Schleuser schicken Flüchtlinge oft mit unzureichenden Booten über das Mittelmeer nach Europa. Häufig ertrinken dabei Menschen. (Symbolbild)
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Schleuser schicken Flüchtlinge oft mit unzureichenden Booten über das Mittelmeer nach Europa. Häufig ertrinken dabei Menschen. (Symbolbild)

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Frau wegen tödlicher Schleusung von Geflüchteten vor Gericht

In Landshut steht eine mutmaßliche Schleuserin vor Gericht. Die Frau soll für den Tod von zahlreichen Geflüchteten im Mittelmeer mitverantwortlich sein. Bei der Überfahrt starb fast die Hälfte der Bootsinsassen. Die Angeklagte bestritt die Vorwürfe.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Skrupellose Schleuser nehmen von Geflüchteten oft Tausende Euro für eine lebensgefährliche Überfahrt in vollgepackten, seeuntüchtigen Schiffen oder Booten. Nun steht in Landshut eine Frau aus dem Iran vor dem Landgericht, die mitverantwortlich für solche Schleusungen und den Tod von Menschen sein soll.

Es gibt weitere Tatverdächtige

Die 51-jährige Angeklagte soll an Schleusungen von Geflüchteten von der Türkei über die Ägäis nach Griechenland beteiligt gewesen sein, so die Staatsanwaltschaft. Bei einer Bootsüberfahrt kamen mehrere Menschen ums Leben. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau das Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge sowie das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Geflüchteten vor. Das Verfahren ist Teil eines Gesamtkomplexes mit mehreren Tatverdächtigen. Insgesamt geht es um vier Schleusungsfahrten aus der Türkei nach Griechenland. Als mutmaßlicher Drahtzieher der Schleuserorganisation gilt der ehemalige ehemalige Lebensgefährte der Frau. Die Angeklagte soll ihren damaligen Verlobten unterstützt haben.

Angeklagte bestreitet Vorwürfe

Vor Gericht bestritt die Angeklagte die Vorwürfe. Über ihren Anwalt ließ die Frau erklären, sie habe mit den Schleusungen nichts zu tun gehabt und sei nur im Umfeld der Schleuserorganisation gewesen, weil sie selbst geschleust werden wollte. Das habe ihr damaliger Verlobter allerdings verhindert. Der Vorsitzende Richter wies sie darauf hin, dass in Fällen wie diesen Opfer von Schleusungen oft zugleich Täter seien und sie das nicht vor einer Verurteilung schütze.

Bande soll Geflüchtete in EU eingeschleust haben

Die aus dem Iran stammende Angeklagte soll seit mindestens Ende 2015 als Teil einer Bande Geflüchtete in die Europäische Union eingeschleust haben. Die Bande schleuste vor allem aus Afghanistan stammende Menschen ein, aber auch etwa Iraner oder Iraker. Um diese soll sich die Angeklagte gekümmert haben.

Die Geflüchteten sollen für Geld von der Türkei aus per Boot über die Ägäis auf griechisches Staatsgebiet gebracht worden sein. Von Dezember 2015 bis März 2016 soll die Bande 259 Geflüchtete für jeweils 2.500 Euro einzuschleusen versucht haben und dabei den Tod von insgesamt bis zu 70 Menschen verursacht haben.

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Die angeklagte mutmaßliche Schleuserin vor Gericht in Landshut

Laut Anklage mindestens 13 Todesfälle mitverschuldet

Der Angeklagten wird bei den tödlichen Schleusungen Mitverantwortung in einem Fall vorgeworfen. In diesem sollen sich 29 Geflüchtete auf einem überladenen Boot befunden haben, das von den Kapitänen nach einem Motorschaden verlassen wurde und kurz danach sank. Dabei sollen mindestens 13 Menschen ertrunken sein. Ein dreijähriges Kind gelte bis heute als vermisst, es sei vermutlich auch tot.

Auch Kinder unter Verunglückten

Unter den Verunglückten seien sieben Kinder im Alter von neun Monaten bis neun Jahren gewesen. 15 Personen konnten von der griechischen Küstenwache gerettet werden. Darunter Zeugen im Prozess, die jetzt in Deutschland leben. Einer von ihnen soll am nächsten Prozesstag kommenden Dienstag (20. Februar) aussagen. Er hat bei dem Unglück drei Kinder verloren. Der Richter betonte, es gebe insgesamt über 60 Zeugen. Wenn die Angeklagte kooperativ sei und mit ihren Aussagen den traumatisierten Zeugen das Erscheinen vor Gericht ersparen würde, spräche das für sie.

Angeklagter droht lange Freiheitsstrafe

Die Angeklagte wirkte nervös, teilweise den Tränen nahe. Auf einen der Vorwürfe reagierte sie persönlich: es hieß, sie sei Auto gefahren – daraufhin sagte sie, sie habe noch nie ein Auto gesteuert. Im Raum steht laut dem Richter eine Strafe von drei Jahren aufwärts – sofern sich die Angeklagte ihrer Tat bewusst gewesen sei. Der Strafbestand für Schleusungen mit Todesfolge ist mit drei Jahren bis 15 Jahren bedroht.

Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Landshut eröffnet, nachdem im Zuständigkeitsbereich der dortigen Staatsanwaltschaft Zeugen Angaben zu den Bootsschleusungen gemacht hatten. Die Angeklagte konnte erst im Sommer des vorigen Jahres aufgrund eines europäischen Haftbefehls festgenommen werden, so die Staatsanwaltschaft. Der Flughafen München, über den die Frau bei ihrer Auslieferung nach Deutschland einreiste, gehört außerdem in das Zuständigkeitsgebiet der Justiz in Landshut.

Mit Informationen von dpa

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