik aktiv. Auf dem Parteitag in Geiselwind steht die bisherige Krönung seines steilen Aufstiegs in der Partei an: Voht soll neuer Generalsekretär der Bundespartei werden.
Auf dem Parteitag soll die Satzung der Bundesvereinigung, die bisher keinen Generalsekretär vorsieht, dementsprechend angepasst werden. Hubert Aiwanger, der seit 2010 neben dem Landesvorsitz auch den Vorsitz der Bundesversammlung innehat, behält dabei alle Fäden in der Hand. Nach dem Willen des Bundesvorstands soll der Bundesvorsitzende das alleinige Vorschlagsrecht für den Generalsekretär haben. "Hubert Aiwanger wird mich vorschlagen, und ich werde mich entsprechend auch zur Wahl stellen", sagte Voht BR24 vor dem Parteitag.
Hubert Aiwanger mit rund 85 Prozent im Amt bestätigt
Es sei für ihn keine Überraschung, dass Aiwanger ihn gefragt habe, sagte Voht. Immerhin arbeiten die beiden seit neun Jahren eng im Bundesvorstand zusammen. "Entsprechend habe ich relativ schnell zugesagt", so Voht.
Aiwanger selbst ist auf dem Parteitag inzwischen als Bundesvorsitzender wiedergewählt worden. Er holte dabei rund 85 Prozent der Stimmen, wie ein Parteisprecher mitteilte. Da er ohne Gegenkandidaten antrat und bundesweit das Gesicht der Partei ist, galt seine Wahl als Formsache.
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Auf der letzten Bundesmitgliederversammlung in Präsenz, 2019 in Würzburg, hatte der nun 51-Jährige rund 94 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Nun also eine deutliche Verschlechterung, nach seinem Umfrage-Tweet bei der Bundestagswahl und dem Wirbel um seine Corona-Impfung. Im Sommer 2021 sorgte er mit impfskeptischen Äußerungen bundesweit für Schlagzeilen.
Im Norden ein Partei-"Start-up": Voht soll Freie Wähler bekannter machen
Mit der Wahl Vohts dürfte sich Aiwanger versprechen, auch ein norddeutsches Gesicht der Freien Wähler bekannt zu machen. Der Lübecker Gregor Voht ist gelernter Kaufmann für Spedition und Logistik und führte die Freien Wähler jüngst in den Wahlkampf in Schleswig-Holstein. Doch während die Partei in den Landtagen in München und Mainz vertreten ist, erzielte Voht mit dem Wahlvorschlag der Freien Wähler in Schleswig-Holstein mit 0,6 Prozent eines der schwächsten Ergebnisse bundesweit.
Voht spricht dann von "verschiedenen Geschwindigkeiten", die es aktuell in den Bundesländern hinsichtlich der Beliebtheit der Partei gebe. "Das hängt ganz entscheidend davon ab, ob in diesen Bundesländern eine Freie-Wähler-Tradition vorhanden ist", sagt er. "In den Ländern, in denen es seit den 50er-Jahren kommunale Wählergruppen gibt, die in Verbänden der Freien Wähler organisiert gewesen sind, ist es sicherlich so, dass wir auf eine stärkere Basis und eine höhere Bekanntheit zurückgreifen können". In Schleswig-Holstein dagegen habe man die Partei "als Start-up" von Null aufbauen müssen.
Nächstes Ziel: Der Einzug in den hessischen Landtag
Als Generalsekretär soll er nun mithelfen, die Partei mittelfristig in allen Bundesländern konkurrenzfähig zu machen. Das große Ziel sei dabei zunächst die Landtagswahl in Hessen 2023, wo die Partei auf den nächsten Einzug in ein Landesparlament hofft.
Dafür wolle die Bundespartei gezielt Schwerpunkte setzen. "Also wir sind als mittelständische Partei nicht in der Lage auf jeder Hochzeit zu tanzen, sondern wir müssen ganz klar sagen, das sind die Projekte, die wir in den nächsten Jahren angehen", sagt Voht.
Freie Wähler wollen Rentensystem reformieren
Auf dem Parteitag in Geiselwind will sich die Partei in einem Leitantrag verstärkt mit dem Thema Inflation befassen und wie sich diese auf die Gesellschaft auswirken könnte. Vor allem im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik. Dazu gehöre eine grundsätzliche Reform des Rentensystems.
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Mit einer "Automatisierungs-Gutschrift" soll auf eine veränderte Arbeitswelt reagiert werden. Wenn aufgrund der Automatisierung Arbeitsplätze wegfallen, soll etwa bei börsennotierten Aktiengesellschaften auf die ausgeschütteten Dividenden eine Gutschrift berechnet werden, ähnlich einer Abgeltungssteuer. Die entsprechenden Summen sollen dann nach dem Willen der Freien Wähler direkt an die Deutsche Rentenversicherung gehen und dort allen Versicherten als Rentenpunkte gutgeschrieben werden.
Digitale Versammlung aufgrund alter Satzung nicht möglich
Außerdem sollen die Mitglieder auf dem Parteitag eine ganze Reihe an Satzungsänderungen beschließen, denn seit Gründung der Partei hätten sich einige Schwachstellen offenbart. "Es war uns bisher zum Beispiel nicht möglich, digitale Versammlungen zu halten", sagt Voht. So blieben die Vorsitzenden ohne Bestätigung länger im Amt als üblich.
Bundesparteitag Geiselwind: "Update" für Freie Wähler
Seit der Gründung der Bundesvereinigung 2009 habe sich einiges verändert, die Partei sei seither um wichtige Verbünde wie Frauen- und Jugendorganisationen gewachsen. "Und all diese Sachen müssen sich dann auch in der Gremienstruktur einer Partei wiederfinden. Das heißt, das ist einmal das große Update unserer eigenen Struktur", so Voht.
In Geiselwind sollen nun die Grundbausteine gelegt werden, um als Bundespartei in Zukunft arbeitsfähig zu sein.
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