Das Heizkraftwerk München Nord.
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Widerstand gegen Vorhaben für neues Münchner Gaskraftwerk

Der Kohleblock im Heizkraftwerk München Nord soll so bald wie möglich abgeschaltet werden, das steht fest. Die Münchner Stadtwerke wollen stattdessen ein neues Gaskraftwerk bauen. Dagegen regt sich Widerstand.

Wenn es nach den Münchner Bürgern ginge, wäre mit dem Verbrennen von Kohle schon im kommenden Jahr Schluss. Der erfolgreiche Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" sah ein Ende des Kohleblocks im Heizkraftwerk München Nord schon für 2022 vor.

So schnell wird es jedoch nicht gehen, denn die Strom- und Wärmeproduktion des Kraftwerks ist für die Landeshauptstadt und ganz Süddeutschland vorerst unverzichtbar. Wie das Kraftwerk ersetzt werden soll, darüber schwelt schon seit Jahren ein Streit.

Stadtwerke: Strom und Wärme gleichzeitig erzeugen

Die Stadtwerke München (SWM) haben sich entschieden, als Ersatz für das Kohlekraftwerk direkt nebenan einen neuen, großen Gaskraftwerksblock zu bauen: ein sogenanntes "Gas- und-Dampfturbinen-Kraftwerk" (GuD), das einerseits effizient Strom, gleichzeitig aber auch Wärme für das Münchner Fernwärmenetz erzeugen kann.

Mit der grundsätzlich gleichen Technik arbeitet seit 2004 bereits das Heizkraftwerk Süd. Die Fertigstellung des neuen GuD-Kraftwerks im Münchner Norden ist für 2026/2027 geplant, danach könnte das alte Kohlekraftwerk vom Netz gehen.

Wie passt das fossile Kraftwerk zum Klimaziel?

Aber ist eine solche Investition in ein fossil betriebenes Großkraftwerk auch in diesem Jahrzehnt noch zeitgemäß? Anlagen dieser Art laufen in der Regel rund 40 Jahre lang - und müssen das auch, damit sie sich betriebswirtschaftlich lohnen. Aber spätestens 2050 will Deutschland klimaneutral sein, die Landeshauptstadt laut Stadtratsbeschluss sogar schon 2035.

Das Bündnis "Raus aus der Steinkohle" ist deshalb gegen den Neubau des Kraftwerks. Die Gemeinde Unterföhring, auf deren Gebiet das Heizkraftwerk Nord liegt, will das Projekt per Bebauungsplan verhindern.

Die Zukunftsperspektive "Wasserstoff" ist noch unsicher

Die Stadtwerke München argumentieren, in Zukunft lasse sich das Gas- und-Dampfturbinen-Kraftwerk auch klimaneutral betreiben: indem man es auf den Betrieb mit grünem Wasserstoff umrüstet. Das ist freilich eine unsichere Perspektive, denn die Wasserstoffwirtschaft entwickelt sich erst und das Gas ist teuer.

Gegner: "Kraftwerk ist nicht genehmigungsfähig"

Das neue Kraftwerk sei "nicht genehmigungsfähig und klimapolitisch nicht verantwortbar" heißt es in einem Positionspapier, das unter anderem auch von "Fridays for Future München" mitgetragen wird. "Raus aus der Steinkohle" schlägt statt des großen Gaskraftwerks den Bau und die Erweiterung von mehreren kleinen Heizkraftwerken im Münchner Stadtgebiet vor. Was allerdings in den vergangenen Jahren in den betroffenen Stadtbezirken auf Ablehnung stieß. Für die Stromversorgung Münchens sei das Kraftwerk nicht wesentlich, so das Bündnis.

Versorgungssicherheit für ganz Süddeutschland

Das sehen die Stadtwerke München anders. Das neue Kraftwerk werde die Sicherheit der Münchner Stromversorgung erhöhen und das Münchner Stromnetz selbst im Falle eines europaweiten Stromausfalls in Gang halten können. Und das Gas- und-Dampfturbinen-Kraftwerk werde einen Beitrag zur Versorgungssicherheit in ganz Süddeutschland leisten.

Vor allem im Winter braucht Bayern Strom

Das sieht der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) genauso. Vor allem im Winter werde Bayern noch Jahrzehnte lang Strom aus Erdgas brauchen. Wenn der Strombedarf besonders groß ist, brauchen die Münchner auch gleichzeitig am meisten Wärme. Deswegen passt aus Sicht der SWM das geplante Heizkraftwerk gut zum laufenden Ausbau der Geothermie in München.

Die Gewinnung von Erdwärme aus der Tiefe so stark auszubauen, dass es auch für den Spitzenbedarf an kalten Wintertagen reicht, sei nicht wirtschaftlich. Denn bei einem solchen Maximal-Ausbau wäre an vielen Tagen zu viel teuer gewonnene Erdwärme im Netz - und müsste dann zum Beispiel über Kühltürme entsorgt werden.

Andere Gaskraftwerksprojekte stocken

Auch die bayerische Staatsregierung setzt auf Gaskraftwerke für die Stromversorgung des Freistaats. Denn Bayern ist vor allem im Winter, wenn die Photovoltaik kaum Ertrag liefert, inzwischen von Stromimporten abhängig. Und wird es nach Stilllegung der letzten beiden Kernkraftwerke im kommenden Jahr noch stärker sein. Gaskraftwerksprojekte von Privatinvestoren sind jedoch an Standorten wie Haiming bei Burghausen, Gundremmingen und Leipheim wegen der unsicheren Ertragsaussichten ins Stocken geraten.

Ein Kraftwerk, das ohne Subventionen auskommt

Das Gaskraftwerk München Nord ist das einzige große in Bayern, das derzeit ohne Subventionen vorangetrieben wird. "Wir können das wirtschaftlich betreiben", so ein SWM-Sprecher gegenüber dem BR. Der Unterschied zu anderen Standorten ist die Möglichkeit zum Auskoppeln von Wärme – weil der Standort in Unterföhring anders als solche auf der grünen Wiese über Anschluss an das Fernwärmenetz einer Millionenstadt verfügt.

Die Stadtwerke München setzen darauf, dass das Projekt mit dem internen Namen "GuD 3" durch die Regierung von Oberbayern genehmigt wird. Das Verfahren ist im Gang. Mit Widerstand und Klagen gegen den Kraftwerks-Neubau ist allerdings zu rechnen, das könnte den Zeitplan noch durcheinanderbringen.

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