Plakat "Remigration jetzt" bei Pegida-Demo in Dresden im Dezember 2023
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Plakat "Remigration jetzt" bei Pegida-Demo in Dresden im Dezember 2023

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Rechtes Geheimtreffen: Wofür steht der Begriff "Remigration?"

"Remigration": Rechtsradikale nutzen den ursprünglich wissenschaftlichen Begriff als Kampfformel. Es geht um einen Umbau des Staatsbürgerrechts, der keineswegs nur Flüchtlinge betreffen würde.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ein Treffen gut gekleideter Herren und weniger Damen in einem Landhaus am See nahe Potsdam. Geladen hat ein Düsseldorfer Zahnarzt, man berät ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" zur "Remigration". Ein Bericht des investigativen Recherchenetzwerkes "Correctiv" zeigt, was dahintersteckt (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).

Die Teilnehmer sind AfD-Politiker, unter anderem Roland Hartwig, Referent von Alice Weidel, zwei CDU-Mitglieder aus der "Werteunion" und als Hauptredner Martin Sellner, bekanntester Kopf der "Identitären Bewegung", welcher der Verfassungsschutz "die Missachtung der Menschenwürde" attestiert. Es geht um einen Plan, im großen Stil Menschen unter anderem mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen – auch Menschen, die einen deutschen Pass besitzen. "Mindestspende" der Teilnehmer: 5.000 Euro.

Remigration: ein "gekaperter" Begriff

Das Schlagwort heißt "Remigration". Der Begriff klingt wissenschaftlich und kommt auch aus den Sozial- und Politikwissenschaften. Er bezeichnet ursprünglich die Rückkehr eines Migranten in sein Herkunftsland – freiwillig oder nach Ausweisung. In der "neurechten" Deutung des Begriffs geht es jedoch nicht um Individuell-biografisches, sondern um einen "Masterplan" für Massenabschiebungen, die den von Verschwörungstheoretikern unterstellten "großen Bevölkerungsaustausch" durch die Eliten (mehr dazu hier) rückgängig machen sollen.

Das Ziel: Die Mitte der Gesellschaft

Auf der neurechten Plattform sezession.de stellt Martin Sellner fest: "Im idealistischen Kernbereich des rechten Lagers wurde das Begriffspaar 'Bevölkerungsaustausch' und 'Remigration' im Jahr 2023 großteils hegemonial." Jetzt müssten beide "in der Mitte der Gesellschaft (…) landen".

Das tut Sellners "Masterplan" – zumindest in der Frage, wer von "Remigration" betroffen wäre. Es geht nicht nur um die Abschiebung von Flüchtlingen, nicht nur um "Messermänner" und "Kopftuchmädchen" (Alice Weidel), sondern generell um Ausländer – und wohl auch um deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Zwar distanziert sich die AfD und erklärt, Weidels Referent habe gar nicht gewusst, wer zu dem Treffen geladen sei. Tatsächlich aber fordern Vertreter der Partei immer wieder eine "wirkliche Remigration" (Gottfried Curio) oder "millionenfache Remigration" (Irmhild Boßdorf).

Audio: Die AfD und die "Remigration"

Irmhild Boßdorf, Europawahl-Kandidatin der AfD
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Irmhild Boßdorf, Europawahl-Kandidatin der AfD

"Biodeutsche" versus "Passdeutsche"

Rechtsradikale nennen Deutsche mit Migrationshintergrund gern "Passdeutsche", denen sie die "Biodeutschen" gegenüberstellen. Die Aufgabe des Staatsbürgerrechts, das die Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfordert, zugunsten diffuser "ethnokultureller" Kriterien widerspricht deutschem Recht. Auf allzu grellen biologischen Rassismus – wie er in Donald Trumps Aussage aufscheint, Migranten würden "das Blut der USA vergiften" – wird meist verzichtet.

"Ethnokulturelle Identität": Der giftige Kaugummi der Neurechten

Stattdessen hat Martin Sellner den harmlos klingenden Begriff der "ethnokulturellen Identität" populär gemacht. Auch diese Formulierung klingt wissenschaftlich, ist tatsächlich aber gewollt schwammig und gar nicht harmlos: stellt sie doch eine kaugummiartige Verbindung ethnisch-rassischer und nicht näher ausgeführter leitkultureller Aspekte her.

Wäre demnach noch deutsch, wer in Memmingen geboren ist, aber eine ghanaische Mutter hat? Einen italienischen Vater? Wie steht es mit Petr Bystron, dem in Tschechien aufgewachsenen Ex-Vorsitzenden der bayerischen AfD oder mit der aus Sri Lanka stammenden Lebensgefährtin von Alice Weidel (die allerdings in der Schweiz lebt)? Spielen Hautfarbe und Religion eine Rolle? Auch bei Krankenpflegern?

Potenziell wären von der "Remigrations"-Plänen viele Millionen Deutsche betroffen. Von den 23,8 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund waren im Jahr 2022 12,2 Millionen Deutsche.

"Eine Musterstadt in Afrika"

In einer E-Mail an die Nachrichtenagentur dpa schreibt Sellner, sein Plan umfasse "nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte". Offen bleibt, ob die Ähnlichkeit zum gescheiterten NS-Projekt, europäische Juden auf eine vor der Ostküste Afrikas gelegene Insel zu deportieren, zufällig ist (mehr zum Madagaskar-Projekt bei dhm.org).

Ein geheimes Neonazi-Treffen mit Teilnehmern von der AfD hat Deutschland aufgeschreckt.
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Ein geheimes Neonazi-Treffen mit Teilnehmern von der AfD hat Deutschland aufgeschreckt.

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